Aktien Frankfurt: Kurssprung nach Zoll-Aussetzung - Keine Euphorie bei Experten
FRANKFURT (dpa-AFX) - Der Dax hat am Donnerstag
angesichts von Donald Trumps vorläufiger Kehrtwende im Zollstreit
eine Erholungsrally gestartet. Die anfänglichen Kursgewinne
schmolzen allerdings etwas ab.
Nach einem mehr als achtprozentigen Kursprung auf 21.300 Punkte
erwies sich die für den mittelfristigen Trend bedeutsame
100-Tage-Durchschnittslinie als zu hohe Hürde. Um die Mittagszeit
behauptete der deutsche Leitindex ein Plus von 5,45 Prozent auf
20.743,04 Punkte. Immerhin ließ er aber die langfristig wichtige
200-Tage-Linie wieder klar hinter sich.
"Die Situation ist nicht chaotisch, sie ist verrückt", kommentierte
Carsten Brzeski, Chefvolkswirt für Deutschland und Österreich bei
der niederländischen Bank ING, mit Blick auf den US-Präsidenten und
die Finanzmärkte. Trump setzte am Mittwochabend die jüngst
verhängten, länderspezifischen Sonderzölle für 90 Tage aus. Während
dieses Zeitraumes greift nun ein pauschaler Zollsatz von 10 Prozent.
Dagegen verschärfte Trump den Konfrontationskurs mit China, indem er
die Zölle für chinesische Einfuhren weiter anhob.
Für den MDax der mittelgroßen Unternehmen ging am
Donnerstagmittag noch um 4,55 Prozent auf 25.996,31 Punkte hoch. Der
Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 machte mit einem
Plus von 5,5 Prozent ebenfalls ordentlich Boden gut.
Auch an den asiatischen Handelsplätzen zogen die Kurse kräftig an.
Selbst die wichtigsten Indizes der chinesischen Börsen sowie der
Hang-Seng-Index der Sonderverwaltungszone Hongkong
legten zu. In New York zeichnen sich nach der Kursexplosion vom
Vortag allerdings schon wieder Verluste ab. An diesem Donnerstag
treten auch die chinesischen Gegenzölle für US-Waren in Kraft. Dazu
werden ab der kommenden Woche Gegenzölle der EU wirksam. Sie sind
eine Reaktion auf bereits vor rund einem Monat verhängte US-Zölle
auf Stahl- und Aluminiumimporte.
Laut dem charttechnisch orientierten Wertpapieranalysten Marcel
Mußler "ist nach gestern erst einmal Aufatmen angesagt". Ähnlich wie
andere Experten sieht er aber keinen Grund zur Euphorie. Denn
schließlich sei der Zollkrieg nicht beendet, sondern nur für
Verhandlungen ausgesetzt worden. "Dabei wird Trump aber weiterhin
nicht den Samariter geben", so Mußlers Prognose. "Er wird vielmehr
weiter mit markigen Sprüchen die Stimmung anheizen. Und das
Vertrauen in Trump bleibt zerstört." Dazu bedeute der anhaltende
Handelskrieg mit China schwer zu kalkulierende Risiken.
Am deutschen Aktienmarkt griffen die Anleger vor allem bei zuletzt
gebeutelten Papieren zu. Aus dem Halbleitersektor sprangen Infineon
an der Dax-Spitze um 10 Prozent hoch. Im MDax
belegten Wacker Chemie mit plus 9,3 Prozent und im
Nebenwerte-Index SDax Süss Microtec ,
Siltronic und Elmos mit Gewinnen von
bis zu rund 10 Prozent vordere Plätze. Gefragt waren auch
Finanzaktien wie Deutsche Bank und deren Fondstochter
DWS sowie Industrietitel wie MTU und
Siemens Energy .
Am SDax-Ende lagen derweil die moderat schwächeren Aktien von
ProSiebenSat.1 , nachdem die US-Bank JPMorgan
sie abgestuft hatte und nur noch ein neutrales
Anlagevotum ausspricht. Analyst Daniel Kerven begründete dies mit
dem Risiko, dass Media for Europe (MFE) seine
Übernahmeofferte zurückziehen könnte. Die Aktien des Medienkonzerns
und ProSieben-Großaktionärs hätten enorm unter der Aussicht
gelitten, im wirtschaftlich unsicheren Terrain auch noch die
Schulden der Schulden seines Branchenkollegen stemmen zu müssen.
Dieses Risiko könnte MFE zunächst zu hoch sein. Die Italiener
könnten wieder auf den Plan treten, wenn der volumengewichtete
Durchschnittskurs (VWAP) der ProSieben-Aktien deutlich gesunken sei.
Hieran orientiert sich die Offerte.
Volkswagen -Aktien verteuerten sich nach vorläufigen
Quartalszahlen um unterdurchschnittliche 3,4 Prozent. Der Autobauer
verfehlte die Erwartungen, hält aber an seinen Jahreszielen fest.
Die Papiere haben eine dreiwöchige Talfahrt hinter sich. Für die
zuletzt ähnlich gebeutelten Titel der Wettbewerber BMW
und Mercedes-Benz ging es am
Donnerstag um 4,7 beziehungsweise 4,2 Prozent hoch. BMW berichtete
derweil für das erste Quartal einen Absatzrückgang - vor allem wegen
des eingebrochenen China-Geschäfts.
Bei Nordex stand ein in etwa marktkonformes Kursplus
von 4,1 Prozent zu Buche. Zahlen zum Auftragseingang im ersten
Quartal gaben den seit Jahresbeginn gut gelaufenen Aktien des
Windturbinenbauers keine Impulse. Stärker gefragt waren Titel des
Solarkonzerns SMA Solar mit plus 10,4 Prozent./gl/mis