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Heike Arbter: „Anleger verstehen zunehmend, dass man nicht immer eine Vollkasko-Versicherung braucht”

BÖRSE EXPRESS: Sie sind seit 1997 in der RCB für den Bereich strukturierte Produkte zuständig. Wenn Sie sich zurückerinnern – was unterscheidet den strukturierte Produkte-Markt damals von heute?

HEIKE ARBTER: Damals gab es bei weitem nicht die Auswahl von heute – allein in Deutschland sind heute bis zu 1,5 Millionen Zertifikate an den Börsen gelistet – damals war es ein Bruchteil davon. Die Auswahl beschränkte sich auch auf viel weniger Basiswerte. Was es damals nicht gab, waren Hebel-Zertifikate: Turbo- und Faktor-Produkte. Auch Aktienanleihen gab es damals nur in der klassischen Form: Zinskupon fix, Nominale wenn der Kurs des Basiswerts über dem Ausübungspreis, das war meist der Startwert, lag. Heute gibt es zum Vorteil der Anleger viel mehr Möglichkeiten mit Teilschutzmechanismen zu investieren - dem Anleger steht eine neue Liga an Produkten zur Verfügung. 2001 haben wir in der RCB mit Garantieprodukten begonnen – diese sind nach wie vor das vorherrschende Thema – verglichen mit früher ist der extrem hohe Anteil aber zurück gegangen.

 

BÖRSE EXPRESS: Das bedeutet konkret in Zahlen?

HEIKE ARBTER: Vor 10 Jahren bestand der österreichische Markt zu 85 Prozent aus Garantiezertifikaten, heute sind es eher 60 Prozent.

 

BÖRSE EXPRESS: Diese fehlenden Prozent wanderten wohin?

HEIKE ARBTER: Vor allem in Teilschutz-Produkte. An sich korreliert diese Bewegung recht schön mit jener der Zinsentwicklung. Die Anleger verstehen zunehmend, dass man nicht immer eine Vollkasko-Versicherung braucht und mehr Ertragspotenzial mit weniger Schutz heben kann.

 

BÖRSE EXPRESS: Apropos Vollkasko-Mentalität: Sie sind seit nun drei Jahren auch Präsidentin des europäischen Dachverbands Eusipa. Wenn Sie Ihren Blick rundum schweifen lassen – wo sind Anleger der Kategorie strukturiertes Produkt gegenüber auf aufgeschlossensten, wo am skeptischsten?

HEIKE ARBTER: Insgesamt schätzen wir den Markt in den neun Eusipa-Mitgliedsländern auf 450 Milliarden Euro. In den nordischen Ländern und dem Benelux sind Hebel-Produkte sehr beliebt. In der DACH-Region sind es mehr die Anlage-Zertifikate.

Die beliebtesten Produktkategorien in Europa sind Teilschutz-Zertifikate, wie beispielsweise Express-Zertifikate auf den EuroStoxx 50, in der Schweiz genießen Aktienanleihen auf die eigenen hochkapitalisierten Aktien einen hohen Stellenwert – in Österreich haben, wie schon erwähnt, Produkte mit Kapitalschutz die Nase vorn.

 

BÖRSE EXPRESS: Kann man den Einsatz von Zertifikaten vielleicht auf den Portfolio-Anteil herunterbrechen?

HEIKE ARBTER: Gesamteuropäisch gibt es leider keine Zahlen, ich kann es nur für die RCB sagen, wo wir begonnen haben, solche Kennzahlen auszuwerten: In unseren Kernmärkten – Österreich und Osteuropa – liegt der Anteil von Zertifikaten in Anlage-Portfolios zwischen 5 und 15 Prozent. Je stärker die Bank im Wertpapiergeschäft aufgestellt ist, desto höher ist auch meist der Zertifikate-Anteil. In Österreich liegt er – trotz starkem Wachstums – eher am unteren Ende der Bandbreite. Wir sehen also durchaus noch Potenzial.

 

BÖRSE EXPRESS: Dann bleiben wir gleich in Österreich: Der Open Interest an strukturierten Produkten bei Privatanlegern lag zuletzt bei 14,3. Milliarden Euro. Etwa 60 Milliarden liegen in Retail-Tranchen von Fonds. Was glauben Sie ist für Zertifikate möglich – und gegen wen muss man denn da eigentlich ankämpfen, sprich wer ist die Konkurrenz – sind es Fonds oder das Sparbuch?

HEIKE ARBTER: Das größte Wachstumspotenzial sehe ich dort, wo die Anleger Instrumente besitzen, die negativ rentieren. Seien es Anleihen, die nach Abzug der Inflation die Nulllinie nicht mehr erreichen – oder erst recht Sparguthaben. Dort, wo für den Anleger real nichts mehr herausschaut.

 

BÖRSE EXPRESS: Aber das ist doch schon länger so und der große Run war bisher auch nicht da…

HEIKE ARBTER: Es ist auch ein schleichender Prozess, Anlegern beziehungsweise Sparern wird aber zunehmend bewusst, dass es mit diesen Produkten im aktuellen Zinsumfeld einfach nichts zu verdienen gibt. Schleichend, denn man hält ja noch alte Anleihen mit hohen Kuponås im Portfolio, die fallen aber mit deren Laufzeitende sukzessive weg: Es ist ein Prozess, der stetig schlimmer wird. Die Bareinlagen von etwa 220 Milliarden Euro sind im Vergleich zum in Fonds und Zertifikate veranlagten Volumen jedenfalls irrsinnig hoch.

 

BÖRSE EXPRESS: Apropos Fonds: Währung die Bank Austria immer wieder einen ihrer Fonds als Basiswert für ein strukturiertes Produkt verwendet, verzichtet Raiffeisen darauf. Warum?

HEIKE ARBTER: Teilweise gibt es diese Produkte als Private Placement – aber nicht im breiten Vertrieb. Warum? Wir wollen komplementäre Anbieter sein: die einen machen aktives Management, die anderen passive, optimierte Auszahlungsprofile. Wir in der RCB versuchen etwas zu machen, das über Fonds nicht abdeckbar ist.

 

BÖRSE EXPRESS: Nachdem Sie in den Vorstand der RCB berufen wurden, legten Sie den Vorstandvorsitz im Zertifikate Forum Austria nieder und wechselten in den Aufsichtsrat, als dessen Präsidentin Sie sofort gewählt wurden. Wie werden Sie dieses Amt anlegen? Was ist Ihnen bei Nachfolger Frank Weingarts als Vorstandsvorsitzenden wichtig, dass er im Auge behält? Und da Sie für ihn stimmten, wodurch eignet sich Herr Weingarts als Ihr Nachfolger?

HEIKE ARBTER: Frank Weingarts qualifiziert seine langjährige Geschäftserfahrung. Und er ist seit 2006 mit mir gemeinsam im Vorstand des Zertifikate Forum Austria. Eine Mischung aus Kontinuität mit neuen Ideen könnte ein gutes Motto sein. Im Endeffekt sind wir eine kleine Gemeinschaft, die ein gemeinsames Ziel hat: den Zertifikatemarkt weiterzuentwickeln.

 

BÖRSE EXPRESS: Bleiben wir bei der RCB: Mit Harald Kröger übernimmt ein Mann der Raiffeisen Bank International mit Ihnen den Vorstand, in dem bisher mit Wilhelm Celeda ebenfalls ein strukturierte-Produkte-ich-sage-Urgestein saß, der als Leiter Financial Institutions der RBI eher vom Risiko-Management kommt. Heißt das irgendetwas für die Ausrichtung der RCB?

HEIKE ARBTER: Nein. Wilhelm Celeda war für die Marktaktivitäten verantwortlich, das werde jetzt ich sein. Grundsätzlich ändert sich an der Ausrichtung der Bank als Kompetenzzentrum für Aktien und Zertifikate nichts.

 

BÖRSE EXPRESS: Wenn Sie sich das aktuelle Umfeld an den Kapitalmärkten ansehen – welche Art von strukturiertem Produkt würden Sie Anlegern warum besonders an Herz legen?

HEIKE ARBTER: Ich bin ein ganz großer Fan von Teilschutzprodukten: Weil wir bei der Bonus & Sicherheit-Serie die Barrieren sehr tief wählen und daher für eine gewisse Volatilität am Markt gut gerüstet sind, aber dennoch zusätzliches Ertragspotenzial aufgrund des Verzichts auf 100prozentigen Kapitalschutz bieten.

Und Express-Zertifikate, wo man je nach Basiswert zwischen fünf und zehn Prozent mit einem relativ überschaubaren Risiko erzielen kann.

 

BÖRSE EXPRESS: Vielleicht ein Angebot an klassische Sparbuchsparer – welches wäre Ihr klassisches Einstiegsprodukt in den Bereich strukturierte?

HEIKE ARBTER: Das erfolgreichste Produkt dabei ist das Kapitalschutzprodukt. Und es eröffnet immerhin die Chance darauf, etwas zu verdienen, im Gegensatz zum Sparbuch. Das ist eigentlich ein kleiner Schritt in den Veranlagungsbereich, der aber schöne Auswirkungen auf den Ertrag haben kann. Aktuell in Zeichnung ist beispielsweise das Garantie-Zertifikat Europa Nachhaltigkeits Bond 7: 100 Prozent Kapitalschutz und die Chance auf einen Ertrag von bis zu 36 Prozent mit dem Thema Nachhaltigkeit (mehr dazu hier) bei achtjährigen Laufzeit.

 

BÖRSE EXPRESS: Der nächste kleine Schritt würde dann wohin gehen?

HEIKE ARBTER: In die Bonus & Sicherheit-Serie. 3,05 Prozent Zinsen pro Jahr zahlt hier etwa unser Zeichnungsprodukt Europa/Global Bonus & Sicherheit. Und das bei einem Teilschutz gegen Kursverluste von unter 51 Prozent (mehr dazu hier).