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Morrien: Anglo Irish Bank: Auch Irland hat ein Fass ohne Boden

Newsletter vom 21.9.2010Liebe Schlussgong-Leser,

 

nachdem der deutsche Leitindex bis zum Nachmittag seine Gewinne ausbauen konnte und fast ein neues Jahreshoch markierte, gerieten die DAX-Kurse ab 15 Uhr unter Druck. Bis zum Handelsschluss musste der Aktienindex seine Gewinne wieder abgeben und schloss leicht schwächer bei 6.275 Punkten.

Tagesverlierer war die Deutsche Bank, die für das dritte Quartal aufgrund der Postbank-Übernahme einen Verlust erwartet. Die Deutsche Bank hat ein starkes Interesse daran, den Postbank-Anteil in der eigenen Bilanz möglichst niedrig zu bewerten, damit der Preis für die restlichen Postbank-Aktien günstiger wird. Mit solchen taktischen Spielchen im Übernahmepoker müssen Sie jetzt rechnen.

Echte Sorgen hat dagegen eine andere deutsche Bank. Der Schlussgong hat Ihnen gestern von der Pleitebank Hypo Real Estate berichtet. Ein Blick auf den irischen Bankensektor zeigt nun, dass wir damit nicht allein in Europa sind.

Finanzbedarf der Anglo Irish Bank unklar

Mittlerweile ist dem deutschen Steuerzahler klar, dass die Rettung der Hypo Real Estate teurer wird, als zunächst angenommen und länger dauert als geplant. Länger und teurer als geplant ist bei Staatsprojekten nichts Neues. Auch andere Länder in Europa kämpfen mit ähnlichen Banken-Problemen.

So entpuppt sich die Anglo Irish Bank für den irischen Staat immer mehr als Fass ohne Boden. Nachdem die Bank bereits massive staatliche Unterstützung bekommen hat, wird jetzt deutlich, dass noch viel mehr Kapital fließen muss. Wieviel insgesamt noch benötigt wird, steht derzeit noch nicht einmal fest.

20% Defizit und Bankenkrise – erste Investoren werden nervös

Irland prognostiziert für das laufende Jahr ein Haushaltsdefizit von über 20% des Bruttoinlandprodukts (BIP). Allein deswegen braucht der Inselstaat schon neue Milliardenkredite. Die aktuelle Meldung, dass der Staat eine marode Bank mit diesen Krediten durchfüttert und nicht die Realwirtschaft unterstützt, ist Wasser auf die Mühlen der Krisen-Propheten und treibt die Zinskosten Irlands auf den höchsten Stand seit Einführung des Euros.

Es herrscht vereinzelt große Skepsis unter den Investoren, ob die Iren ihre Finanzlage in den Griff bekommen. Erste Stimmen sprechen schon davon, dass die irische Regierung keine anderen Optionen mehr hat, als finanzielle Unterstützung von IWF oder EU zu beantragen.

Krise ja – pleite nein

Schaut man sich jedoch die Fakten im Detail an, gibt es zumindest leichte Hoffnungsschimmer. Irland hat heute erfolgreich eine neue Anleihe in Höhe von 1,5 Milliarden Euro platziert. Die Neuemission war sogar fünffach überzeichnet (wobei nicht klar ist, ob die Europäische Zentralbank dabei ihre Finger im Spiel hatte). Es scheint also noch genug Investoren zu geben, die Irland für solvent genug halten.

Natürlich wird auch das Zinsniveau von über 6% eine Rolle gespielt haben. Auch wenn der Zinssatz gemessen an den Mini-Renditen deutscher Staatsanleihen hoch erscheint, sind 6% jedoch noch kein Anzeichen für einen drohenden Staatsbankrott.

Historie zeigt: 6% Zinsen sind für irische Staatsanleihen nicht ungewöhnlich

EU-Währungskommissar Olli Rehn und der Geschäftsführer des neu eingerichteten Euro-Krisen-Fonds Klaus Regling sehen die Situation als nicht dramatisch an und gehen davon aus, dass Irland die Probleme ohne Hilfe von außen meistern wird.

Wir müssen uns wieder an höhere Zinsen gewöhnen. Die aktuelle Niedrig-Zins-Phase ist nicht der Normalzustand. Wenn Griechenland aktuell 11% Zinsen und Irland 6% Zinsen für langlaufende Staatsanleihen bezahlt, ist das historisch betrachtet ein relativ normaler Zinssatz.

Diese „wahren“ Zinssätze wurden lediglich durch die Euro-Einführung verzerrt. Es wurde nicht mehr zwischen guten und schlechten Schuldnern unterschieden. Wenn jetzt wieder größere Zins-Unterschiede auftauchen, zeigt das, dass der Zins-Markt wieder funktioniert.