Börse Frankfurt-News: "Es wird weiter fleißig gekauft" (Anleihen)
FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Trotz höher als erwartet ausgefallener Inflationsdaten in der Eurozone dürfte die Europäische Zentralbank (EZB) nächste Woche den Leitzins senken. Gekauft werden aktuell vor allem Unternehmensbonds mit mittlerer Laufzeit und attraktiven Renditen. Dabei stehen diesmal auch Anleihen aus dem US-Dollar-Raum stark im Fokus.
31. Mai 2024. Die heute Vormittag veröffentlichten Daten zu den Verbraucherpreisen in der Eurozone fielen überraschend aus. Mit 2,6 Prozent bzw. 2,9 Prozent in der Kernrate ging es mit den Preisen im Mai deutlicher nach oben als erwartet. Damit entfernt sich die Teuerungsrate wieder etwas stärker von dem Zielbereich der EZB. Als problematisch könnten sich perspektivisch vor allem die im ersten Quartal um 4,7 Prozent gestiegenen Tariflöhne erweisen. Eine Leitzinssenkung um 25 Basispunkte auf 3,75 Prozent am kommenden Donnerstag gilt dennoch als ausgemacht Sache.
Viel spannender ist nach Einschätzung der DWS die Frage, wie es danach weitergehen wird. Während einige Zentralbanker weitere schnelle Zinssenkungen im Sinn hätten, würden andere eher bremsen und eine langsamere Gangart bevorzugen. DWS-Volkswirtin Ulrike Kastens geht davon aus, dass sich "gerade vor dem Hintergrund der unsicheren Inflationsentwicklung die Falken durchsetzen und weiter auf Datenabhängigkeit und Entscheidung von Sitzung zu Sitzung drängen werden". Ihrer Ansicht nach wird EZB-Präsidentin Christine Lagarde eine Vorfestlegung auf eine weitere Zinssenkung im Juli vermeiden. Die DWS rechnet bis Ende März 2025 mit insgesamt drei weiteren Zinssenkungen.
Andere Prioritäten als die Zinspolitik
Für viele Anleger*innen scheint die Zinspolitik der Notenbanken aber ohnehin keine große Rolle bei ihren Investitionsentscheidungen zu spielen. "Die Kunden lassen sich nicht großartig davon leiten", sagt Daniel. Wer "ein paar Tausend Euro" anlegen wolle, gucke vielmehr darauf, wie lange er das Geld anlegen kann, wie viel Risiko er eingehen möchte und welche Rendite er dann erzielen kann. Veränderungen des Zinsniveaus wirken sich zudem nur während der Laufzeit auf die Kurse der Anleihen aus. "Privatanleger halten die Papiere in der Regel aber bis zur Endfälligkeit", erklärt der Händler. Und in solchen Fällen steht die im Normalfall zu erwartende Rendite beim Kauf fest und verändert sich durch steigende oder sinkende Zinsen bis zum Ende auch nicht mehr.
Klar bevorzugt werden weiterhin Laufzeiten im kurz- bis mittelfristigen Bereich. Auf der Kaufliste steht laut Daniel z. B. eine bis Oktober 2026 laufende Anleihe von Volkswagen, die eine Rendite von 3,4 Prozent abwirft (XS1893631769). Ebenfalls gesucht ist die Anleihe der Karlsberg Brauerei, die seit April an der Börse gehandelt wird und seitdem bereits von 100 Prozent auf 105 Prozent gestiegen ist. Trotzdem lässt sich innerhalb von fünf Jahren noch eine Rendite von 4,9 Prozent erzielen (NO0013168005).
Auf eine vergleichbar gute Entwicklung weist Arthur Brunner von der ICF Bank bei der ebenfalls im vergangenen Monat emittierten Anleihe von Abo Wind hin. Das in nur fünf Wochen von 100 Prozent auf 105,50 Prozent gekletterte Papier werde rege gehandelt und werfe bis 2029 noch gut 6 Prozent Rendite ab (DE000A3829F5). Gute Nachfrage herrscht auch für den ohne eine feste Laufzeit ausgestatteten Bond von Südzucker, der eine variable Verzinsung beinhaltet. Die errechnet sich nach der Formel "3-Monats-Euribor zzgl. 3,10 Prozent p.a.". Für den Zeitraum bis Ende Juni ergibt sich hier aktuell ein Wert von 7,0 Prozent (XS0222524372).
US-Dollar-Bonds mit höheren Renditen
Generell zeigt sich der Rentenmarkt "sehr aufnahmefähig", wie Brunner mit Blick auf die rege Emissionstätigkeit der vergangenen Wochen feststellt. Im laufenden Jahr beträgt das Volumen neuer Anleihen seinen Berechnungen nach bereits über 1 Billionen Euro. "Das ist mehr als im Rekordjahr 2020". Gekauft werde aktuell "querbeet" über den Markt verteilt, wobei vermehrt US-Dollar-Anleihen gesucht würden. "Hier sind die Renditen noch deutlich höher als im Euroraum", erklärt der Händler. Gekauft wird z. B. ein bis 2032 laufender Bond von Ford Motor mit einem Kupon von 3,25 Prozent. Weil das Papier aktuell nur bei 82 Prozent notiert, beträgt die Rendite 6,3 Prozent (US345370DA55).
Die Kundschaft der Steubing AG setzt ebenfalls auf den Dollar-Raum. Oechsner meldet viele Käufe für eine 2030 fällige Anleihe von John Deere Capital mit einer Rendite von 5,0 Prozent (US24422EWZ86) sowie einen US Treasury Inflation Indexed Bond mit Laufzeit bis 2051 (US912810SV17). Bei den einheimische Emittenten stehen vor allem E.On (XS2747600109), Grenke (XS2828685631) und Volkswagen (XS2694874533) im Fokus. Hier liegen die Renditechancen zwischen 4,0 und 5,7 Prozent.
Rainer Petz von Oddo BHF berichtet von "ganz ordentlichen Umsätzen" bei einer zu Wochenbeginn neu emittierten Anleihe von Hochtief, die knapp unter pari notiert und bei einer Laufzeit von sechs Jahren eine Rendite von 4,2 Prozent abwirft (DE000A383EL9).
Von Thomas Koch, 31. Mai 2024 © Deutsche Börse AG
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)
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