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Lohrke: Rechts blinken und links fahren

Sehr geehrter Anleger,

 

heute lese ich, dass sich die Stimmung der Anleger stark eingetrübt habe. Auch, dass sich die Kunden jetzt mit niedrigeren Renditen zufrieden geben. Der Grund ist, dass einer Umfrage amerikanischer Investmentbanken zufolge zahlreiche Privatleute aber auch Fondsmanager mit einer Abschwächung der weltweiten Konjunktur rechnen.

Auch werden schlechtere Unternehmensgewinne erwartet. Und so kann man Umschichtungen der Depots hin zu sicherheitsorientierten Anlagen wie z.B. Produkte mit Kapitalschutz, die natürlich niedriger rentieren wahrnehmen. Auch wurde der Aktienanteil in den Portfolios reduziert.

Und ganz Schlaue halten das Geld einfach auf den Bankkonten. Wobei man sich - kurz vor der Veröffentlichung der Ergebnisse des weichgespülten Banken-Stresstests - fragen darf, ob das wirklich eine gute Idee ist.

Und so ist der Deutsche wieder in seinem Element. Absichern nach allen Seiten ist angesagt. Das hat - wie man jetzt weiß - schlicht den Grund, dass sie es nicht besser wissen. Denn laut einer Umfrage, hat die Mehrheit der Deutschen ein geringes Wissen in Finanz- und Wirtschaftsfragen.

Nur 16 % haben ein gutes bzw. sehr gutes Wissen in Finanzfragen. Was ein bestürzendes Ergebnis für das Mutterland der Sozialen Marktwirtschaft ist. Davon profitieren natürlich in erster Linie die großen Banken und Versicherungen.

Und so könnte man fast auf den Gedanken kommen, dass dieses Nichtwissen jenen ganz gelegen kommt. Und keiner in dieser dollen Bildungsrepublik, wo mehr von Bildung gesprochen als für sie getan wird, wirklich an einer Aufklärung interessiert sind.

Hätte ich was zu sagen, würde ich ein Gesetz machen, dass alle Banken dazu verpflichtet mindestens einen Geldausgabeautomat bei sich aufstellen zu lassen und würde eine Netzgesellschaft für Bankautomaten in Form einer Genossenschaft ins Leben rufen, an der sich nur Bankkunden und keine Firmen beteiligen dürfen.

Ich garantiere Ihnen, dass diese weit geringere Gebühren zum Ergebnis hätte und dennoch eine hohe Rendite erzielen würde. Wann endlich greift die Politik bei den Banken ein. Was müssen wir uns eigentlich von denen noch alles gefallen lassen?

Dort wo man nur ein bisschen Wettbewerb zulassen müsste, wie bei den Apotheken, dort glänzt interessanterweise selbst die FDP mit Dirigismus. Statt Produkte zu begrenzen würde ich einfach Internetapotheken zulassen. Stattdessen las ich neulich von Videokabinen, die auf dem flachen Land aufgestellt werden sollen. Was soll das denn?

Aber kommen wir zurück zum Eingangsthema. Ich bin ganz anderer Meinung. Wenn jetzt wegen der kräftigen Konjunktur selbst höherer Steuereinnahmen winken, frage ich mich, ob die Institutionellen auf einem anderen Stern leben.

So wuchs China im letzten Quartal mit +10,3 %. Viele japanische Unternehmen sind schuldenfrei. In den USA sinkt die Arbeitslosenquote, wenngleich sie noch auf relativ hohem Niveau ist. Steigen tun dagegen die Frachtaufkommen und die Erträge der Eisenbahnen, was ein guter Frühindikator ist.

Schauen Sie einfach die Quartalsabschlüsse von CSX und Union Pacific an. Auch die Frachtraten der Schiffe steigen wieder. Und so bestellen große internationale Reedereien bereits wieder neue Schiffe. Dass hier auch ein positiver Trend zu spüren ist, zeigen übrigens auch die zunehmenden Schiffspassagen hier durch den Nord-Ostsee Kanal vor Ort.

Und auch der deutsche Export ist mit +28,8 % gestiegen. Nicht zuletzt weil China deutsche Luxusautos nachfragt, was die Branche derzeit jubilieren lässt. Und schließlich wäre da noch der Internationale Währungsfonds der das Weltwirtschaftswachstum nach oben korrigiert hat. Und so leben wohl noch manche der Dinosaurier im Vorgestern, wo die USA allein über das Wohl und Wehe der Weltkonjunktur herrschte.

Nun gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder leide ich an Wahrnehmungsstörungen oder die Institutionellen. Vielleicht ist die Erklärung aber auch ganz einfach. Weil die Banken und Versicherungen weiter in großen Nöten sind, wovon meines Erachtens die Ergebnisse des Stresstests künden werden, tun sie so, als ob da draußen in der Welt Holland in Not wäre.

Um ihre kleinkarierten und scheinbar sicherheitsorientierten Produkte mit niedrigen Margen an den Mann bzw. die Frau zu bringen. Mit teils sehr eigenartigen und gewöhnungsbedürftigen Praktiken.

So musste die US-Investmentbank Goldman Sachs 500 Mio. Dollar bezahlen, weil Sie - und das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen - an ihre Kunden ein Produkt verkauft haben, gegen das derjenige, der es mit zusammengestellt hat, gewettet und viele Mrd. Dollar verdient hat. Und Goldman Sachs soll dies seinen Kunden verschwiegen haben.

Und so frage ich mich, wieso man angesichts solcher auf der Tagesordnung stehenden missbräuchlichen Praktiken die kritische Berichterstattung in Deutschland massiv einschränkt. Das wird doch wohl keine tiefer liegenden Gründe haben?