Passive Investments: Günstig ist nicht immer besser (Dyrk Vieten)
Ein Blick in die Statistiken zeigt: ETFs stehen weiterhin in der Beliebtheit bei den Anlegern hoch im Kurs. 138 Milliarden Euro hatten die Deutschen nach einer Statistik des Fondsverbandes BVI bereits vergangenen Sommer in diese passiven Indexfonds angelegt. Insgesamt eine Million Deutsche besitzen laut einer Auswertung der Webseite extraetf.com ETF-Anteile. Und auch bei professionellen Anlegern sind ETFs aufgrund der günstigen Struktur und hohen Flexibilität bei Kauf und Verkauf beliebt.
Aber: Im Sinne des umfassenden Risikomanagements sind ETFs mit Vorsicht zu betrachten. Schließlich bilden diese Wertpapiere Indizes eins zu eins ab, nehmen also sowohl Aufwärts- als auch Abwärtsbewegungen vollständig mit. Damit bieten sie in gut laufenden Börsenphasen interessante und leicht zugängliche Gewinnpotenziale, schaffen es aber auch zugleich nicht, Risiken zu begrenzen. Der durch das Corona-Virus ausgelöste Crash hat dies einmal mehr gezeigt: Ein typischer ETF auf den MSCI World hat binnen eines Monats mehr als 13 Prozent verloren.
Das ist für Anleger auf kurze Sicht natürlich ein problematisches Ereignis. Aber generell sollten sich Investoren über übergeordneten Strukturen von ETFs Gedanken machen und darüber nachdenken, inwiefern diese mit den tatsächlichen Ansprüchen im Risikomanagement zusammenpassen. Und dabei geht es gerade nicht ausschließlich um die Renditemöglichkeiten und die kurzfristige Wertentwicklung. Sondern vor allem auch darum, ob ETFs komplexe Ansprüche hinsichtlich Allokationsquoten, Streuung und strategischer Ausrichtung entsprechen.
Der Blick in den MSCI World verdeutlicht dies. Der Aktienindex spiegelt die Entwicklung von über 1.600 Aktien aus 23 Industrieländern wider. Die fünf größten Unternehmen im Index sind Apple, Microsoft, Amazon, Facebook und JPMorgan, und unter den zehn größten MSCI World-Unternehmen befindet sich nur ein Nicht-US-Konzern, nämlich Nestle aus der Schweiz. Diese zehn Top-Unternehmen machen aktuell mehr als 13,5 Prozent der Gewichtung des Index aus, auf die US-Unternehmen entfallen laut offizieller Statistik rund 12,80 Prozent – und davon wiederum ein großer Teil eher auf Growth- als auf Value-Werte. Rechnet man die übrigen US-Unternehmen im MSCI-Index dazu, steigt diese Quote auf etwa 60 Prozent.
Das bedeutet: Käufer eines MSCI World-ETFs investieren generell zu 60 Prozent in US-Unternehmen und ein Achtel des Vermögens in neun dieser Unternehmen. Und von diesen wiederum sind fünf der IT-Branche und zwei der Finanzdienstleistung zugeordnet. Dass dies wenig mit einer professionellen Streuung zu tun hat, versteht sich von selbst. Der Fokus auf die USA ergibt zwar Sinn hinsichtlich der Marktkapitalisierung, aber genauso wird das Risiko stark auf diesen Markt konzentriert, der nicht nur unter dem ungeklärten Handelsstreit mit China leiden kann, sondern beispielsweise auch unter dem Präsidentschaftswahlkampf. Dieser kann den USA eine zweite Amtszeit von Donald Trump bringen, der sich dann laut Expertenmeinung viel weniger stark auf die Wirtschaft konzentrieren könnte, oder auch einen Sozialisten wie Bernie Sanders – beides wäre nicht förderlich für die Märkte. Sollten solche Szenarien eintreffen, können sehr USA-orientierte Indexfonds leicht nachhaltig an Wert verlieren.
Natürlich, es lassen sich durch ETFs bestimmten Nischen und Spezialitäten gut dem Portfolio beimischen, ebenso lässt sich die Investitionsquote schnell und kostengünstig verändern. Aber die ETF-Körbe sollten genau analysiert werden, damit es zu keinen Klumpenrisiken beziehungsweise taktisch und strategisch ungewollten Über-Allokationen bestimmter Regionen und/oder Branchen kommt. Gerade im Kontext des umfassenden Risikomanagements ist dies ein entscheidendes Kriterium, sodass – der möglicherweise höheren Gebühren zum Trotz – das Vermögen in aktiv gemanagten Produkten besser aufgehoben ist.
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