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Markt misstraut dem Optimismus der Wall-Street-Analysten

Wall-Street-Analysten prognostizieren für Amerikas Unternehmen die stärkste Gewinnerholung seit zwei Jahrzehnten. Sie erwarten, dass die Konzernergebnisse nächstes Jahr um 25 Prozent anziehen. Trotzdem ist die Börsenrally ist Stocken gekommen: Immer mehr Anleger halten die Schätzungen für zu optimistisch.

Im bisherigen Jahresverlauf spiegelt das Kursniveau im breiten Aktienindex Standard & Poor’s 500 im Mittel nur 0,6 Prozent des Gewinnanstiegs wider, den die Analysten im Mittel für 2010 erwarten. So niedrig war das Verhältnis von den Kursen zum geschätzten Gewinnwachstum (PEG) seit 1995 nicht mehr. Zum Vergleich: Seit 1961 lag das PEG im Mittel bei 1,3.

"Die Investoren erwarten, dass die Unternehmen die Prognosen verfehlen", sagt Paul Baiocchi von der Vermögensverwaltung Delta Global Advisors in Huntington Beach, Kalifornien. "Der Markt erscheint zwar billig. In Wirklichkeit ist sind die Marktteilnehmer aber der Ansicht, dass die Bewertung hoch ist." Baiocchi empfahl im Januar den börsennotierten Fonds Market Vectors Gold Miners zum Kauf. Der ETF legte anschließend um 24 Prozent zu.

Vor überzogenen Erwartungen warnt auch Charles Stamey von der Beratungsfirma Manning & Napier Advisors Inc. Die Gewinnprognosen der Analysten seien zehnfach so hoch wie die Schätzung der Volkswirte für das Bruttoinlandsprodukt, so der Experte. Die Optimisten am Markt, argumentierten zwar, dass die Analysten schon während der massiven Kursrally der vergangenen Monate richtig gelegen hätten und die Aktien im Vergleich zum erwarteten Gewinnwachstum billig seien.

"Die künftigen Unternehmensgewinne vorherzusagen ist derzeit aber so schwierig wie noch nie", sagt Stamey. "In diesem Umfeld sind Gewinnschätzung wirklich mit Vorsicht zu genießen - und die sind die Grundlage für das Verhältnis von Kurs zum Gewinnwachstum (PEG)." Die Aktien im S&P 500 werden im bisherigen Jahresmittel mit dem 15,4fachen der für 2009 erwarteten Gewinne bewertet.

Vergangene Woche ist der S&P 500 um vier Prozent gefallen, obwohl eine beispiellose Zahl von Unternehmen mit ihren Quartalsergebnissen die Erwartungen übertroffen hat und viele Analysten ihre Prognosen für 2010 angehoben haben. Beispiel State Street Corp. Für den größten Vermögensverwalter für institutionelle Anleger ging es an der Börse 20 Prozent bergab, nachdem er am 20. Oktober einen 4,7 Prozent höheren Gewinn ausgewiesen hat als Analysten geschätzt hatten.

Der Aktienkurs von Southwest Airlines Co. ist seit den Mitte Oktober vorgelegten Quartalszahlen um 16 Prozent gesunken. Die Fluggesellschaft hat für das Quartal bis Ende September einen fast dreifach so hohen Gewinn je Aktie berichtet, wie Experten vorhergesagt hatten. Investoren reichte aber der Gewinnanstieg von 0,012 Dollar auf 0,03 Dollar je Aktie offenbar nicht aus, um das deutlich gestiegene Kursniveau zu rechtfertigen. Seit dem Kurstief vom März hatte sich die Aktie von Southwest um 68 Prozent verteuert. Das Kurs-Gewinn- Verhältnis hat sich mehr als vervierfacht.

"Es gibt immer eine große Zahl von Skeptikern, die sagen, diesmal wird es anders sein. Das künftige Wachstum wird nicht so stark sein, die Gewinne werden nicht so stark sein", sagt Timothy Ghriskey, Investmentchef der Vermögensverwaltung Solaris Asset Management LLC in Bedford Hills, New York. "Das ist eine sehr typische Reaktion und sie verlängert eine Börsenrally, die aus einer Rezession kommt."

Am Freitag hat der S&P 500 den stärkten Einbruch seit Juli erlitten. Er fiel 2,8 Prozent. Enttäuschende Daten zu den Konsumausgaben der Amerikaner und Signale für die inzwischen eingetretene Pleite der Bank CIT Group Inc. nährten sie Sorge, dass die Konjunkturerholung nicht auf Dauer trägt. "Die Investoren werden sich hüten, zu hohe Aufschläge für das Gewinnwachstum zu zahlen", sagt Leo Grohowski, Investmentvorstand bei BNY Mellon Wealth Management in New York. "Erst wollen die Investoren Ergebnisse sehen."

( Bloomberg )