Börse Frankfurt-News: "Gieriges Biest" Inflation gezähmt? (Anleihen)
FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Die Inflation in der Eurozone und in den USA ist auf dem Rückzug - und die Zinssenkungserwartungen verfestigten sich. Unternehmensanleihen bekannter Namen bleiben gesucht, so manche Bonds erlitten aber auch deutliche Kursverluste.
2. Februar 2024. Es war erneut eine Woche im Zeichen der Notenbanken, diesmal der US-Notenbank. Am Mittwoch betonte Fed-Chef Powell zwar die gute Inflationsentwicklung und ließ das Zinsniveau - wie erwartet - unverändert. Er machte aber auch deutlich, dass eine erste Zinssenkung im März unwahrscheinlich sei, die Inflation müsse sich erst noch nachhaltig in Richtung zwei Prozent bewegen. "Das überraschte den Markt doch ein wenig", kommentiert Tim Oechsner von der Steubing AG. Die Zinserwartungen wurden aber nicht erschüttert: "Fed-Chef Powell hat eine baldige Leitzinssenkung als unwahrscheinlich bezeichnet, dies ändert aber nichts am Bild einer im Jahresverlauf anstehenden Zinswende", erklärt Analyst Ralf Umlauf von der Helaba.
Nagel: "Zwei-Prozent-Ziel in greifbarer Nähe"
Was die Eurozone angeht, gab Bundesbankpräsident Joachim Nagel diese Woche ebenfalls Entwarnung in Sachen Inflation. Er sei davon überzeugt, dass das "gierige Biest" nun gezähmt sei. Das Zwei-Prozent-Ziel rücke in greifbare Nähe. In der Tat ist die Inflation in der Eurozone im Januar auf 2,8 Prozent gefallen, in Deutschland auf 2,9 Prozent. Angesichts solcher Zahlen verfestigten sich die Zinssenkungserwartungen, die Renditen legten den Rückwärtsgang ein: Am Freitagmorgen rentieren zehnjährige Bundesanleihen mit 2,17 nach 2,24 Prozent vor einer Woche. US-Staatsanleihen gleicher Laufzeit bieten 3,85 Prozent.
"Insgesamt war es eine relativ ruhige Woche", schildert Arthur Brunner die Lage im Rentenhandel. Tim Oechsner berichtet von vielen Umsätze in US-Treasuries, etwa solchen mit Fälligkeit 2024 (US91282CDN83), 2025 (US91282CHN48) und 2027 (US91282CFM82). Die Renditen liegen aktuell bei 4,46 Prozent, 4,68 Prozent und 3,87 Prozent. Gesucht seien außerdem im kommenden Jahr fällige Papiere des europäischen Stabilitätsmechanismus ESM (EU000A1U9894), aber auch italienische Langläufer mit Fälligkeit 2051 (IT0005425233).
Grenke, Eon und John Deere beliebt
Gregor Daniel, der für die Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank Anleihen handelt, sieht weiter Kaufinteresse an der Anfang 2025 fälligen Anleihe des Leasing-Spezialisten Grenke (XS2078696866). "Diesmal gibt es auch eine Nachricht dazu: Grenke will sich aus dem Geschäftsfeld Factoring zurückziehen." Käufe und Verkäufe gleichermaßen meldet er für Papiere von Otto (XS1979274708, XS1853998182) und VW (XS1893631769).
Oechsner registriert gute Nachfrage nach Bonds des auf Management- und Inkassodienstleistungen spezialisierten schwedischen Unternehmens Intrum (XS2566291865) und Eon (XS2673536541). Ebenfalls gut an kämen US-Dollar-Bonds von John Deere (US24422EWZ86, US24422EWH88, US24422EXE49). Die bieten bei Laufzeiten bis 2030, 2032 und 2033 rund 4,5 Prozent. Bei der ICF Bank geht viel um in Papieren von Multitude (NO0011037327) mit überwiegend Käufen sowie Deutsche Rohstoff mit eher Verkäufen (DE000A3510K1).
Minus bei Atos und Obotritia
Deutliche Kursverluste haben Papiere des französischen IT-Dienstleisters Atos in den vergangenen Wochen verzeichnet, wie Rainer Petz von Oddo BHF berichtet. Etwa wird die 2028 fällige Anleihe (FR0013378460) nach rund 60 Prozent Ende Dezember jetzt nur noch zu 25 Prozent gehandelt. Atos ist bereits seit längerer Zeit in finanziellen Schwierigkeiten, auch der Aktienkurs ist eingebrochen. "Es wird ein Schuldenschnitt befürchtet", erklärt Petz. Kleinanleger*innen dürften wegen der Mindestanlagesummen von 100.000 Euro allerdings nicht betroffen sein.
Abermals unter Druck geriet Daniel zufolge die Hybridanleihe von Obotritia Capital (DE000A1616U7) - das Unternehmen hatte schon zuvor mehrmals die Zinszahlungen aufgeschoben. "Wieder hält Obotritia ihre Verpflichtungen nicht ein - Creditshelf vor Aus?", fragt sich das Nebenwerte Magazin. Der Vorstand des Kreditvermittlers Creditshelf hatte am gestrigen Donnerstag gemeldet, dass man "nach ergebnislosen Verhandlungen mit der Hauptgesellschafterin Obotritia" zur Feststellung gelangt sei, dass diese ihren vertraglichen Verpflichtungen gegenüber Creditshelf nicht nachkommen werde.
Brunner hat außerdem einiges an Abgaben im Mittelstandssegment beobachtet. "Da könnten Verkäufe des Deutschen Mittelstandsanleihen-Fonds (LU0974225590) hinter stecken." Jedenfalls seien die Kurse der Anleihen von Paragon (DE000A2GSB86) zurückgegangen. Der Deutsche Mittelstandsanleihen-Fonds, der in hochverzinste Mittelstandsanleihen investiert hatte, wurde im vergangenen Juni aufgelöst, die Papiere werden nun verkauft.
Etwas ruhiger geworden ist es in Hinblick Neuemissionen. Brunner
berichtet nur von neuen Bonds von ZF Europe mit 4,75 Prozent bis
2029 ( Von Anna-Maria Borse, 2. Februar 2024 © Deutsche Börse AG (Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG
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