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'Die ganzen Glücksritter in Osteuropa sind verschwunden'

Börse Express: Wofür steht das Segment EKZ für Sie im Allgemeinen?

Friedrich Wachernig: Das Segment EKZ ist prädestiniert, den täglichen Bedarf des Menschen - von Jung bis Alt - abzudecken.

Börse Express: Stichwort kritische Grösse...

Wachernig: Kritische Grösse ist ein ganz wichtiger Aspekt, um genügend Attraktionen, genügend Auswahl, Sortimente und Geschäfte anbieten zu können - eben um attraktiv zu sein. Ich würde sagen, mindestens 40.000 m2 und der entsprechende Mietermix.

Börse Express: Was für Statistiken schauen Sie sich vor Errichtung eines EKZ an und warum überhaupt der Gang nach Osteuropa?

Wachernig: Man schaut auf die Kaufkraft und was es bisher an Angebot gibt. Wir sind nach Osteuropa gegangen, als klar war, dass sich das legistische System entsprechend etabliert hat. Osteuropa ist ein riesiges Betätigungsgebiet - und die alte bestehende Konkurrenz waren staubige Kaufhäuser mit engen Gängen, die den typisch kommunistischen Charme versprühten.

Börse Express: Rein punkto Kaufkraft müssten Sie aber in Westeuropa bleiben …

Wachernig: Wenn man sich Kaufkraftdaten ansieht, sind die statistischen Zahlen sind in Osteuropa natürlich gering. Aber man muss unterscheiden, darf etwa nicht ganz Rumänien heranziehen, sondern den Grossraum Bukarest - dort ist eine mehr als doppelt so hohe Kaufkraft wie im restlichen Land zu finden. Und es gibt natürlich auch eine gewisse Schattenwirtschaft, wo sich die Menschen nebenbei Geld verdienen und das auch ausgeben.

Börse Express: Was ist der grösste Unterschied zwischen den west- und osteuropäischen Kunden?

Wachernig: Die Menschen sparen in Osteuropa nicht so wie wir es von unseren Grosseltern gelernt haben. Sie geben es aus, sie leben. Sie leben mehr nach aussen, während sich der Österreicher oder Deutsche auch gern nach innen zurückzieht, sich sein eigenes Reich schafft.Der Osten will den Kommunismus richtig hinter sich lassen, man will nicht mehr darben oder sich einschränken. Und ein wesentlicher Aspekt sind die Öffnungszeiten. Es gibt die Möglichkeit, rund um die Uhr an sieben Tage der Woche offen zu haben. Das ist gerade für internationale Retail-Ketten etwas Wunderbares. Und es wird vom Konsumenten auch genutzt.

Börse Express: Und bei den Centern an sich?

Wachernig: Ausgehend vom Kunden müssen der Architektur- und der Entertainmentfaktor stimmen. Das unterscheidet Ost- und Westeuropa ein wenig. Im Osten braucht man zusätzliches Leisure- und Entertainmentangebot. Im Westen funktioniert auch ein reines EKZ. In Osteuropa muss der Einkauf als Erlebnis dargestellt werden.

Börse Express: Ist die Expansion in den Osten grosso modo abgeschlossen?

Wachernig: Noch lange nicht. Beispiel Bukarest, wo wir jetzt mit dem Sun Plaza das grösste EKZ der Stadt mit 85.000 m2 eröffnet haben. In Rumänien beträgt die Shopping-Center-Dichte laut Cushman & Wakefield 84,2 m2 pro 1000 Einwohner, während Prag eine Dichte von 181,5 m2 aufweist. Der Aufholprozess wird noch mindestens 20 Jahre dauern. Er wird nur nicht so schnell wie in den Boomjahren gehen.

Börse Express: Das Sun Plaza hat ungefähr ein Zehntel der gesamten KEZ-Fläche Bukarests. Warum glauben Sie, dass das auch genutzt wird?

Wachernig: Wir haben eine U-Bahnanbindung und damit einen attraktiven Unique-Selling-Point, da man so Frequenz in das Center bringt und sich damit von anderen unterscheidet. Die bisherige Erfahrung gibt uns recht. Am ersten Tag haben 85.000 Menschen das Zentrum im wahrsten Sinn des Wortes gestürmt, einem Kentucky Fried Chicken ging das Cola aus. Dabei gab es nichts gratis. Am Abend haben wir aber zum Beispiel Konzerte veranstaltet um zu zeigen, es geht hier nicht nur ums Geldverdienen - Sun Plaza soll auch für Lebensgefühl stehen.

Börse Express: Wie sieht es mit nachrückender Konkurrenz aus?

Wachernig: Viele Projekte, das gilt für fast ganz Osteuropa, mussten gestoppt werden, weil die Finanzierung nicht mehr funktioniert hat. Das hilft natürlich jenen, die nicht stoppen mussten - wie uns.
Ausserdem hat sich die Einstellung EKZs gegenüber etwas geändert. Es darf nicht mehr jede grüne Wiese zugepflastert werden. Es gab also finanzielle Restriktionen und solche auf der Genehmigungsseite. Vor allem bei Milliardenprojekten, die aber eigentlich schon immer unrealistisch waren. Da wurde mit Mietansätzen kalkuliert, die ja den Investitionskosten entsprechen müssen, die nicht halten konnten. In der Krise ‘poppte’ das dann auf.

Börse Express: Sie sehen also durchaus auch positive Folge-Aspekt in der Krise?

Wachernig: Wir sind wieder auf den Boden der Realität zurückgekommen, und es wird wieder richtig gerechnet. Und ein Projekt rechnet sich vernünftig nur, wenn es sich auch für den Mieter rechnet. Da wurde teilweise den Mietern gegenüber echt Schindluder getrieben.
Aber die ganzen Glücksritter sind jetzt verschwunden. Die Bäume sind in der Vergangenheit nicht in den Himmel gewachsen, und sie werden in der Zukunft nicht in den Himmel wachsen. Es fand eine gewisse Professionalisierung der Branche statt. Auch bei Banken, die nicht mehr auf jeden Strich eines Planes Kredite vergeben.

Börse Express: Also alle Probleme erledigt?

Wachernig: Es wird in Osteuropa noch einige Player mit Problemen geben. Es ist sicher noch nicht alles unter dem Teppich hervorgekehrt.

Börse Express: Wie sieht die Mietsituation etwa bei Ihrem Sun Plaza aus?

Wachernig: Wir sind zu nahezu 99 Prozent vermietet. Es gibt eine Fixmiete, plus wenn die Mieter ordentlich Umsatz machen, wollen wir an der Umsatztangente auch verdienen. Mit den Fixmieten kommen wir auf eine Rendite des eingesetzten Kapitals von ca. neun Prozent - das ist ein vernünftiges Niveau für beide Seiten. Durch die neuen Center werden wir in den nächsten Jahren kontinuierlich Cash-flow generieren können.

Börse Express: Gibt es das Stichwort nachhaltiges Wirtschaften unter EKZ-Betreibern?

Wachernig: Natürlich. Wir werden etwa das Serdika Center-Center in Sofia vom Deutschen Institut für Nachhaltiges Bauen zertifizieren lassen und, so wie es ausschaut, das Gold-Zertifikat bekommen.

Börse Express: Reiner Umweltgedanke?

Wachernig: Betriebskosten sind ein wesentlicher Aspekt des Geschäfts. Die Mieter müssen ja nicht nur die Miet-, sondern auch die Betriebskosten verdienen, die im EKZ deutlich höher sind als in Bürogebäuden. Vor allem in den neuen Centern haben wir gegenüber der Konkurrenz natürlich den Vorteil, dass bereits moderner gebaut ist - die vielleicht noch keinen Wärmeschutz etc. haben. Es geht um Nachhaltigkeit, die der Mieter positiv auf seinem Konto spürt.

Börse Express: In welches Land Osteuropas würden Sie derzeit nicht gehen?

Wachernig: Wir haben hier noch genug zu tun, da müssen wir nicht nach Russland gehen. Wir bleiben bei den Ländern, in denen wir die Leute kennen, wo sie uns kennen und in denen auch unsere Kernaktionäre Erste Group und Vienna Insurance Group tätig sind. In Serbien und Bosnien etwa haben wir noch viel zu tun. Vielleicht kommt einmal Albanien dazu - aber sicher nicht so schnell. Kroatien hat eine sehr hohe Shopping-Center-Dichte. Da werden nur die Besten überleben können. Einige könnten Probleme bekommen, die Dichte ist bereits über EU-Schnitt.

Börse Express: Welche (Lebens-)Philosophie vertreten Sie?

Wachernig: Man sieht sich im Leben immer zwei Mal - und dabei will ich demjenigen in die Augen blicken können. Das ist das Wesentliche in so einem langfristigen Geschäft wie bei Immobilien. Handschlagqualität muss zählen. Ich glaube, dass Reputation das ist, was sich langfristig durchsetzt.
Wir als Sparkassen Immobilien waren nie die Lautesten, nie die Schnellsten und werden es auch nicht sein. Aber wir sind sorgsamer mit dem Geld der Aktionäre umgegangen als einige andere, die allen möglichen Träumen nachgelaufen sind, die dann zu Schäumen geworden sind. Qualität wird das neue Schlagwort sein. In der Vergangenheit ist es mehr um Schnelligkeit gegangen. Schnelligkeit bedeutet aber auch hudeln, und beim Hudeln macht man bekanntermassen Fehler.

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