, boerse-express

Es muss nicht BRIC sein, Oslo und Co haben auch ihre Reize

Dieser Artikel erschien im WirtschaftsBlatt investor Nummer 3

Das heurige Anlagejahr ist von Exoten á la Mongolei geprägt. Dort konnten Anleger ihr Geld verdoppeln. Aber warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute auch so Nahe liegen kann?

"Die Region Skandinavien entwickelt sich über gewisse Zyklen besser, als der breite europäische Markt." Nordea-Österreich-Chef Christian Rogy und das Researchteam des Fondsanbieters haben ­einen entsprechenden Fünf-Jahreszyklus identifiziert. "Es gab eine Ausnahme", betont Rogy, als die ­IT-Blase platzte und die damals noch echte Giganten gewesenen Nokia und Ericsson den gesamten skandinavischen Börse-Raum bergab ­zogen. Der aktuelle Zustrom an ­Anlagegeld kommt nicht von ungefähr: Über zahlreichen Staaten Europas kreist die Furcht vor dem Pleitegeier. Anleger sorgen sich um ihre Ersparnisse und suchen nach Alternativen. Wer politische Stabilität schätzt, und im Vergleich gesunde Staatsfinanzen, wird dann schnell im Norden Europas fündig. Dort, wo (außer in Krisenjahren) noch Wert auf positive Staatshaushalte gelegt wird. Dort, wo die Verschuldungsquote des Staates deutlich unter dem Schnitt der Euro-Staaten liegt (siehe dazu Grafiken rechts oben). Dort, wo ­Arbeitslosigkeit nicht ein derartiges Problem ist, wie im Rest der ­industrialisierten Welt.

Dass der Zustrom an Geldern nicht höher ist, hat mehrere Gründe: "In" ist so ein Investment nicht, ­vielleicht auch, da man aus Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden nicht so leicht ein ­einprägsames Kunstwort wie BRIC kreieren kann (DOFN?). Auch der Staatsanleihenmarkt ist nicht gerade üppig besetzt, um vom Trend nach Sicherheit zu profitieren (immerhin haben wir es hier mit vier Triple-A Staaten zu tun), da die Länder ­aufgrund ihrer relativ gesunden Haushalte nicht so einen großen Refinanzierungsbedarf haben.

Der Grund für den geringen Finanzierungsbedarf ist auch in der Historie zu suchen: Die skandinavische ­Halbinsel blieb von den Kriegszerstörungen großteils verschont - und damit die Wirtschaft. Auch aufgrund dessen gab es bis in die späten 50er-Jahre regen Zustrom an Humankapital, wie es im ­Finanzdeutsch heißt (Zuwanderung). Und seit je eine offene Handelspolitik, da der regionale Absatzmarkt zu klein war. Skandinaviens Konzerne sind also von Grund auf auf Wettbewerb gedrillt. Und haben gleichzeitig oft im Hintergrund ihre Fäden ziehenden Familienaktionäre, die gleich dachten - und an langfristigem ­Vermögensaufbau interessiert waren. Das ist auch der größte Unterschied zur ebenfalls ­exportabhängigen Volkswirtschaft Österreich. Hier versuchte man es zuerst mit dem Experiment Verstaatlichung.

Die Probe aufs Exempel gibt Rogys Fünf-Jahres-Zyklus recht: Wiens Leitindex ATX etwa liegt auf Sicht von fünf Jahren mehr als 15 Prozent im Minus, der breite europäische Markt anhand des Bloomberg 500-Index schaffte (inklusive Dividenden) gerade noch den Sprung ins Plus - die Nordmannen: Dänemark schaffte mehr als 15 Prozent plus, Finnland bescheidenere sieben Prozent (die Probleme des dominierenden Konzerns des Landes - Nokia - sind der Bremsschuh), Norwegen schaffte wieder mehr als 20 und Schweden beinahe 40 Prozent.

Dabei hat der klassische skandinavische Raum für Anleger aus der Euro-Region noch ein zusätzliches Asset parat - die eigenen Währungen. Allein die schwedische Krone brachte eine Verdoppelung der Performance im heurigen Jahr - in Norwegen gab’s gar den ­Faktor vier. Finnland hat den Euro bereits, Dänemark seine Krone daran gekoppelt. Diese können im Gegensatz zu den Kronen-Ländern keine eigene Zinspolitik betreiben. Ob die Kronen-Währungen nicht schon heiss gelaufen sind? "Die norwegische Krone gefällt mir weiter sehr gut. Da stimmen die makroökonomischen ­Rahmenbedingungen, Öl gibt es auch. Ähnliches gilt dann für die schwedische Krone", sagt Franklin Templeton Österreich-Chef Martin Linsbichler". In den Fonds des Anbieters werden die beiden Währungen derzeit übergewichtet - als Gegengewicht zum untergewichteten Euro. Damit ein kurzer Rundblick:

Dänemark. In Kopenhagen dominieren vor allem Unternehmen aus dem Gesundheitswesen (Novo Nordisk - weltweit führender Diabetesspezialist), der Finanzbranche sowie dem Industriesektor, ­wobei dabei auch "grüne" Anlagenbauer wie Vestas gemeint sind (der weltgrößte Hersteller von Windenergieanlagen befindet sich ­übrigens unter den drei Top-Empfehlungen vom Skandinavien-Spezialisten Rogy). Kopenhagens Börse gilt aufgrund dieser Sektoren als ­weniger anfällig für Konjunkturschwankungen.

Finnland. Helsinki ist natürlich auch Forstwirtschaft (Stora-Enso), aber vor allem Nokia. Jener Konzern, der sich vom Hersteller von Gummistiefeln zum weltweit führenden Handy-Anbieter entwickelte.

Norwegen. Der Staat bildet gemeinsam mit Schweden die eigentliche skandinavische Halbinsel. Norwegen ist der weltweit drittgrößte Exporteur von Erdöl. Dementsprechend voll ist der Staatssäckel. Der entsprechende "Fonds" ist auch deshalb so gut gefüllt (mehr als 300 Milliarden Euro), da Norweger trotz ihres Öls teurer tanken müssen, als etwa wir Österreicher - geschweige denn in den USA. Somit spielt vor allem der Energiesektor eine bedeutende Rolle (Statoil), beziehungsweise energieintensive Branchen wie Aluminium (Norsk ­Hydro). Für Anleger heißt das: ­Entwickelt sich der Ölpreis gut, geht’s auch der Börse Oslo gut - und umgekehrt.

Schweden. An der Stockholmer Börse dominieren Finanztitel und der Telekomausrüster Ericsson. Dazu kommt die Forstwirtschaft, etwa mit der sich in fast jedem Haushalt befindlichen SCA (Cosy, Danke, Feh, Tempo, Zewa ...). Bekannt ist auch der Bekleidungskonzern H&M (befindet sich ebenfalls auf der Top-3-Liste von Rogy). Da Schwedens Banken stark im Baltikum (Nordea ist Rogys Nummer drei) involviert sind, müssen Anleger bei einem Investment auch diese Region im Auge behalten. Gibt’s dort Sorgen, sorgen sich auch die Schweden.

Der unbekannte Star. Sieger in unserem Aktienranking ist der norwegische Mischkonzern Orkla: Wasserkraftwerke, Aluminiumverarbeitung und Nahrungsmittelproduktion stellen ein breites Produktspektrum dar. Außerdem ist der Konzern einer der größten Hersteller von metallurgischem Silizium für Solarzellen. Das Unternehmen ist eher unbekannt, da der Name nicht auf den Produkten steht - so wie bei Felix etwa. Aber man muss ja auch nicht Orkla heißen, um Orkla zu lieben ...
Skandinavien kann natürlich jeweils als Einzelthema über Länderzertifikate bzw. -Fonds gespielt werden. Dem Diversifikationsgedanken zuträglicher ist aber wohl gleich die ganze Region. Der Nordeuropa-Spezialist ist sicher Nordea mit zwei seiner Flaggschiffe Nordic Equity Fund (ISIN LU00­64675639) sowie Nordic Equity Small Cap Fund (LU0278527428).
Ein endlos laufendes Basket-Zertifikat bietet die RCB (AT0000­A04QB1). Dabei wurden zwölf ­Aktien herausgepickt (von Danske Bank über Securitas und Statoil bis hin zu Vestas), die als besonders ­zukunftversprechend galten und ­gelten. Das Besondere an diesem Zertifikat: 60 Prozent der Dividenden werden wieder reinvestiert (bei Telekomkonzernen á la Telenor und TeliaSonera nicht uninteressant).
Wer noch breiter aufgestellt sein will, dem stehen eine Reihe von Emittenten offen. Am interessantesten ist wohl der DJ Nordic 30, der 30 Großkonzerne aus dem Norden in einem Index verpackt (siehe Tabelle oben). Und auf den dann ­verschiedene Anbieter Indexzertifikate lanciert haben. Beispiel-Emittenten sind Commerzbank (DE000CB­6HEB6) oder HVB (DE000HV5A­AQ0).
Ganz breit wird es, wenn man sich an Morgan Stanley und die MSCI-Index-Familie wendet. Denn auch hier gibt es einen eigenen Nordic-Index - und den gibt’s als Zertifikat unter GB00B282NC40.