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Dividendenstrategien für ausschüttungsorientierte Anleger (Andreas Schyra)

Die Dividendensaison 2020 nimmt gerade erst Fahrt auf. Anfang Februar schüttete die Siemens AG 3,90 Euro pro Aktie an ihre Anteilseigner aus, was einer Erhöhung um 0,10 Euro im Vorjahresvergleich entsprach. Die Ausschüttungsrendite beträgt etwa 3,5 Prozent und liegt damit weit oberhalb der Renditen von Unternehmensanleihen des identischen Emittenten. Da sich jedoch zum Ende des Monats Februar die grundsätzliche Angst vor dem Coronavirus auch deutlich negativ auf die Aktienmärkte auswirkte, sind Aktionäre der Siemens AG derzeit relativ weit davon entfernt, den Dividendenabschlag durch Kursgewinne wieder aufzuholen.

Anleger die hingegen davon ausgehen, dass die Aktienmärkte während der Dividendensaison nicht weiter von der, sich mittlerweile auch in Europa ausbreitenden, Krankheitswelle beeinträchtigt werden und zumindest von einem Seitwärtstrend ausgehen, haben mit Dividendenwerten eine gute Chance, überproportional zu profitieren.

Ausschüttungen zur Aufrechterhaltung des Stiftungs- bzw. Geschäftszwecks

Die Vereinnahmung von Ausschüttungen ist insbesondere für Stiftungen und andere – insbesondere institutionelle – Anleger existentiell, wenn diese benötigen werden, um dem jeweiligen Stiftungs- oder Geschäftszweck nachzukommen. Der Portfolioanteil von Aktien hat in den letzten Jahren auch für diese eher risikoaversen Investoren nennenswert an Bedeutung gewonnen, denn – wie oben bereits angedeutet – liegt die Ausschüttungsrendite zahlreicher Dividendenwerte deutlich oberhalb derer Anleiherenditen des identischen Unternehmen. Die häufig, zumindest anteilig, vollzogene Aufstockung der Assetklasse Aktien zu Lasten unrentabler Anleihen, hat zwangsläufig eine gewisse Risikoausweitung zur Folge, die sich aufgrund der positiven Aktienmarktentwicklung im Jahr 2019 jedoch zuträglich ausgewirkt haben sollte.

Im Fall eines positiven oder zumindest nicht negativen Aktienumfeldes sind Anleger häufig in der Lage Aktien vor dem jeweiligen Dividendentermin zu erwerben, die Ausschüttung zu vereinnahmen und auf eine Kursaufholung des Dividendenabschlages zu warten. Soweit der Kursverlust bei Veräußerung geringer ist, als die Dividendenzahlung, ergibt sich ein positiver Effekt für den Anleger. Diese Vorgehensweise ist vergleichsweise simpel, hat in der Historie jedoch häufig zu positiven Effekten geführt, die insbesondere von ausschüttungsorientierten Investoren in Erwägung gezogen werden sollte.

Vereinnahmung ausschüttungsfähiger Erträge

Der Aktienerwerb vor der Hauptversammlung (HV) bzw. dem Dividendentermin und die spätere Veräußerung können insbesondere in der ersten Jahreshälfte häufig betrieben und regelmäßig auf weitere Aktiengesellschaften übertragen werden, denn genau diese Zeit ist die HV- bzw. Dividendensaison. Der Slogan „Dividenden sind der neue Zins“ ist sicherlich fehlgeleitet, jedoch kann die Vereinnahmung von Dividendenzahlungen insbesondere in den ersten Monaten des Jahres nennenswert zur Ansammlung ausschüttungsfähiger Erträge beitragen.

Überdies existieren am Kapitalmarkt seit Jahrzehnten Dividendenstrategien, welche beispielsweise die sog. Dividendenaristokraten gewichten. Dies sind Unternehmen, welche über eine Historie von 25 Jahren und demnach über mehrere Wirtschaftszyklen hinweg ihre Ausschüttungen beibehalten oder sogar gesteigert haben.

Empirische Forschung der FOM Hochschule

Empirische Forschungsarbeit wird beispielsweise im Rahmen der jährlich erscheinenden „Dividendenstudie“ vom ISF Institute for Strategic Finance an der FOM Hochschule in Zusammenarbeit mit der DSW Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. durchgeführt. Die Veröffentlichung der diesjährigen Untersuchung erfolgt am 02. April 2020 und wird erneut die größten Dividendenzahler Deutschlands, deren Ausschüttungsquoten im Verhältnis zum Jahresüberschuss sowie weitere aufschlussreiche Forschungsaspekte hervorheben.

Dogs-of-the-Dow-Strategie

Ursprünglich wurden Dividendenstrategien von den Wirtschaftswissenschaftlern Michale B. O’Higgins und Benjamin Graham unabhängig voneinander entwickelt. O’Higgins veröffentlichte seine Dogs-of-the-Dow-Strategie, bei der ursprünglich jährlich die zehn Aktien mit der höchsten Dividendenrendite des Dow Jones Industrial Average gleichgewichtet erworben wurden. Dieser langfristig angelegte Investmentansatz, der einer jährlichen Portfolioreallokation bedarf, kann auf jeden gängigen Aktienindex übertragen werden.

Erwirtschaftete Ausschüttungen als Qualitätsmerkmal

Graham hingegen wertet Dividenden als Qualitätsmerkmal, soweit die Ausschüttungen nicht die Substanz eines Unternehmens angreifen, sondern tatsächlich aus dem Jahresüberschuss resultieren. Dieser altgediente Qualitätsansatz, welcher Substanzausschüttungen vermeidet, führt zu einem verringerten Investitionsrisiko und sollte von tendenziell risikoaversen Anlegern bei der Aktienauswahl, mit dem Ziel der Dividendenvereinnahmung, berücksichtigt werden.