ROUNDUP 5: SPD lässt AfD bei Brandenburg-Wahl hinter sich
(Aktualisierung: Angaben zu Koalitionsoptionen und Reaktionen)
POTSDAM (dpa-AFX) - Bei der Landtagswahl in Brandenburg hat sich die SPD von Ministerpräsident Dietmar Woidke knapp gegen die AfD behauptet und ist erneut stärkste Kraft geworden. Nach Hochrechnungen von ARD und ZDF folgen dahinter das neue Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und die CDU. Grüne, Linke, FDP und BVB/Freie Wähler bleiben sämtlich einstellig.
Woidke könnte damit nach elf Jahren im Amt weiterregieren. Seit der letzten Wahl 2019 führt er eine Koalition mit CDU und Grünen.
Den Hochrechnungen zufolge erreicht die SPD 31,1 bis 31,3 Prozent (2019: 26,2 Prozent). Die AfD, die vom Verfassungsschutz in Brandenburg als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft wird, steigert sich auf 29,5 bis 29,8 Prozent (23,5). Das BSW kommt aus dem Stand auf 12,3 bis 12,4 Prozent. Für die CDU ist es mit 11,9 Prozent (15,6) das schlechteste Ergebnis in Ostdeutschland seit 1990. Die Grünen verlieren massiv und landen bei 4,6 bis 5 Prozent (10,8). Die Linke rutscht auf 3 bis 3,5 Prozent ab (10,7). BVB/Freie Wähler kommen auf 2,5 bis 2,7 Prozent (5,0), die FDP liegt laut ARD-Hochrechnung bei unter einem Prozent.
Die SPD kommt nach ihrem Zweitstimmenergebnis auf 30 bis 32 Mandate im Landtag (2019: 25), die AfD auf 29 bis 31 (23). Das BSW erhält demnach 12 bis 13 Sitze, die CDU 12 (15). Die Grünen würden im Falle des Erreichens der Fünf-Prozent-Hürde 5 Mandate (10) erhalten. Die Linke, BVB/Freie Wähler und die FDP liegen unter der Fünf-Prozent-Marke. Sie haben aber über die Grundmandatsklausel noch eine Chance: Wenn sie mindestens ein Direktmandat gewinnen, ziehen sie in den Landtag ein - mit der Anzahl der Sitze nach ihrem Zweitstimmenergebnis.
Die Wahlbeteiligung liegt den Hochrechnungen zufolge bei 73 bis 74 Prozent und damit deutlich höher als 2019 mit 61,3 Prozent.
Brandenburg ist seit 1990 SPD-regiert
Die SPD kann nach zuletzt schlechten Ergebnissen bei der Europawahl und den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen nun etwas aufatmen - auch im Bund. Kanzler Olaf Scholz (SPD) darf auf leichten Rückenwind für die Bundestagswahl in einem Jahr hoffen. Er reagierte zufrieden auf das Ergebnis und will sich erst am Montag ausführlicher äußern. SPD-Chef Lars Klingbeil stellte sich angesichts des Erfolgs hinter Scholz als Kanzlerkandidaten.
Seit der Wiedervereinigung 1990 haben die Sozialdemokraten in Brandenburg durchgängig den Ministerpräsidenten gestellt. Im Wahlkampf hatte der 62-jährige Woidke bewusst nicht auf große gemeinsame Auftritte mit Scholz gesetzt - wohl auch wegen der schlechten Umfragewerte der Berliner Ampel. Zur Wahl aufgerufen waren rund 2,1 Millionen Menschen - es gibt in dem Bundesland weniger Wahlberechtigte als in Berlin.
Rot-Schwarz-Grün könnte auf Mehrheit kommen
Vor der Wahl hatte Woidke angekündigt, dass er nur dann weiter Regierungsverantwortung tragen will, wenn die SPD stärkste Kraft wird
- das hat er nun geschafft. Wie eine künftige Koalition aussehen
könnte, ist offen. Nach den Zahlen der ARD könnte die brandenburgische Rot-Schwarz-Grün-Koalition ihre Arbeit fortsetzen, sofern die Grünen den Einzug in den Landtag schaffen. Falls Linke oder BVB/Freie Wähler über die Grundmandatsklausel in den Landtag kommen, verschieben sich Sitzverteilung und womöglich auch Koalitionsoptionen.
Woidke kündigte an, voraussichtlich zuerst mit der CDU über die Bildung einer Regierungskoalition zu sprechen. "Wir haben eine Aufholjagd hingelegt, wie es sie in der Geschichte unseres Landes noch niemals gegeben hat." Wie so oft in der Geschichte seien es Sozialdemokraten gewesen, "die Extremisten auf ihrem Weg zur Macht gestoppt haben", sagte er mit Blick auf die AfD.
Der Generalsekretär der Bundes-CDU, Carsten Linnemann, sprach von einer "bitteren Niederlage". Woidke habe mit seiner Rücktrittsdrohung alles auf eine Karte gesetzt - und gewonnen. "So sieht Glaubwürdigkeit aus." Der CDU-Spitzenkandidat Jan Redmann will nach der Wahlschlappe nicht vom Landesvorsitz zurücktreten. "Das wäre das ganz falsche Signal", sagte er.
Die AfD hat trotz ihres guten Abschneidens keine Aussicht auf eine Regierungsbeteiligung: Keine andere Partei will mit ihr zusammenarbeiten. Bundesparteichef Tino Chrupalla sagte, man habe das Ziel verpasst, Woidke "in die Rente zu schicken". Doch seien die ostdeutschen Wahlen in Thüringen, Sachsen und jetzt Brandenburg erfolgreich verlaufen: "Wir haben einmal Gold und zweimal Silber geholt." Das Erstarken der AfD hat zuletzt auch im Ausland Sorgen vor einem Rechtsruck in Deutschland ausgelöst, etwa bei EU- und Nato-Partnern.
Der Zentralrat der Juden äußerte sich besorgt. "Wenn erneut fast ein Drittel der Wähler eine zerstörerische politische Partei wie die AfD an der Macht sehen will und eine populistische Kraft wie das BSW wieder zweistellig wird, dann darf uns das nicht unberührt lassen", sagte Zentralratspräsident Josef Schuster.
Landtag in Potsdam hat maximal 110 Sitze
Eine Besonderheit in Brandenburg, die es in keinem anderen Bundesland gibt, ist die Deckelung der Sitze im Landtag - maximal 110 dürfen es sein. Sollte die AfD bei dieser Wahl mehr Direktmandate gewinnen, als ihr nach dem Zweitstimmenanteil Mandate zustehen, könnte es Experten zufolge dazu kommen, dass die anderen Parteien wegen der Begrenzung der Landtagssitze nicht genug Ausgleichsmandate bekommen.
Sollte die AfD sogar mehr als ein Drittel der Sitze bekommen, hätte sie eine sogenannte Sperrminorität: Bei Entscheidungen und Wahlen, die eine Zweidrittelmehrheit erfordern, müsste sie zustimmen. Verfassungsrichter werden beispielsweise vom Parlament mit Zweidrittelmehrheit gewählt./kli/DP/he
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