Chip-Industrie: Die Taktfrequenz nimmt zu
Geschwindigkeit ist in der Computerwelt das Maß der Dinge. Mittlerweile ist es Wissenschaftlern gelungen, die Rechenleistungsschranke von einem sogenannten Exaflop, das entspricht mehr als einer Trillion Gleitkommaberechnungen pro Sekunde, zu überwinden. Zum Vergleich: Vor genau 40 Jahren wurde erstmals die Marke von einer Milliarde Rechenoperationen pro Sekunde erreicht, ein Wert, den heute jedes Smartphone übertrifft.
Der Bedarf nach mehr Rechenleistung in Zeiten der Digitalisierung verlangt nach immer schnelleren Prozessoren. Dies gilt vor allem in Hinblick auf neue Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI). Tempo in der Lernphase und bei der Analyse sind bei jeder KI der entscheidende Faktor. Die Halbleiterindustrie ist also gezwungen, ihre Chips ständig aufzupeppen. Am besten gelingt das derzeit NVIDIA. Die US-Hightech-Schmiede besetzt mit seinen Produkten schätzungsweise rund 80 Prozent des schnell wachsenden KI-Marktes. Doch die Konkurrenz schläft nicht: Namhafte Konzerne wie AMD, Intel oder Micron Technology möchten sich ebenfalls ein größeres Stück vom Kuchen abschneiden.
Was den gesamten Chipmarkt betrifft, ist der Kuchen zuletzt allerdings geschrumpft. Laut der Beratungsfirma Gartner hat der weltweite Halbleiterumsatz 2023, unter anderem aufgrund des Einbruchs bei PCs und Smartphones, um knapp elf Prozent auf 534 Milliarden US-Dollar abgenommen. Doch im neuen Jahr stehen die Zeichen wieder auf Erholung. Gartner-Analyst Alan Priestley geht davon aus, dass insbesondere die kontinuierlich wachsende Nachfrage nach KI-Spezialhalbleitern die weltweiten Erlöse um knapp 17 Prozent auf 624 Milliarden US-Dollar antreiben wird.
Nachfrage übersteigt Angebot
Der US-Konzern Advanced Micro Devices bläst in das gleiche Horn und rechnet mit hohem Wachstum bei den KI-Chips für Rechenzentren. Von 45 Milliarden US-Dollar in 2023 soll der Markt bis 2027 auf rund 400 Milliarden US-Dollar emporschnellen. Um an dieser steilen Aufwärtskurve zu partizipieren, hat AMD im Dezember zwei neue KI-Chips aus seiner MI300 Reihe angekündigt: einen für generative KI-Anwendungen und einen zweiten für Supercomputer. Die neue Serie soll in der Lage sein, mit NVIDIAs Flaggschiffen zu konkurrieren. Für 2024 beziffert AMD-CEO Lisa Su den Vorrat an KI-Chips auf „deutlich über“ zwei Milliarden US-Dollar. Doch wird das nicht reichen, laut der 54-jährigen dürfte das Kaufinteresse der AMD-Kunden weit darüber hinausgehen.
Einer dem Angebot übersteigende Nachfrage sieht sich auch Intel ausgesetzt. Daher drückt das Chip-Urgestein ebenfalls bei der Entwicklung aufs Tempo. Noch kurz vor dem Jahreswechsel präsentiert der Konzern unter anderem den neuen „Gaudi3“-Prozessor, mit dem Intel auf Branchenprimus NVIDIA aufschließen möchte. Daneben startet das Unternehmen in diesem Jahr seinen fortschrittlichen 18-A-Prozess. Laut Gelsinger konnten dafür bereits drei Kunden gewonnen werden, einer davon ist den Angaben zufolge sogar ein „sehr bedeutender“. Der Konzern geht dank des 18A-Prozessors mit einer Leistungssteigerung von zehn Prozent von Generation zu Generation aus, was Experten zufolge einen hohen Wert in der Halbleiterindustrie darstellt.
Positive Aussichten
NVIDIA möchte sich die Butter aber nicht vom Brot nehmen lassen. Neben ständig weiterentwickelten Prozessoren der H-Reihe für Rechenzentren und RTX für den Heimbedarf versucht der Chip-Designer derzeit auch, das zuletzt maue China-Geschäft wieder auf Vordermann zu bringen. Die US-Regierung hat mit ihrem Embargo für den Export hochleistungsfähiger Computerchips ins Reich der Mitte im vergangenen Jahr nämlich für Bremsspuren bei dem Halbleiterkonzern gesorgt. NVIDIA kündigte nun an, im zweiten Quartal 2024 mit mehreren eigens kreierten China-Chips, welche den Handelsbeschränkungen von Washington entsprechen, in Massenproduktion zu gehen.
Für gute Laune im gesamten Chip-Sektor sorgten zuletzt Micron Technology und Qualcomm. Erstgenannte sagte Ende vergangenen Jahres für 2024 eine starke Erholung des Angebots-Nachfrage-Gleichgewichts bei Speichern und Flash-Speichern vorher. Darüber hinaus konnte Micron mit seinen Quartalsergebnissen und dem Ausblick auf das laufende Quartal die Marktprognosen übertreffen. Die Analysten von Morningstar werten dies als Zeichen dafür, dass sich die Preise für Speicherchips früher als erwartet erholen werden. In Sachen KI sieht Micron ebenfalls Potenzial. Das Unternehmen befindet sich eigenen Angaben zufolge in der „Endphase“, um seine Speicherchips mit hoher Bandbreite für den Einsatz in NVIDIAs leistungsstärksten KI-Plattformen zu qualifizieren. Diese High-End- Speicherchips gehören zu den profitabelsten Produkten von Micron und sollen im Geschäftsjahr 2024 „mehrere hundert Millionen“ Dollar Umsatz einbringen.
Qualcomm ist ebenfalls in einem Zukunftsmarkt unterwegs, und zwar im Bereich des Mobilfunkstandards 5G. Im vierten Quartal einigte sich der Konzern mit Apple auf eine Verlängerung des Vertrages zur Lieferung von 5GChips. Daneben treibt der Halbleiterspezialist die Entwicklung des „Snapdragon Elite X“ voran, welcher über KI-Funktionen verfügt und für Rechner mit dem Microsoft- Betriebssystem Windows bestimmt ist. Aufgrund einer Stabilisierung des zuletzt schwächelnden Smartphone- Marktes konnte Qualcomm auch geschäftlich positiv überraschen, sowohl mit den Zahlen für das dritte Quartal als auch mit den Aussichten auf das Schlussviertel.
Europa spielt mit
Nicht nur die USA beherbergt globale Chip-Konzerne, auf dem alten Kontinent agieren mit Infineon, STMicroelectronics sowie auch dem Maschinenbauer ASML ebenfalls wichtige Halbleiterkonzerne. Die beiden erstgenannten sind vor allem für ihre Prozessoren im Auto bekannt. Die Aussichten auf Wachstum sind in diesem Bereich bestens. Infineon-CEO Jochen Hanebeck erwartet, dass sich bis zum Ende der Dekade der Umsatz mit sogenannten Mikrocontrollern („MCUs“) für E-Autos und Fahrassistenz-Systeme verdoppeln wird. Nach einer Reihe von Großaufträgen von Autobauern und -zulieferern möchte der Konzern zum Weltmarktführer aufsteigen. Gegenwind droht allerdings von der zuletzt nachlassenden Dynamik beim E-Auto-Absatz. Sollte sich die Nachfrage weiter verlangsamen, steigt das Risiko einer Anpassung der Prognosen. Im vergangenen Jahr legte der Absatz in Deutschland „nur“ noch um 11,4 Prozent zu, 2022 betrug die Steigerungsrate noch 30 Prozent.
Darüber hinaus besteht bei den europäischen Halbleiterherstellern das Risiko einer Preiskorrektur bei MCUs und Leistungshalbleitern, die den Großteil des Umsatzes von Infineon und STMicro ausmachen. Im Zuge von Lieferengpässen sind die MCU-Preise seit 2020 um 76,5 Prozent gestiegen, die für Leistungshalbleiter im gleichen Zeitraum um 48,6 Prozent. Da das Angebot jedoch nicht mehr eingeschränkt ist, warnen einige Analysten vor einem Preisdruck. Dies wiederum würde sich negativ auf das Wachstum und die Marge der beiden Big Player auswirken. Auf das Zweigespann lastet zudem der vorsichtige Ausblick von STMicro auf das laufende Jahr. Der Konzern, zu dessen Kunden Tesla und Apple gehören, erwartet 2024 einen Umsatzrückgang.
Verschiedene Wege
An der Börse zeigt sich bei der Gegenüberstellung von Europa und den USA ein unterschiedliches Bild. Während die Aktien von Infineon und STMicro in den vergangenen zwölf Monaten unter dem Strich in etwa auf der Stelle traten, zeigten die Kurse der US-Chip-Aktien stramm nach oben. Mit etwa einer Verdreifachung stehen die Titel von NVIDIA ganz oben im Performance-Ranking, nachdem sich der Wert seit Ende 2021 gut ein Jahr lang rückläufig bewegt hatte. Aber auch die AMD-Aktie konnte sich mehr als verdoppeln und Chip-Urgestein Intel hat kürzlich ebenfalls auf die Überholspur gewechselt. Angesichts dieser Werte ist jedoch inzwischen auch das Rückschlagpotential entsprechend angestiegen.
Anlegern, die in die zukunftsträchtige Halbleiterbranche investieren möchten, stehen verschiedene Produktgattungen zur Verfügung. Spekulative Naturen können mit Hebel-Papieren das starke Momentum oder auch die Bewegungen einzelner Chip-Aktien für sich nutzen. Etwas weniger risikofreudige Naturen wählen Renditeoptimierungsprodukte, um sich in dem Sektor zu positionieren. Hier bieten sich beispielsweise Aktienanleihen an, die bereits in einer Seitwärtsbewegung attraktive Renditen in Aussicht stellen.
Ein breit diversifiziertes Pure-Play-Investment ermöglicht der Solactive Global Semiconductor Leaders Index. Das Barometer ist mit 20 internationalen Chip-Titeln bestückt, die mehrheitlich – genauer gesagt zu 61 Prozent – aus den USA stammen. Der Rest verteilt sich auf Europa und Asien. Der Track Rekord ist beeindruckend: Seit der Lancierung im Juni 2021 legte der Index stark zu und entwickelte sich auch deutlich besser als der Nasdaq 100. Anleger sollten bei einem Investment jeweils auch das Währungsrisiko berücksichtigen, außer es handelt sich um währungsgesicherte Produkte (Quanto). Die meisten Basiswerte, auch der Solactive Global Semiconductur Leaders Index, notieren in Fremdwährungen (vor allem US-Dollar).
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