ANALYSE/Societe Generale: Keine rasche Zinssenkung - 'In den USA wächst alles'
FRANKFURT (dpa-AFX) - Angesichts der robusten Weltkonjunktur erwarten die Finanzexperten der französischen Geschäftsbank Societe Generale keine raschen Zinssenkungen der großen Notenbanken. "In den USA wächst momentan alles", sogar die Investitionen in die historisch zinssensiblen Wohnimmobilien, wie Chefvolkswirt Klaus Baader am Mittwoch in Frankfurt sagte. Insofern glaubt der Experte nicht, dass die Vereinigten Staaten in naher Zukunft in eine Rezession schlittern werden.
Dass die Märkte baldige Zinssenkungen erwarten, hält der Chefvolkswirt für übertrieben und verfrüht. Der Vorsitzende der US-Zentralbank Fed, Jerome Powell, sei vorsichtig. Ein halbes Jahr sinkender Teuerungsraten sei für den obersten Notenbanker nicht genug, um den Leitzins schon zu reduzieren. "Die Märkte sind hier unheimlich zappelig. Sie können Stillstand nicht ertragen", sagte Baader. Seine Prognose: Die Fed werde den Leitzins im Mai um 0,25 Prozentpunkte senken, "sofern es keinen starken exogenen Schock gibt". Die letzte Meile zum Inflationsziel von 2 Prozent wird laut dem Experten die schwierigste werden.
In Deutschland sieht der Chefvolkswirt keine Gefahr einer Stagflation, bei der das Wirtschaftswachstum stillsteht und gleichzeitig die Geldentwertung durch eine erhöhte Inflation steigt. Die deutsche Wirtschaft befinde sich nicht einmal in einer technischen Rezession, nachdem die Veränderung des Bruttoinlandsprodukts im dritten Quartal 2023 von -0,1 Prozent auf 0 Prozent revidiert wurde. Im Schlussquartal war die deutsche Wirtschaft einer ersten Schätzung zufolge um 0,3 Prozent geschrumpft. Von einer technischen Rezession sprechen Analysten, wenn das Bruttoinlandsprodukt im Vergleich zum Vorjahr zweimal hintereinander sinkt.
Alain Bokobza, Leiter der Abteilung Globale Vermögensallokation, sieht inzwischen eine Abkehr von der Überhitzung der US-Märkte. Wenn die Inflation weiter sinke, werde sich die Fed für Zinssenkungen öffnen. Entsprechende Maßnahmen der Europäischen Zentralbank erwartet er erst danach.
Neben den USA ist laut Bokobza auch Japan ein attraktiver Aktienmarkt, denn unter anderem seien die Unternehmensführungen zuletzt zunehmend aktionärsfreundlicher geworden. Dies gelte auch für die südkoreanische Börse. Die Aktienmärkte der Schwellenländer würde der Experte eher untergewichten.
Eine Investition in Staatsanleihen ist Bokobza zufolge im Sinne der Diversifikation sinnvoll. Doch seien sie nicht uneingeschränkt der sichere Hafen, für den sie oft gehalten würden, denn "auch Anleihen können sehr gefährlich sein". Erst 2022 waren diese angesichts der Furcht vor steigenden Zinsen zusammen mit Aktien gefallen.
Bei Rentenpapieren legt der Fachmann einen besonderen Schwerpunkt auf Lateinamerika. Diese Region erscheine ihm sicherer als Teile Asiens, weil sie weniger stark vom Protektionismus der US-Handelspolitik betroffen sei./lfi/la
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