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Bürgergeld: Arbeitsmarktexperte warnt vor zu harten Strafen

BERLIN (dpa-AFX) - Der Arbeitsmarktexperte Enzo Weber warnt in der Debatte über Verschärfungen beim Bürgergeld vor einem Schwarz-Weiß-Denken und zu harten Sanktionen. Man solle sich "tunlichst hüten", Arbeitslose unter den Bürgergeld-Beziehern "in einen Topf von mittlerweile sogenannten Verweigerern zu werfen", sagte der Forscher vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung im "Morgenecho" auf WDR 5.

Von den 5,6 Millionen Menschen, die in Deutschland Bürgergeld beziehen, seien weniger als zwei Millionen Arbeitslose. Wiederum weniger als ein Prozent davon würden jährlich sanktioniert.

Die Probleme, die bei Menschen in Langzeitarbeitslosigkeit und der Grundsicherung auftreten, seien vielfältig, sagte Weber. Es gebe gesundheitliche Einschränkungen, Pflegeverpflichtungen von Kindern, fehlende berufliche Abschlüsse oder etwa Sprachschwierigkeiten. "Also dieser Realität muss man sich stellen. Und diese Realität, die ist nicht schwarz-weiß. Also da kommt man nicht weiter mit, indem man Menschen kategorisiert als schwarze Schafe oder nicht", sagte der Experte.

Zu harte Sanktionen nicht sinnvoll

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hatte sich zuletzt dafür ausgesprochen, mehr als 100.000 Menschen das Bürgergeld komplett zu streichen. "Die Statistik legt nahe, dass eine sechsstellige Zahl von Personen grundsätzlich nicht bereit ist, eine Arbeit anzunehmen", sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Grüne, Linke und Sozialverbände warfen ihm unter anderem Populismus und Volksverhetzung vor und stellten die von Linnemann genannte Größenordnung infrage.

Weber sieht in der Debatte über schärfere Sanktionen für sogenannte Totalverweigerer ein Problem, weil es "suggeriert, das wesentliche Problem, das wir hätten, wäre jetzt, eine kleine Gruppe von schwarzen Schafen zu sanktionieren". Der Sinn von Sanktionen sei, dass Menschen ihr Verhalten anpassen - dafür brauche man aber das richtige Maß. Seien die Strafen zu hart, gebe es negative Folgen. "Menschen ziehen sich vom Arbeitsmarkt zurück, ich zerstöre Vertrauen. Ich drücke Menschen auch in wenig nachhaltige Jobs. Sie sind schnell in der Arbeitslosigkeit wieder zurück", so Weber.

Der Arbeitsmarktforscher forderte, man solle nicht direkt "auf Totalsanktionen und Totalverweigerer schielen, sondern mit Augenmaß nachlegen", etwa mit Sanktionen, die nicht so hart in die Lebensverhältnisse der Menschen eingreifen./pba/DP/zb

AXC0102 2024-07-30/09:59

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