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ROUNDUP/Mercosur: Merz rechnet trotz Verschiebung mit Einigung

Die Unterzeichnung des für die deutsche Wirtschaft wichtigen EU-Freihandelsabkommens mit südamerikanischen Staaten wie Brasilien und Argentinien kann wegen einer von Italien gewünschten Verschiebung frühestens im nächsten Jahr erfolgen. Bundeskanzler Friedrich Merz äußerte sich nach dem EU-Gipfel in Brüssel dennoch zufrieden. Die italienische Regierung habe zugesagt, dass der eigentlich für diesen Samstag geplante Termin in Brasilia spätestens Mitte Januar nachgeholt werden könne, sagte er. Es sei jetzt sicher, dass das Mercosur-Abkommen in Kraft treten könne.

Die Verhandlungen für den Deal mit Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay hatten bereits 1999 begonnen. Bolivien ist zwar seit Juli 2024 formell Mitglied des Blocks, befindet sich jedoch noch im Prozess der Umsetzung der Mercosur-Normen und ist nicht Vertragspartei des Abkommens mit der EU.

Die neue Freihandelszone mit mehr als 700 Millionen Einwohnern wäre nach Angaben der EU-Kommission die weltweit größte dieser Art und soll auch ein Zeichen gegen die protektionistische Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump setzen. Geplant ist, Zölle und Handelsbarrieren zwischen der EU und der südamerikanischen Wirtschaftsorganisation Mercosur weitestgehend abzubauen.

Dämpfer für Merz

Für Bundeskanzler Merz ist die Verschiebung ein Dämpfer. Er hatte noch am Donnerstag zu Beginn eines EU-Gipfels in Brüssel gesagt, wenn die Europäische Union in der Handelspolitik auf der Welt glaubwürdig bleiben wolle, dann müssten jetzt Entscheidungen getroffen werden. "Und die Entscheidung kann nur lauten, dass Europa zustimmt und dass die Kommissionspräsidentin und der Ratspräsident morgen nach Südamerika reisen und dieses Abkommen unterzeichnen", fügte er hinzu.

Merz hatte schon im Juni gesagt, dass es in der EU keine grundsätzlichen Einwände mehr gegen das Abkommen gebe. Beim Oktober-Gipfel verkündete er dann bei einer Pressekonferenz versehentlich eine Einigung. "Es ist erledigt. Es ist durch", sagte er. Der Weg für das Abkommen sei frei. Kurz darauf wurde er von Ratspräsident António Costa korrigiert.

Wirtschaft drängt auf Abkommen

Zahlreiche Industriebranchen zeigten sich enttäuscht von der Verschiebung. "Die erneute Verschiebung ist ein Rückschlag für Europas Glaubwürdigkeit als geostrategischer Akteur", kritisierte Tanja Gönner, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI).

Auch für den Verband der Automobilindustrie (VDA) ist die Verschiebung eine "schlechte Nachricht". Die EU sende in Zeiten, in denen eine starke europäische Wirtschaft entscheidend sei, ein Zeichen der Schwäche und setze ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel, kritisierte VDA-Präsidentin Hildegard Müller. Aus der Chemieindustrie hieß es, die Frustration wachse und eine scheinbar endlose Hängepartie scheine sich fortzusetzen.

Einigung auf stärkeren Schutz von Landwirten

Eigentlich war gehofft worden, dass am Mittwoch vereinbarte Schutzklauseln für die Landwirtschaft den Abschluss des Abkommens bereits an diesem Samstag ermöglichen. Im Fall eines schädlichen Anstiegs der Einfuhren aus den Mercosur-Staaten Brasilien, Uruguay, Paraguay und Argentinien oder eines übermäßigen Preisverfalls für die EU-Erzeuger sollen damit rasch Gegenmaßnahmen in Gang gesetzt werden können. Teil der Einigung ist auch, dass die EU-Kommission eine Erklärung veröffentlichen wird, in der sie eine stärkere Angleichung der Produktionsstandards für importierte Produkte zusichert. Italien wollte nun noch weitere Zugeständnisse.

Landwirte fürchten etwa, dass sie unverhältnismäßiger Konkurrenz aus den Mercosur-Staaten ausgesetzt werden, da Bauern dort unter anderen Bedingungen produzieren können. Tausende demonstrierten deswegen teils gewaltsam am Donnerstag in Brüssel gegen das Abkommen.

Die Polizei setzte Wasserwerfer gegen Demonstranten ein, die versuchten, Absperrungen zu durchbrechen. Zudem wurden Brände gelegt, Pyrotechnik gezündet und Tränengas eingesetzt, wie auf Bildern zu sehen war. Die Angriffe der Demonstranten mit Kartoffeln und Feuerwerk richteten sich auch gegen das Europaparlament.

Bestimmte Mehrheit unter EU-Ländern nötig

Damit die EU das Abkommen abschließen kann, müssen im Rat der Mitgliedstaaten mindestens 15 der 27 EU-Staaten zustimmen. Zudem gilt die Hürde, dass diese zusammen auch mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU ausmachen.

Die EU-Kommission hatte die Verhandlungen über das Abkommen im vergangenen Dezember trotz andauernder Kritik abgeschlossen. Wenn Italien dem Abkommen zustimmen würde, wäre aller Voraussicht nach eine ausreichende Mehrheit vorhanden./aha/DP/men

AXC0185 2025-12-19/15:38

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