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Ungarn-Sorgen lasten auf österreichischen Bankaktien

Es war ein erstaunliches Statement, die der Vize-Chef der ungarischen Regierungspartei Fidesz, Lajos Koza, am Donnerstag von sich gab: Die öffentlichen Finanzen Ungarns seien in einem wesentlich schlechterem Zustand als erwartet und es gebe nur eine geringe Chance, eine ähnliche Krise wie in Griechenland noch zu vermeiden. Was am Donnerstag bereits für Kursverluste in Ungarn sorgte, zog am Freitag breitere Kreise. Die Aktie der ungarischen OTP Bank verlor den zweiten Tag in Folge kräftig, in Wien zählten Raiffeisen International und Erste Group - beide Banken sind in Ungarn engagiert - zu den grössten Kursverlierern.

Die Stellungnahmen von Experten sind unterschiedlich. Die UniCredit-Strategen etwa meinen, bei den Fidesz-Statements handle es sich um die normale Rhetorik nach Wahlen. "Diese Statements gehören höchstwahrscheinlich zur üblichen Nachwahl-Strategie, die frühere Regierung für die Haushaltsprobleme verantwortlich zu machen. Obwohl das nachvollziehbar ist, denken wir, Fidesz übertreibt - vor allem angesichts des aktuellen Marktumfelds", heisst es bei UniCredit.

Laut Fidesz könnte das Haushaltsdefizit in Ungarn mit bis zu 7,5% rund doppelt so hoch sein wie bisher angenommen.

Die Europäische Kommission rief Ungarn zuletzt auf, das Haushaltsdefizit schneller zurückzufahren. Das Land dürfe nicht das Vertrauen der Märkte verlieren. Analysten erklärten allerdings, die Schätzungen über ein Defizit von bis zu 7,5% und der Vergleich zu Griechenland seien schlichtweg nicht nachvollziehbar. "Wir sind weiterhin der Ansicht, dass es in diesem Jahr ein Defizit von etwa fünf Prozent und 2011 von etwa vier Prozent geben wird", sagte etwa David Nemeth von ING. "Das bedeutet aber nicht, dass Ungarn kurz vor dem Bankrott steht."


Die Royal Bank of Scotland schliesst hingegen verstärkten Druck auf österreichische Staatsanleihen nicht aus - wegen Bedenken, dass die Banken von einer potenziellen Finanzkrise in Ungarn in Mitleidenschaft gezogen werden. Der Markt ist derzeit für eine Diskussion in Stimmung, wonach Österreich innerhalb Europas ein vergleichsweise geringes finanzielles Risiko aufweise, meint Harvinder Sian, Bond Strategist bei RBS in London. Raiffeisen International und Erste Group sind - gemessen an der Bilanzsumme - die Nummer 5 bzw. die Nummer 6 unter Ungarns Banken. (bs/ag)


Aus dem Börse Express vom 4. Juni 2010

Relevante Links: Raiffeisen Bank International AG