ROUNDUP: Streit um Fitness-Tarif - BGH stärkt Versicherungsnehmern den Rücken
KARLSRUHE (dpa-AFX) - Fürs Joggen, gesunde Essen und Vorsorgeuntersuchungen beim Arzt sollen Versicherte in einer Berufsunfähigkeitsversicherung mit Rabatten bei der Prämie belohnt werden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat den Tarif unter die Lupe genommen - und im Streit um einige Regelungen nun den Versicherungsnehmern den Rücken gestärkt. Zwei Klauseln des Tarifs hielten einer Inhaltskontrolle der Karlsruher Richterinnen und Richter nicht stand, wie das Gericht am Mittwoch mitteilte. Sie seien intransparent, führten zu einer unangemessenen Benachteiligung der Versicherten - und seien daher unwirksam.
In dem konkreten Fall hatte der Bund der Versicherten (BdV) gegen
Klauseln in einem Tarif der Generali
- der wiederum Auswirkungen auf die Höhe der zu zahlenden
Versicherungsprämie im Tarif des Tochterunternehmens hat.
Zum ersten Mal beschäftigte sich das höchste deutsche Zivilgericht dabei mit sogenannten Telematiktarifen. Gemeint sind damit Tarife, in denen das Verhalten eines Versicherten etwa über eine App überwacht und diese Daten entweder unmittelbar oder indirekt Auswirkungen auf die Höhe der Versicherungsprämie haben. "Bekannt sind solche Programme bisher vor allem bei Kfz-Versicherungen, die den Fahrstil bewerten", sagte BdV-Vorstandssprecher Stephen Rehmke. Der beklagte Tarif ziele hingegen auf Gesundheits- und Fitnessdaten und damit auf einen "sehr persönlichen Lebensbereich" der Versicherten.
Senat folgt Ansicht der Verbraucherschützer
Der BdV war gegen mehrere Regelungen des Versicherungstarifs vor Gericht gezogen. Die angegriffenen Klauseln hielt der Verein für unwirksam, weil sie intransparent seien und die Versicherten unangemessen benachteiligten. So könnten die Verbraucher etwa "nicht genau in Erfahrung bringen, welches konkrete Verhalten zu welchen tatsächlichen Vergünstigungen führt", sagte BdV-Vorstand Rehmke. Außerdem werde verschleiert, dass die sogenannte Überschussbeteiligung der Versicherten auch trotz gesundheitsbewussten Verhaltens ausbleiben könne, wenn der Versicherer nicht ausreichend Erträge erziele.
Dieser Einschätzung schlossen sich die Karlsruher Richterinnen und Richter an. Dem Verbraucher werde nicht hinreichend erklärt, nach welchen Maßstäben die Vergünstigungen über eine sogenannte Überschussbeteiligung zustande kämen, urteilte der Senat. Die entsprechende Klausel sei intransparent und daher unwirksam.
Neben der Klausel zur Überschussbeteiligung stand auch eine Regelung zur Übermittlung der Gesundheitsdaten im Fokus des Verfahrens. Es sei unfair, dass in dem Tarif entsprechende gesundheitsbewusste Aktivitäten nicht berücksichtigt würden, wenn die Fitnessdaten zu spät geliefert würden - "egal, ob das die Kundin versäumt hat oder die Technik beim Versicherer versagt hat", sagte Rehmke. Auch hier folgte der BGH der Ansicht des BdV. Dem Versicherten werde das Risiko einer ausbleibenden Übermittlung der Daten auch dann aufgebürdet, wenn nicht er selbst, sondern der Versicherer oder ein Dritter das zu verantworten hat. Er werde daher unangemessen benachteiligt, die Klausel sei unwirksam.
Generali kündigt Anpassungen an
"Telematiktarife, die auf die Fitnessdaten von Versicherten zielen, sind nicht unproblematisch. Wir freuen uns, dass wir mit unserer Verbandsklage nun wenigstens für mehr Transparenz sorgen konnten", sagte BdV-Vorstand Stephen Rehmke nach dem Urteil. "Verbraucherinnen und Verbraucher sollen klar erkennen und verstehen können, was sie bekommen, wenn sie dem Versicherer Informationen zu ihrer Gesundheit preisgeben."
Generali betonte nach der Verkündung, das Vitality-Gesundheitsprogramm selbst sei nicht Gegenstand der Entscheidung gewesen und vom BGH auch nicht grundsätzlich in Frage gestellt worden. "Insofern bestätigt das Urteil den Grundsatz der Vertragsfreiheit, wonach jeder im Rahmen der bestehenden Gesetze frei entscheiden kann, wie und bei wem er oder sie sich versichert", so das Unternehmen. Die beiden in dem Verfahren monierten Klauseln wolle man entsprechend anpassen und die nach eigenen Angaben knapp 100 betroffenen Kunden anschreiben./jml/DP/ngu
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