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Schuller: Weltwährung ante portas?

Spätestens seit dem G20-Gipfeltreffen in London gibt es Diskussionen über eine alternative Reservewährung zum US-Dollar. Die Debatte wurde angefeuert von chinesischen Regierungsspitzen, die mit ihrer Kritik am schwächelnden USD einerseits ihre Bedenken als größter Gläubiger, andererseits ihre wachsende weltpolitische Rolle demonstrieren wollten. Dominique Strauss-Kahn, Präsident des Internationalen Währungsfonds (IWF), nahm das Thema dankend in seine IWF-Reformagenda auf. Bei der Abschlusskonferenz des Herbsttreffens vom IWF und der Weltbank in Istanbul Ende vergangener Woche legte Strauss-Kahn seine Vision klar dar: „Das internationale Währungssystem muss stabiler werden, geankert durch einen ,global lender of last resort‘“. Natürlich meinte er, dass der IWF diese Rolle einnehmen sollte.

Doch ist die Lösung so einfach? Wer garantiert die Zahlungsfähigkeit des IWF in Extremsituationen? Benötigt der IWF das Recht, autonom Steuern bei seinen Mitgliedsländern einführen zu dürfen? Ein Recht, dass bisher nicht einmal der EU zugestanden wird.

Welche Optionen sind für ein stabileres Weltwährungssystem möglich? Der US-Dollar war seit dem Zweiten Weltkrieg der Eckpfeiler des internationalen Währungssystems. Mit ca. zwei Dritteln an in USD denominiertem Reservevermögen ist er immer noch die wichtigste Reservewährung der Welt. Die Zentralbanken der Welt halten ca. 70% ihrer Vermögen in USD. Während des Bretton-Woods-Systems war das Primat des Dollars vertraglich verankert. Doch selbst nach Freigabe der Wechselkurse im Jahr 1973 behielt die US-Währung ihre Führungsrolle bis zum heutigen Tag. Die Gründe dafür sind: Die Größe und Liquidität des US-Finanz- und FX-Markts, auch in Krisenzeiten. Der US-Track-Record an volkswirtschaftlicher Stabilität, der zu einer starken Vertrauensbasis langfristiger Kaufkraft führte. Der Wille seitens US-Regierung und Fed, den USD als internationale Transaktionswährung einsetzen zu lassen. Auch deren Bekenntnis, ausreichend hochwertige Staatsanleihen zu emittieren, um den Bedarf an Dollarumlauf bedienen zu können. Netzwerkeffekte – je mehr eine Währung verwendet und gehalten wird, desto mehr wird sie aufgrund ihrer Relevanz nachgefragt.

Ich sehe drei mögliche Alternativen zur gegenwärtigen Situation:

a)Eine neue, starke Währung löst den USD ab;

b)ein auf SDR (Ziehungsrechten) basierendes System;

c)eine globale Reservewährung sui generis.

Zu a) Multipolare Reservewährung:

Nimmt man die ökonomische Größe als Maßstab, sind zwei Währungen offensichtliche Kandidaten: Euro (EUR) und Renminbi (CNY). Der EUR ist seit seiner Einführung eine Erfolgsstory. In den letzten zehn Jahren stieg der weltweite Anteil an in EUR gehaltenen Reserven von 18% auf 25%. Jeffrey Frankel (Harvard) geht davon aus, dass der EUR den USD bis zum Jahr 2022 als Leitwährung abgelöst haben könnte. Chinas Renminbi hat noch einen weiten Weg vor sich, und doch das Potenzial zu einer Leitwährung über Asien hinaus. Chinas gegenwärtiges Bestreben zu vermehrten Währungstäuschen (Currency Swaps) lässt seine langfristige Planung erkennen.

George Soros und das Pfund

Doch löst ein Austausch des USD durch EUR oder CNY nicht die Frage der Instabilität. Eine Verbesserung des Status quo würde nur eintreten, wenn zum Beispiel die drei Währungen fixe Wechselkurse vereinbaren würden. Ein äußerst unwahrscheinliches, volkswirtschaftlich risikoreiches Unterfangen. George Soros zeigte mit dem britischen Pfund, wie eine künstliche Parität aus den Angeln gehoben werden kann.

Zu b) SDR System:

Der IWF interveniert stark für die Verwendung seiner Ziehungsrechte (Special Drawing Rights – SDR). Unterstützt wird dieses Vorhaben von einer UN-Kommission unter der Leitung des amerikanischen Nobelpreisträgers Joseph Stiglitz. SDRs stellen keine Währung im herkömmlichen Sinn dar. Der Wert eines SDR wird bestimmt durch einen Währungskorb. Derzeit liegen USD, EUR, GBP und YEN dem periodisch angepassten SDR-Korb zugrunde. Verliert eine der Währungen an Wert, wird der Verlust durch den spiegelgleichen Gewinn einer anderen Korb-Währung ausgeglichen. Dadurch wird eine starke Volatilität vermieden. Doch muss die Struktur der aktuellen SDRs reformiert werden: Die Liquidität muss massiv erhöht werden. Obwohl Nachfrage und Emission von SDRs in den letzten zwölf Monaten sprunghaft anstiegen, spielen sie mit einem Anteil von 4% an gehaltenen Reserven noch keine systemrelevante Rolle. Die Anforderungen an den Aufbau eines liquiden SDR-Markts in der benötigten Größe wären eine weltweite Kraftanstrengung – vergleichbar mit der EUR-Einführung.

Zu c) Weltwährung:

Eine noch anspruchsvollere Lösung wäre die Einführung einer Weltwährung. Keynes' Konzept des „Bancor“ könnte als Anhaltspunkt gelten. Diese globale Rechnungseinheit würde parallel zu den bestehenden nationalen und regionalen Währungen gehandelt werden. Dazu benötigt würde eine Weltzentralbank. So wäre ein echter „global lender of last resort“ eingerichtet. Die Struktur der EZB zeigt, dass dies supranational möglich ist.

Ich halte die Einführung einer Weltwährung für ein langfristig erstrebenswertes Projekt. Kurzfristig sehe ich Variante (b) via IWF-SDRs als zielführend an. Sie ist politisch machbar und erlaubt eine deutliche Verbesserung der aktuellen Situation. Strauss-Kahn, übernehmen Sie!

(original erschienen in "Die Presse", Print-Ausgabe, 14.10.2009)