Chinas wirtschaftliche Entwicklung jenseits von Klischees
Chinas transformative Reise durch die Weltproduktion
Die globale Produktionslandschaft hat sich stark verändert, da Unternehmen ihre Produktionsstätten zunehmend aus China verlagern. Dieses Phänomen, das häufig Teil eines umfassenderen Trends ist, der als "Entkopplung" bezeichnet wird, wirft Fragen zu seinen Auswirkungen auf die chinesische Wirtschaft auf.
In den 1960er und 1970er Jahren erholte sich Japan noch vom Zweiten Weltkrieg und bot billige Arbeitskräfte, weshalb sie zu einem beliebten Standort für die Schuhproduktion wurde. Zu Beginn der 1980er Jahre stiegen jedoch die Produktionskosten in Japan und die Produktion verlagerte sich nach Taiwan, das qualifizierte Arbeitskräfte und Kostenvorteile bot. Da jedoch auch die Produktionskosten in Taiwan stiegen, ging der Staffelstab an China über. Das Etikett "Made in China" wurde zum Synonym für Erschwinglichkeit und Effizienz. In den letzten zehn Jahren stiegen jedoch auch in China die Produktionskosten, was dazu führte, dass die Schuhfabriken aus China abwanderten, auch wenn sie weiterhin in chinesischem Besitz sind.
Nachdem die Schuhproduktion in Japan abwanderte, fing das Land an sich zu diversifizieren und ging zur Produktion von Fernsehern, Videogeräten, Audiorecordern und Autos über. Innovation und Technologie wurden zur Stärke des Landes. Das Land passte sich an, gedieh und setzte trotz der Produktionsverlagerung seinen wirtschaftlichen Aufstieg fort. Heute hat sich die Schuhproduktion von China nach Südostasien und Afrika verlagert, aber China ist, wie seine Vorgänger, widerstandsfähig. Das Land verlagert den Schwerpunkt auf Industrien mit höherer Wertschöpfung, Technologie, Innovation und fortschrittliche Fertigung.
Das verarbeitende Gewerbe verlagert sich immer in Regionen mit billigeren Arbeitskräften. Wenn die Produktion dorthin verlagert wird, passen sich diese Regionen an, entwickeln sich weiter und steigen oft in eine höherwertige Produktion auf. Dieser Zyklus bringt sie vom Entwicklungs- zum Industriestatus.
Indien gegen China – wer wird gewinnen?
Die immer wiederkehrende Debatte darüber, ob Indien oder China letztlich als Gewinner hervorgehen wird, vereinfacht die komplexe Dynamik des globalen Wirtschaftswachstums zu sehr. Die Geschichte zeigt, dass der wirtschaftliche Aufstieg einer Nation nicht zwangsläufig auf Kosten einer anderen geht. Die USA sind aufgestiegen, ohne den Wohlstand des Vereinigten Königreichs zu schmälern. Beide existierten nebeneinander und trugen zum globalen Fortschritt bei. Das Wirtschaftswachstum Japans hat den USA nicht geschadet. Stattdessen war es ein Katalysator für die weltweite Expansion. Das schnelle BIP-Wachstum Chinas ging nicht auf Kosten anderer Länder. Es förderte das weltweite Wirtschaftswachstum.
Heute befindet sich Indien in einem Aufschwung, der von einer jungen Bevölkerung, technologischen Fortschritten und Marktreformen angetrieben wird. Der Aufstieg Indiens erfordert jedoch nicht zwangsläufig den Niedergang Chinas. Die Produktion von Gütern des unteren Marktsegments verlagert sich lediglich nach Indien und Südostasien. In dem Maße, in dem der indische Fertigungssektor floriert, gewinnen die Bürger des Landes an Kaufkraft. Diese gestärkten Verbraucher können dann in China hergestellte Fernseher, Smartphones und Autos kaufen. So kann das Wachstum Indiens indirekt China zugute kommen.
Abbildung 1: Indische Ausfuhren in die USA und chinesische Ausfuhren nach Indien
Quelle: Bloomberg. GAM hat die Informationen aus anderen Quellen nicht unabhängig überprüft und gibt keine ausdrückliche oder stillschweigende Zusicherung, dass diese Informationen richtig, wahr oder vollständig sind. Es gibt keine Garantie, dass die Prognosen eintreffen werden. Nur zu Illustrationszwecken.
Abbildung 1 zeigt, dass die indischen Exporte in die USA von 2017 bis 2023, dem Höhepunkt der Handelskriegsdiskussionen und der Debatten über die Deglobalisierung, stark ansteigen. Die graue Linie zeigt, dass Chinas Exporte nach Indien buchstäblich einen parallelen Weg einschlugen. Wenn sich die wirtschaftlichen Aussichten einer Nation verbessern, muss das nicht auf Kosten einer anderen gehen. Demnach können sowohl Indien als auch China gleichzeitig florieren und zum globalen Wirtschaftswachstum beitragen.
Das Risiko der "Japanisierung" beherrschen
Als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt steht China nun an einem Scheideweg, und es gibt Diskussionen über ein Phänomen, das unheilvoll als "Japanisierung" bezeichnet wird. Dieser Begriff erinnert an Japans 15 Jahre andauernde Periode geringen Wachstums und anhaltender Deflation nach dem Platzen einer durch Vermögenswerte aufgeblähten Blase in den späten 1990er Jahren.
Abbildung 2: Aktienkursindizes
Quelle: Bloomberg. GAM hat die Informationen aus anderen Quellen nicht unabhängig überprüft und gibt keine ausdrückliche oder stillschweigende Zusicherung, dass diese Informationen richtig, wahr oder vollständig sind. Es gibt keine Garantie, dass die Prognosen eintreffen werden. Nur zu Illustrationszwecken.
Bevor die Blase in Japan platzte, stieg der japanische Nikkei-Index zwischen 1979 und 1989 von 100 auf 600, was einer Versechsfachung entspricht. Der chinesische Aktienmarkt (graue Linie in Abbildung 2) folgt einem ganz eigenen Weg, wobei der MSCI China Index über zehn Jahre bis zum 31. Dezember 2023 um 8,88 Prozent steigt.
Abbildung 3: Japans BIP (KKP) pro Kopf im Vergleich zu den USA
Quelle: Demographia. Bloomberg. GAM hat die Informationen aus anderen Quellen nicht unabhängig überprüft und gibt keine ausdrückliche oder stillschweigende Zusicherung, dass diese Informationen richtig, wahr oder vollständig sind. Es gibt keine Garantie, dass die Prognosen eintreffen werden. Nur zu Illustrationszwecken.
Verglichen mit dem Pro-Kopf-BIP der USA in Kaufkraftparität (KKP), erreichte das Pro-Kopf-BIP Japans anfangs etwa 30 Prozent des US-BIP. Im Laufe der Zeit expandierte Japans Wirtschaft, und sein Pro-Kopf-BIP stieg allmählich auf etwa 80 Prozent des US-Niveaus. Im Jahr 1990 platzte jedoch Japans Blase und stürzte das Land in die Stagnation. Heute beträgt das Pro-Kopf-BIP Chinas wie anfänglich nur noch etwa 30 Prozent des US-amerikanischen Wertes. Die klaffende Lücke unterstreicht, dass sich China in einem anderen Entwicklungsstadium befindet und von einem Platzen der Blase wie in Japan weit entfernt ist.
China neu definieren
Ausländische Investoren haben immer noch den Eindruck, dass China minderwertige Produkte herstellt und assoziieren das Land oft mit billigen Massenprodukten. Diese Sichtweise übersieht jedoch die beeindruckenden Fortschritte des Landes in den Bereichen Technologie und Innovation. Erfolgsgeschichten chinesischer Unternehmen wie Lenovo zeigen globale Präsenz sowie technologische Kompetenz. Darüber hinaus unterstreicht Chinas Eintritt in die kommerzielle Flugzeugindustrie seine Fähigkeiten jenseits konventioneller Erwartungen.
Darüber hinaus revolutioniert China den Bereich der Elektrofahrzeuge und wird zu einem wichtigen Akteur. Die europäischen Automobilhersteller stehen aufgrund der Vorteile der chinesischen Lieferketten in einem harten Wettbewerb. Vom Batteriematerial (Lithium und Kobalt) über die Batterieproduktion bis hin zur Herstellung von Karosserien und Elektronik – China dominiert die Lieferkette für Elektrofahrzeuge. Effizienz- und Kostenvorteile verschaffen China einen Vorsprung.
Historisch gesehen erleben Nationen, die der technologischen Entwicklung aktiv Priorität einräumen, selten einen wirtschaftlichen Niedergang. Stattdessen blühen sie auf. Chinas unermüdlicher Fokus auf Innovation und Technologieführerschaft positioniert das Land für nachhaltiges Wachstum. Chinas Rolle als globaler Innovator und wirtschaftliches Kraftzentrum verdient eine genauere Betrachtung.
Aus dem Börse Express PDF vom 28.02.2024 - hier zum Download