Morrien: Krise US-Wirtschaft: Die Lokomotive der Weltwirtschaft steht nicht mehr unter Dampf
es sah lange Zeit gut aus an den europäischen Aktienmärkten. Aber dann trat das Ereignis ein, vor dem sich die Investoren schon seit Monaten regelmäßig am Nachmittag fürchten: In den USA wurden neue Konjunkturdaten veröffentlicht. Die Reaktion: Panik-Verkäufe an den europäischen Märkten. Der DAX verlor schlagartig 150 Punkte und nähert sich wieder der 6.000-Punkte-Marke.
Interessant ist natürlich die Frage, wer heute verkauft hat. Zumindest die ersten Verkäufer müssen Optimisten gewesen sein, die mit positiven US-Konjunkturdaten gerechnet haben. Dabei ist doch schon lange klar: Anders als in früheren Krisen ist die US-Wirtschaft nicht mehr die Lokomotive, die den Rest der Welt aus dem Konjunktur-Sumpf zieht. Da ist kein Dampf im Kessel. Die neuen Hoffnungsträger kommen aus Asien, Europa (Deutschland) und Lateinamerika.
US-Arbeitslosigkeit bleibt der Schwachpunkt
Wie mehrfach hier im Schlussgong geschrieben, ist die hohe Arbeitslosenquote in den USA der entscheidende Schwachpunkt. Wer arbeitslos ist, kann die Kredit-Raten für das Haus nicht zahlen und wird auch nur eingeschränkt konsumieren. Jede Konsumzurückhaltung trifft die US-Wirtschaft bis ins Mark, da der Konsum für über 60% der Wirtschaftsleistung verantwortlich ist.
Heute wurde wieder sichtbar, dass eine Besserung kurzfristig nicht in Sicht ist. Die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe erhöhte sich um 12.000 auf 500.000. Die Volkswirte hatten mit einer Zahl von 475.000 gerechnet. Aber selbst diese Zahl wäre keine große Hilfe gewesen. Als Faustformel gilt, dass die Arbeitslosenquote erst dann nachhaltig fällt, wenn die Zahl der Erstanträge auf unter 400.000 fällt.
Die offizielle Arbeitslosenquote bleibt damit bei deutlich über 9% (die inoffizielle Quote liegt sogar bei über 15%). Da viele Arbeitslose die Hoffnung aufgegeben haben, melden sich diese erst gar nicht mehr als arbeitslos und tauchen dann nicht mehr in den offiziellen Zahlen auf.
Die Optimisten müssen erst aufgeben
Solange es noch optimistische Investoren gibt, die auf einen schnellen Aufschwung der US-Wirtschaft setzen und enttäuscht verkaufen, wenn die Daten doch wieder schlecht ausfallen, wird der Börsen-Aufschwung regelmäßig abgewürgt.
Immer wieder versuchte der DAX in diesem Jahr ein neues 52-Wochen-Hoch zu erreichen, aber dann kamen jeweils negative Nachrichten aus Griechenland oder aus den USA dazwischen. Optimal wäre es, wenn die Optimisten aufgeben und nur noch Pessimisten am Markt agieren. Dann kann es irgendwann nur noch positive Überraschungen geben. So war es im Frühjahr 2009, als die Finanzkrise die Stimmung der Investoren auf den Nullpunkt gedrückt hat. Als die Stimmung am Tiefpunkt war, begann die Kursrally am Aktienmarkt.
Ein Wunder ist möglich: Selbst am US-Arbeitsmarkt
Bisher habe ich hier im Schlussgong den grundlosen Optimismus der US-Investoren kritisiert. Dazu stehe ich auch. Aber wenn dann die Stimmung am Nullpunkt ist und der letzte Optimist, der aktiv auf eine schnelle Erholung der US-Wirtschaft setzt, von der Börse vertrieben wurde, ist anschließend (!) eine positive Überraschung möglich.
Und es gibt tatsächlich Hinweise, dass ein kleines Wunder am US-Arbeitsmarkt möglich sein könnte. So passen die Halbjahresberichte der Personaldienstleister überhaupt nicht zur trüben Stimmung.
Global agierende Personalvermittler wie Adecco, Manpower, Randstad oder auch Michael Page berichten von insgesamt sehr guten Geschäften. Die Nachfrage nach Personal ist überraschend hoch. Blicken wir zum Beispiel auf die Zahlen und Aussagen des Weltmarktführers Adecco. Der Gruppen-Umsatz stieg zuletzt organisch (also ohne Zukäufe) um 13%. Nach einem Verlust von 173 Mio. Euro in der Vorjahresperiode sprang der operative Gewinn im 2. Quartal auf +154 Mio. Euro.
Personaldienstleister als Frühindikator
Das Ergebnis wäre noch besser ausgefallen, wenn nicht Länder wie Japan, Großbritannien und Irland Schwäche gezeigt hätten. Die eigentliche Sensation ist aber: Die Hauptmärkte Frankreich und Nordamerika wachsen zweistellig und halten dieses Tempo bisher auch im 3. Quartal. Daher betont das Adecco-Management ausdrücklich, dass kein Anzeichen einer Verlangsamung in Sicht sei.
Das heißt: Der Personaldienstleister geht von einer positiven Entwicklung in Nordamerika aus. Das ist doch zumindest ein kleiner Hoffnungsschimmer. Denn: Personaldienstleister sind erfahrungsgemäß ein guter Frühindikator. Wenn deren Geschäft gut läuft, folgt mit einiger Verzögerung eine Erholung am Arbeitsmarkt.
Daher das Fazit: Kurzfristig sollten Investoren die Erwartungshaltung bezüglich des US-Marktes auf Null senken, mittelfristig ist ein Comeback möglich.