ROUNDUP: Immer mehr Stromsteuer-Appelle vorm Koalitionsausschuss
BERLIN (dpa-AFX) - Während die Hitzewelle über Deutschland rollt, wird auch die Auseinandersetzung über die Stromsteuer hitziger. Kurz vor dem Koalitionsausschuss der schwarz-roten Bundesregierung am Mittwoch mischen sich Interessenvertreter aus allen Richtungen in die Debatte ein.
Stefan Körzell, Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Versprochen ist versprochen: Die Stromsteuersenkung für alle wurde im Koalitionsvertrag eindeutig als Sofortmaßnahme vereinbart. Jetzt ist die ganze Bundesregierung in der Pflicht, dass sie auch schnell kommt."
Selten einig sind sich die Gewerkschaften mit diversen Wirtschaftsverbänden, darunter der Handelsverband Deutschland und der Verband der Automobilindustrie: In einem gemeinsamen Aufruf an Energieministerin Katherina Reiche (CDU), der der dpa vorliegt, bestehen die Verbände auf einer Senkung der Steuer zum 1. Januar für alle Verbrauchergruppen und damit auch alle Unternehmen - einschließlich Handel, dem Dienstleistungssektor und dem Handwerk. Ähnliche Briefe sollten auch an Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) und die jeweiligen Fraktionsvorsitzenden übermittelt werden.
Worum es eigentlich geht
Schwarz-Rot hatte im Koalitionsvertrag vereinbart: "Wir wollen Unternehmen und Verbraucher in Deutschland dauerhaft um mindestens fünf Cent pro kWh mit einem Maßnahmenpaket entlasten. Dafür werden wir als Sofortmaßnahme die Stromsteuer für alle auf das europäische Mindestmaß senken und Umlagen und Netzentgelte reduzieren." Allerdings gilt auch hier wie für alle Vorhaben in der Abmachung, dass sie "unter Finanzierungsvorbehalt" stehen, sprich: Es muss Geld dafür vorhanden sein.
Weil das aber knapp ist, sollte nun laut Kabinettsbeschluss nur ein Teil der Entlastungen umgesetzt werden - bei den Unternehmen vor allem für die Betriebe in der Industrie sowie Land- und Forstwirtschaft. Die Senkung der Stromsteuer für private Verbraucher von derzeit bei 2,05 Cent je Kilowattstunde (kWh) auf das europäische Mindestmaß von 0,1 Cent je kWh sollte erst mal außen vor bleiben.
Es gibt unterschiedliche Angaben über den durchschnittlichen Stromverbrauch pro Kopf in einem deutschen Privathaushalt. Bei angenommen 1.500 kWh würde die Ersparnis im Fall einer entsprechenden Stromsteuersenkung für die Verbraucher nur bei gut 29 Euro im Jahr liegen. Zusammengerechnet türmen sich allerdings für alle Versprechen Milliarden auf - und wo sollten die an anderer Stelle wieder eingespart werden?
Neue Einigkeit oder "Ampel-Vibes"?
Innerhalb der Koalition war es genau deswegen bereits zu öffentlich ausgetragenen Meinungsverschiedenheiten gekommen, die an den Zoff in der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP erinnern. So riet nun der SPD-Haushaltspolitiker Thorsten Rudolph der Union bei "Politico", "zuallererst auf ihre extrem teuren Wahlgeschenke" wie zum Beispiel die Mütterrente zu verzichten. Eigentlich will man aber gerade diesen Eindruck der gegenseitigen Schuldzuweisungen unter allen Umständen vermeiden.
Deshalb kommen aus der Union neue Signale in Richtung Bundesregierung. "Ich kann die Enttäuschung absolut nachvollziehen, die jetzt bei vielen vorherrscht - wir haben die Entlastung ja aus guten Gründen in unser Wahlprogramm und dann in den Koalitionsvertrag geschrieben", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Steffen Bilger (CDU), dem "Tagesspiegel". "Im parlamentarischen Verfahren sollten wir nach Lösungen suchen, um die Stromsteuer auch für Privathaushalte senken zu können." Das heißt übersetzt: Da könnte doch noch was gehen, und zwar ganz friedlich.
Tipp von der FDP
Und auch von einem Vertreter der alten Zank-Ampel kommt noch ein Ratschlag. Christian Dürr, neuer Vorsitzender der aus dem Bundestag ausgeschiedenen FDP, stellt mit Blick auf den neuen Kanzler Friedrich Merz (CDU) fest: "Bei der Diskussion um die ohnehin für die Bürger nur geringen Entlastungen wirkt er gerade wie ein Getriebener aus den eigenen Reihen", sagte Dürr der dpa. "Um Deutschland aus der Krise zu steuern, muss der Kanzler nun endlich das Ruder in die Hand nehmen."/mi/DP/zb
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