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Buwog - Grasser und Hochegger beschäftigen weiterhin die Justiz / Staatsanwaltschaft kann Anklage in Teilbereichen zurückziehen - Krakow: Derart hohe Strafminderung aufgrund langer Verfahrensdauer ungewöhnlich -EGMR-Beschwerde verschiebt Haftantritt nicht

Nach den Schuldsprüchen am Obersten Gerichtshof (OGH) im Korruptionsprozess gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und weitere Angeklagte am gestrigen Dienstag sind nun noch Teilaufhebungen des Ersturteils des Wiener Straflandesgerichts offen. Es betrifft dies Grasser im Punkt Beweismittelfälschung und den Mitangeklagten Ex-Lobbyisten Peter Hochegger in der Untreue-Causa bei der Telekom Austria (Schadenssumme 5 Mio. Euro) sowie falsche Beweisaussage vor einem U-Ausschuss.

Gründe für die Aufhebung waren laut OGH "Rechtsfehler mangels Feststellungen, einerseits zu einzelnen Tatbestandsmerkmalen und andererseits zur Klärung des Eintritts von Verjährung". Welche Folgen die Teilaufhebung für die beiden Angeklagten hat ist vorerst offen - denn die Staatsanwaltschaft kann die Anklage auch zurückziehen, wenn sie der Meinung ist eine Verurteilung hätte auf das Strafmaß keine nennenswerte Auswirkung. Sowohl Grasser wie auch Hochegger wurden beim Hauptvorwurf "Untreue" gestern bereits rechtskräftig verurteilt.

Weitere Verfahren noch heuer möglich

Sollte die Anklage aufrecht bleiben, wäre noch ein Verfahren im heurigen Jahr möglich, so OGH-Sprecher Frederick Lendl. Marion Hohenecker, Richterin im Strafverfahren am Wiener Straflandesgericht, wäre dann für den Fall nicht mehr zuständig. Zum einen, weil sie inzwischen in die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gewechselt ist - zum anderen, weil die Strafprozessordnung explizit eine neue Richterin, einen neuen Richter vorsieht, so Lendl zur APA.

Das Gericht ging in der Urteilsbegründung am Dienstag auf das Teilgeständnis von Hochegger im erstgerichtlichen Verfahren am Straflandesgericht ein: "Da der mittlerweile 75-jährige Dr. Hochegger, der sich als einziger der Angeklagten teilweise geständig gezeigt und einen wesentlichen Beitrag zur Wahrheitsfindung geleistet hat, zwischenzeitig bereits mehrere Monate in Strafhaft verbracht und sich seit fast zwei Jahrzehnten wohlverhalten hat, sah der Oberste Gerichtshof einen Teil der verhängten Strafe von zwei Jahren unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nach."

OGH-Präsident: Exzeptionelle Verfahrensdauer

Der OGH hatte gestern die Strafen von Grasser, Hochegger und weiteren Mitangeklagten im Buwog-Verfahren aus dem Jahr 2020 halbiert, als wesentliche Begründung dafür wurde vom fünfköpfigen Richtersenat die lange Verfahrensdauer genannt. Die Ermittlungs- und Verfahrensdauer von rund 15 Jahren war laut OGH-Präsident Georg Kodek ein "Ausreißer". Kodek sprach in der ZIB2 von einer "exzeptionellen" Verfahrensdauer, die nicht passieren dürfte. Durch die "messbare und spürbare" Verringerung der Strafe werde die vorliegende Grundrechtsverletzung nun ausgeglichen. Man könne aus einem solchen Verfahren auch lernen, so Kodek. Es gebe dafür "ein ganzes Bündel von Ursachen".

Der Wirtschaftsstrafrechtsexperte Robert Kert von der Wirtschaftsuniversität Wien zeigte ebenfalls nicht überrascht über die Abmilderung der Strafen. Die Strafen seien in der ersten Instanz recht hoch gewesen. Hinzugekommen sei, "dass die Verfahrensdauer noch einmal länger wurde". Eine lange Verfahrensdauer "ist einfach ein wesentlicher Milderungsgrund", so Kert auf ORF III am Dienstag.

Experte: Strafverfahren künftig aufsplitten

Einer der zentralen Gründe für die Dauer liege in der österreichischen Strafprozessordnung. Sie verlange, dass jeder Sachverhalt bis ins kleinste Detail ermittelt wird. Der Gesetzgeber sollte Möglichkeiten vorsehen, dass in solch großen Strafverfahren auch einzelne Verfahrensstränge fallen gelassen werden können, so Kert.

Dass die lange Verfahrensdauer zu einer derart hohen Strafreduktion geführt hat ist laut Georg Krakow von Transparency International für Österreich ungewöhnlich. In dem Ausmaß habe es dies bisher nicht gegeben. Auch er meinte, dass das Prozedere zu lange gedauert habe und nicht effizient gewesen sei - gerade für den Steuerzahler.

Grasser muss mindestens ein Jahr in Haft

Für den 56-jährigen Grasser heißt es nun auf die schriftliche Aufforderung zum Haftantritt zu warten. Sobald der OGH das Urteil an das Erstgericht ausfertigt und dieses an die Verurteilten übermittelt hat, gibt es eine Aufforderung zum Haftantritt binnen 30 Tagen. Ersttäter müssen im Regelfall dann zwei Drittel der Haftstrafe absitzen, im Fall von Grasser wären das 2 Jahre und 8 Monate.

Im Idealfall für den Häftling kann die Strafe auf die Hälfte, also 2 Jahre, reduziert werden. Wobei ein Jahr zuvor bereits die Haft gegen eine Fußfessel ersetzt werden kann (Kostenpunkt: 22 Euro/Tag für den Häftling). Dann wäre der Ex-Minister ein Jahr hinter Schloss und Riegel gewesen. Als wahrscheinlicher Ort für seinen Haftantritt gilt die Justizanstalt Innsbruck (vulgo "Zieglstadl"), da Grasser in Kitzbühel seinen Lebensmittelpunkt hat.

Grasser und der zu dreieinhalb Jahren verurteilte Ex-Lobbyist Walter Meischberger kündigten den Gang zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) an. Dies hat allerdings keine haftaufschiebende Wirkung. In der Regel dauern die Verfahren am EGMR auch mehrere Jahre. Stellt der EGMR allerdings eine Verletzung der Menschenrechte fest, kann er Österreich unter anderem zu einer Entschädigungszahlung an die Betroffenen verpflichten. Für Österreich sind EGMR-Urteile rechtlich bindend.

Verurteilte müssen Schadenersatz an die Republik leisten

Die Privatbeteiligtenvertreter wurden von den Höchstrichtern am Dienstag auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Die rechtskräftig Verurteilten müssen auch Schadenersatz leisten. Der OGH bestätigte den Privatbeteiligtenzuspruch an die Republik Österreich betreffend Grasser und Meischberger (9,8 Mio Euro), Petrikovics (9,6 Mio Euro) und einen weiteren Angeklagten (4,8 Mio Euro).

stf/cri/hel

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