Eva Fornadi / Franz Weis (Comgest): „Der wichtigste langfristige Treiber der Aktienkurse ist das Gewinnwachstum“
BÖRSE EXPRESS: Was unterscheidet den Comgest Growth Europe Opportunities (GEO) vom Comgest Growth Europe?
EVA FORNADI, FRANZ WEIS: Beide Fonds konzentrieren sich in ihrer Aktienauswahl ausschließlich auf Unternehmen mit überdurchschnittlichem, lange anhaltendem und gut vorhersehbarem Gewinnwachstum, da dies langfristig der wichtigste Treiber der Aktienpreise ist. Der Comgest Growth Europe investiert in sehr bewährte, etablierte Unternehmen mit gutem Wachstum, wohingegen der Fonds Comgest Growth Europe Opportunities, wie es der Name bereits ankündigt, ein wenig opportunistischer vorgeht. Während er die für Comgest üblichen Qualitätskriterien berücksichtigt, investiert er teilweise auch in Unternehmen in einem früheren Wachstumsstadium oder mit einer leicht ausgeprägteren Konjunktursensibilität, wenn dadurch sehr dynamisches Gewinnwachstum erzielt werden kann. Wir gehen mit den aktuellen Fondspositionen von einem durchschnittlichen langfristigen Gewinnwachstum von 15 bis 16 Prozent pro Jahr aus, im Vergleich zu ca. 11 Prozent bei den Unternehmen im Comgest Growth Europe.
Ausgehend vom Portfolio des Comgest Growth Europe Opportunities, welches Gewinnwachstum hat der Fonds in den vergangenen Jahren erreicht (Vergleich zum Index MSCI Europe Net Return?) und wie sieht Ihre Einschätzung diesbezüglich für 2019 aus?
In den letzten 5 Jahren lag das Gewinnwachstum im Fonds bei +15,1 Prozent pro Jahr, das heißt doppelt so hoch wie die +7,3 Prozent der Unternehmen im MSCI Europe Index. Während das Gewinnwachstum im Fonds ziemlich gleichmäßig verlief, entstanden die 7,3 Prozent des MSCI Europe Index nur aufgrund der starken Rohstoffpreiserhöhung und des besseren Konjunkturwachstums im Jahr 2017 – in den anderen Jahren war das Gewinnwachstum sehr bescheiden. Davon gehen wir auch für das Jahr 2019 aus: Die Halbjahreszahlen, die kürzlich publiziert wurden, führen zu negativen Gewinnrevisionen, weil das wirtschaftliche Umfeld sich ständig verschlechtert und die meisten Unternehmen davon negativ betroffen sind. Für den MSCI Europe Index liegen die Konsens-Schätzungen bei nur noch +3-4 Prozent und könnten durchaus weiter fallen. Für die Unternehmen im Fonds liegen die Erwartungen bei +10 Prozent in diesem Jahr und +17 Prozent im nächsten Jahr.
Welchen Einfluss hat die weiter lockere Zinspolitik in Europa auf Investitionstätigkeit und Bewertungsniveaus der Portfoliounternehmen?
Die Niedrigzinspolitik erklärt mehr oder weniger die gute Entwicklung aller Asset-Klassen – auch die Aktienmärkte haben davon profitiert. Trotz der sehr moderaten Wachstumsperspektiven für die Unternehmensgewinne sind europäische Aktien ähnlich zum langfristigen Durchschnitt bewertet, wobei das Gewinnwachstum in der Vergangenheit höher war. Auch bei den Unternehmen kann man feststellen, dass sich Akquisitionen schnell rentieren, wenn sie fast kostenlos fremdfinanziert werden. Kurzfristig steigert dies das Gewinnwachstum einiger Unternehmen, aber dabei werden auch Risiken in Kauf genommen, die sich bei einer Verschlechterung der Konjunktur oder einem etwaigen Anstieg des Zinsniveaus sehr negativ auswirken könnten.
Worin sehen Sie die Vorteile der starken Konzentration Ihres Portfolios?
Unser Ziel ist es, nur in Unternehmen zu investieren, die in der Lage sind, sehr dynamisches und vorhersehbares Wachstum zu generieren, ohne große Risiken in Kauf zu nehmen. Davon gibt es nicht viele und wir gehen sehr selektiv vor. Gleichzeitig investieren wir viel Zeit in die gründliche, fundamentale Analyse aller Positionen, auch wenn sie sich teils schon seit vielen Jahren im Fonds befinden. Das Geschäfts- und Wettbewerbsumfeld entwickelt sich ständig weiter, und wir müssen eine mögliche Veränderung des Wachstums- oder Risikoprofils eines Unternehmens frühzeitig erkennen. So eine detaillierte Analyse ist nur für eine begrenzte Anzahl an Unternehmen möglich, die wir dafür aber gründlich abdecken können.
Welche Megatrends bzw. Themen machen Sie bei Ihren Portfoliounternehmen aus?
Die Portfoliounternehmen sind in der Lage, in den nächsten Jahren ein Gewinnwachstum von 15 Prozent pro Jahr zu erzielen, weil sie durch intensive Investitionen in Forschung und Entwicklung innovative Produkte auf den Markt bringen und dadurch Marktanteile dazu gewinnen – aber auch die Märkte, in denen sie agieren, wachsen teils deutlich schneller als die Gesamtwirtschaft. Dies erklärt sich aufgrund gewisser langfristiger, struktureller Entwicklungen, wie beispielsweise die weltweit alternde Bevölkerung. Aus Letzterem ergibt sich ein gutes Wachstumspotenzial für unter anderem Gesundheitsprodukte und -dienstleistungen. Beispiele dafür im Fonds sind Orpea, ein französischer Betreiber von Altersheimen in über 15 Ländern, oder Lonza, ein Schweizer Unternehmen, das biopharmazeutische Produkte im Auftrag der Pharmaunternehmen produziert. Ein weiterer Trend ist die Digitalisierung der Geschäftswelt und des Alltags. ASML, der Weltmarktführer von Lithographie-Geräten für die Herstellung von Halbleitern, profitiert davon beziehungsweise macht dies erst möglich. Das Unternehmen Temenos bedient mit seiner Software für Banken den Trend zur Produktivitätssteigerung von Unternehmen. Ein weiteres Thema ist die wachsende soziale Mittelschicht in den Schwellenländern. SMCP mit den Marken Sandro und Maje verkauft französischen Chic und erzielt damit gutes Wachstum in Asien.
Wo ergeben sich die wesentlichsten Unter- bzw. Übergewichtungen in Ihrem Fonds im Vergleich zum Index und welche Gründe spielen dabei eine Rolle?
Bei unseren Anlageentscheidungen sehen wir uns ausschließlich die Wachstumsperspektiven, das Risikoprofil und die Bewertung eines Unternehmens an. Die Länder- und Branchengewichtungen des Index spielen bei uns keinerlei Rolle. Wenn man sich das Portfolio ansieht, dann zeigt sich schnell, dass wir in der Gesundheitsbranche viele gute Ideen finden, die mit Innovationen Wachstum generieren, vom Rückenwind der alternden Bevölkerung profitieren, aber die auch in der Lage sind, durch hohe Markteintrittsbarrieren ihre gute Profitabilität gegen mögliche Wettbewerber zu verteidigen. Ähnliche Charakteristika finden wir auch bei einigen Unternehmen in der Technologiebranche vor, was die hohe Gewichtung in diesem Bereich erklärt. In der Finanz- und Rohstoffbranche tun wir uns dagegen sehr schwer, Unternehmen zu finden, die unserem Anlagestil entsprechen: Kriterien wie hohe Markteintrittsbarrieren, Preissetzungsmacht, regelmäßiges organisches Umsatzwachstum – das nicht zu stark von der Konjunktur abhängig ist – sind in diesen Branchen schwer zu finden.
Wo haben Sie in der letzten Zeit neue Investmentchancen entdeckt?
Wir haben jüngst in Safran investiert. Safran ist ein französisches Unternehmen, das Flugzeugmotoren und andere Flugzeugteile sowie -ausrüstung produziert, wie beispielsweise die Ausstattung der Kabinen. Das strukturelle Wachstum im Flugverkehr führt zu Auftragsbeständen von mehreren Jahren und aufgrund der hohen Sicherheitsstandards in der Flugbranche gibt es nur wenige Anbieter, die die wachsende Nachfrage erfüllen können.
Da Comgest ein Quality Growth Stock Picker ist, werden in Ihrem Fonds auch ESG-Kriterien berücksichtigt. Wie funktioniert das konkret?
ESG-Kriterien sind bei Comgest völlig in der fundamentalen Analyse und Bewertungsmethode integriert. Wir sind davon überzeugt, dass Unternehmen nur dann langfristiges Wachstum erzielen können, wenn sie gut kontrolliert sind und nicht nur finanzielles Kapital entlohnen, sondern auch mit Mitarbeitern, der Umwelt und der Gesellschaft konstruktiv zusammenarbeiten. Wenn dies nicht der Fall ist, dann gehen Unternehmen Risiken ein, die negative Konsequenzen für ihren Ruf, den Umsatz und die Gewinne haben könnten. ESG-Kriterien sind Bestandteil der Qualitätskriterien, die wir uns bei allen Anlagekandidaten genau ansehen. Wir meiden mit unserem langfristigen und auf Risikobegrenzung bedachten Anlagestil die Unternehmen, bei denen wir ernste Bedenken haben. Auch bei den Betrieben, die die Kriterien erfüllen, unterscheiden wir: Für die, die aus ESG-Sicht am besten sind, benutzen wir bei der Berechnung unseres Zielpreises einen geringeren Diskontsatz beziehungsweise erhöhen ihn bei unterdurchschnittlichen Unternehmen. Dies belohnt Unternehmen, die ESG-Kriterien bestens erfüllen und dadurch auch ein geringeres Anlagerisiko darstellen.
Worauf führen Sie die Outperformance gegenüber dem Index YTD und längerfristig zurück?
Die Performance des Fonds reflektiert die fundamentale Wertschöpfung der Unternehmen im Fonds. Viele europäische Unternehmen sind von der Konjunkturabschwächung, dem Handelskrieg und der politischen Unsicherheit wie beispielsweise Brexit betroffen. Die Positionen im Comgest Growth Europe Opportunities führen ihr stetiges, sehr dynamisches Gewinnwachstum fort. Dies haben sie auch in den letzten drei und fünf Jahren geschafft sowie deutlich besseres Gewinnwachstum als der Gesamtmarkt erzielt. Der wichtigste langfristige Treiber der Aktienkurse ist das Gewinnwachstum: Davon sind wir bei Comgest überzeugt und investieren ausschließlich in Unternehmen mit gut vorhersehbarem, starken Wachstum.
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