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Deutsche Aktien(un)kultur / Die deutschen Anleger und der neue
Tiefschlag durch Varta
Itzehoe (ots) - Die Deutschen und die Börse: Um die Aktienkultur hierzulande ist
es seit jeher nicht gut bestellt. Bis in die 1990er Jahre hinein galten deutsche
Anleger als sehr risikoscheu, dann kamen die T-Aktie und der Neue Markt: "Der
deutsche Sparbuch-Michel wurde über Nacht zum wilden Börsenzocker", sagt Jörg
Wiechmann, Geschäftsführer des Itzehoer Aktien Clubs (IAC). Nach dem Platzen der
Internet-Blase wandelte er sich zurück zum risikoscheuen Zinssparer, so gehe es
heute weiter hin und her zwischen den Extremen.
"Vom goldenen Mittelweg mit breit gestreutem Portfolio internationaler
Qualitätsaktien nach dem Vorbild der USA halten deutsche Anleger hingegen
offenbar wenig", so Wiechmann. Und nun erhalte die deutsche Aktienkultur durch
den Fall Varta einen weiteren Tiefschlag.
Im Jahr 2021 sei das Unternehmen noch als Börsen-Star gefeiert worden, jetzt
drohe der Totalverlust. Zwar sei der Batteriehersteller in einem Wachstumsmarkt
tätig - Stichwort Energiewende -, durch schlechtes Management habe zuletzt aber
sogar der Konkurs gedroht, sagt der IAC-Experte. Jetzt scheine das Unternehmen
gerettet, aber auf Kosten der bisherigen Aktionäre: Das Grundkapital wird auf 0
Euro herabgesetzt.
"Eine Enteignung", sagt Wiechmann, ermöglicht durch das
Unternehmensrestrukturierungsgesetz. Dass der Sanierungsplan auch den Einstieg
des Varta-Großkunden Porsche vorsieht, sei zwar gut für den IAC, der
Porsche-Aktien hält. "Gutheißen können wir ein derartiges Vorgehen angesichts
der Rücksichtslosigkeit gegenüber den Aktionärs- und damit Eigentumsrechten der
Varta-Altaktionäre dennoch nicht." Anlegerschützer sind auf den Barrikaden, die
Varta-Aktie allerdings ist schon abgestürzt. "An der Börse ist die Enteignung
der Varta-Aktionäre damit bereits Realität", betont Wiechmann.
Dieses Debakel erweise der deutschen Aktienkultur einen weiteren Bärendienst.
Pleiten, Pech und Pannen an der Börse gebe es in anderen Ländern ebenfalls -
aber auch ein Rechtssystem, das die Interessen von Kleinaktionären schütze, und
aufgeklärte Anleger, die statt zu zocken langfristig breit gestreut in
Qualitätsaktien investieren. Deshalb sei die Aktienanlage andernorts für breite
Teile der Bevölkerung ein echter Wohlstandsbringer, sagt der
IAC-Geschäftsführer. "Die deutsche Aktien(un)kultur hingegen ist ein weiterer
echter Standortnachteil, an dem gearbeitet werden sollte."
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