, boerse-express

Banken und das Staaten-Gespenst

Vor ziemlich genau einem Jahr - Mitte Februar 2009 - war die CEE-Hysterie am Überkochen: Aktien der Erste Group gab’s um 7 Euro, jene von Raiffeisen International um 13 Euro. CEE-Land ist in der Zwischenzeit nicht abgebrannt, die Kurse haben sich stark erholt. Das Thema Sovereign Risk, also die mit dem Zahlungsausfall eines Staates verbundenen Risken, ist aber wieder im Vormarsch und beschäftigt Investoren und Analysten.

Für Gary Baker, Aktien-Stratege der Bank of America, sind die Banken derzeit "die meist-gehasste Branche in Europa". Laut einer Umfrage unter 165 Fondsmanagern sind Investoren Banktiteln gegenüber so negativ eingestellt, wie seit dem Tiefpunkt der Finanzkrise im März 2009 nicht mehr. Investoren haben ihre Positionen zuletzt verringert. Der 55 Titel umfassende Dow Jones Stoxx 600 Bank Index hat seit Jahresbeginn knapp 9% nachgegeben. Österreichs Banken halten sich da vergleichsweise gut: Erste Group liegt mit 7% im Plus, RI hat das Minus seit Jahresbeginn mittlerweile auf 3% verringert.


Etliche Analysehäuser veröffentlichten in den vergangenen Tage Reports: KBW ging in "Sovereigns move from risk-free to risk-y" der Frage nach, welche Auswirkungen das erhöhte Staatenrisiko auf die Banken hat. Die Gewinnschätzungen und Kursziele für etliche südeuropäische Institute wurden zurückgestutzt, insgesamt bleibt die Brancheneinstufung "Neutral".

"Unser Basis-Szenario lautet, dass Griechenland nicht pleite geht. Nichtsdestotrotz, wir glauben nicht, dass die Anleiheinvestoren schnell vergeben und erwarten künftig eine grössere Streuung der Renditespreads der EU-Staaten", so Andrew Stimpson und seine Kollegen. Sie raten zum Kauf von Banktitel mit starkem Investmentbanking, wie Deutsche Bank und Barclays.

Credit Suisse hebt jene Titel hervor, die den exponierten Staaten weniger ausgesetzt sind. Dazu gehören laut Analyst Jagdeep Kalsi etwa die norwegische DnB NOR, die Deutsche Bank, die UBS oder BNP und Natixis aus Frankreich. Mit Blick auf die Euro-Sorgenkinder schreibt er: "Wir glauben, dass Spanien ein grösserer Grund zur Sorge ist als Griechenland, u.a. wegen der übermässigen Verschuldung, dem hohen Leistungsbilanzdefizit und dem überbewerteten Häusermarkt (mit 90% aller Hypotheken zu variablen Zinssätzen)." Folglich hat Credit Suisse etliche spanische Banken mit einem Underperform versehen.

Weiters haben sich die Analysten angeschaut, welche Auswirkungen eine Sovereign-Krise auf die Kapitalpositionen, Gewinne und Eigenkapitalrenditen europäischer Banken haben könnte. Einige der Annahmen dabei: Die Kurse von Staatsanleihen sinken auf Sicht der nächsten zwölf Monate weiter, die Wirtschaftsleistung schrumpft um 1%, das wiederum würde zu einer 2%-Abnahme des Ausleihungsvolumens und zu einem Anstieg der non performing loans um 5% führen.

Das Ergebnis: Der sogenannte "tangible" Buchwert (exkl. immaterielle Vermögenswerte) des europäischen Bankensektors könnte sich um 5% verringern, die für 2010 erwarteten Gewinne (62,03 Mrd. Euro für die von CS gecoverten europäischen Banken) würden um knapp die Hälfte tiefer liegen. Zudem gebe es nur wenige Banken, die in diesem Szenario heuer die Kosten ihres Eigenkapitals verdienen könnten.

Auch die Erste Group (RI wurde nicht berücksichtigt) glänzt in diesem Szenario nicht. Laut CS-Analysten würde sich eine derartige Krise mit -57% in die Gewinnerwartungen für 2010 in Höhe von rund 930 Mio. Euro fressen. Die Tier-1-Quote könnte um 65 Basispunkte sinken, der tangible Buchwert um 17%. (bs)

Aus dem Börse Express vom 17. Februar 2010

Relevante Links: Erste Group Bank AG