Erste, Raiffeisen und Co - Abfahrer oder Gipfelstürmer?
Sie denken der Sprung vom Skisport zum Finanzmarkt ist ein großer? Falsch gedacht! Was muss passieren, damit sich Marcel Hirscher und Hermann Maier zusammen lachend vor eine Kamera begeben und den Eindruck erwecken, dass sie große Freunde sind? Um die Antwort auf diese Frage zu finden, muss man in den dritten Wiener Gemeindebezirk, in die direkte Nähe des Stadtparks schielen. Die Raiffeisenbank International (RBI) hat dort ihren Sitz und bringt in ihren Werbespots die nicht als beste Freunde verschrienen österreichischen Skilegenden regelmäßig zusammen. Am Donnerstag konnte man einmal mehr den direkten Zusammenhang zwischen der RBI und den besten Talfahrern ihrer Zeit deutlich erkennen. Innerhalb eines Tages büßte der Aktienkurs mehr als sechs 6 Prozent ein und gehörte damit zu den besten Abfahrern am österreichischen Aktienmarkt, trotz eines Mangels relevanter Unternehmensnachrichten. Am Mittwoch gab die RBI ihre vorläufigen Geschäftszahlen für das abgelaufene Geschäftsjahr bekannt, worauf der Markt leicht positiv reagierte. Der Gewinnzuwachs fiel etwas geringer als erwartet aus, jedoch ist dies vor allem auf Einmaleffekte aus der erstmaligen Anwendung der neuen Bilanzierungsnorm IFRS 9 und dem defizitären Verkauf der Polen-Tochter zurückzuführen. Die operativen Ergebnisse waren durchaus stark und nach einer anfänglichen Negativreaktion des Marktes schloss die Aktie am Mittwoch schlussendlich im Plus. Durch die negative Entwicklung am Donnerstag (schwacher Bankensektor!) gehört man jedoch heute vor Börseneröffnung zu einem von drei Aktienwerten des ATX, der eine negative YTD Performance aufweist (neben voestalpine und Telekom Austria).
Die RBI hatte es in letzter Zeit nicht gerade leicht. Wie der größte heimische Konkurrent (Erste Group) litt man zuletzt aufgrund der abenteuerlichen Steuerplänen der rumänischen Regierung. Wie wir bereits Anfang Jänner berichteten, führte Rumänien Ende Dezember 2018 in Rekordzeit eine neue Bankenabgabe ein. Seitdem ist es der rumänischen Regierung nicht gelungen mehr Licht ins Dunkel der sogenannten „Steuer auf Gier“ zu bringen. Nachdem zuerst eine Steuerlast von 0,3 Prozent pro Quartal kolportiert wurde (1,2% p.a.), gab es zuletzt wieder gegenläufige Signale bei der Bekanntgabe des Haushaltsbudget 2019, die auf eine geringere Steuerlast für die Banken hindeuten könnte. Die Unsicherheit und Unklarheit zur Höhe der endgültigen Zahlungen setzt sich somit fort! Innerhalb der letzten 5 Jahre mussten Investoren der RBI-Aktie insgesamt Verluste von 20 Prozent akzeptieren. Neben dem herausfordernden Zinsumfeld, drückten in den vergangen Jahren Probleme im Kernmarkt Russland und beim zuletzt abgestoßenen Geschäft in Polen auf die Ergebnisse.
Nicht nur bei der RBI waren die letzten Tage eher zum Vergessen, auch bei unseren deutschen Nachbarn musste der Bankensektor einige Rückschläge hinnehmen. Parallel zur RBI büßten die Deutsche Bank, sowie die Commerzbank am Donnerstag ebenfalls rund 6 Prozent ein. Bei der Deutsche Bank droht vor allem Ungemach aus den USA. Reuters berichtete, dass zwei Senatoren der Demokraten einen Antrag zur Untersuchung der Bank gestellt haben. Konkret geht es um mögliche Geldwäscheaktivitäten und die Verbindung der Bank zu US-Präsident Donald Trump, der hohe Schulden bei der DBK hat. Bei der Commerzbank waren Nachrichten eher Mangelware, weshalb man die erlebten Kursverluste wohl auf das bearische Sentiment im Bankensektor zurückführen kann. Außerdem veröffentlicht das Frankfurter Unternehmen am kommenden Donnerstag (14. Februar) seine Zahlen für das vierte Quartal, einige Investoren dürften hierzu nicht sehr positiv gestimmt sein.
Das zentrale Thema am deutschen Bankensektor ist jedoch derzeit die potenzielle Fusion zwischen der Deutschen Bank und der Commerzbank. Bei der Zahlenpräsentation zum Geschäftsjahr 2018 der Deutschen Bank vergangene Woche wiederholte Vorstandschef Christian Sewing gebetsmühlenartig, dass er zu dieser Thematik nichts sagen kann, nichts sagen will und nichts sagen wird. Die deutsche Politik, rund um Finanzminister Olaf Scholz übt jedenfalls Druck auf beide Parteien aus und will den Abschluss der Verhandlungen lieber heute als morgen sehen. Innerhalb der letzten fünf Jahre mussten Deutsche Bank Investoren einen Gesamtertrag von minus 74 Prozent verkraften. Neben dem für Banken schwierigen Niedrigzinsumfeld, reihte sich bei der Deutsche Bank gefühlt ein Skandal an den anderen. Auch für Commerzbank-Anleger lief es in diesem Zeitraum alles andere als rund, mit einem Gesamtertrag von minus 51 Prozent.
Sie denken schlimmer geht es nicht mehr? Falsch gedacht, zuletzt geriet der deutsche Technologie- und Finanzdienstleister mit Banklizenz Wirecard gehörig unter die Räder und büßte am Donnerstag 15 Prozent ein (12,5% am Freitag). Für das im Landkreis München ansässige Unternehmen stellten die letzten Tage und Wochen eine wilde Achterbahnfahrt dar. Die Financial Times erhob mittlerweile bereits zum dritten Mal die Vorwürfe der kriminellen Kontomanipulationen und der Fälschung von Dokumenten gegen Wirecard-Mitarbeiter in Singapur. Das Unternehmen bestreitet alle Vorwürfe und hat sich seinerseits an die Staatsanwaltschaft München gewandt und Klage gegen die Financial Times eingereicht. Die deutsche Finanzaufsicht Bafin überprüft derzeit, ob es sich um eine gezielte Attacke von Spekulanten handelt. Im 5-Jahreszeitraum zeigt Wirecard charttechnisch ein ganz anderes Bild als die klassischen Kreditinstitute auf. Zugegeben, die direkte Vergleichbarkeit ist aufgrund der unterschiedlichen Geschäftsmodelle nur bedingt zulässig, doch trotzdem ist die komplett konträre Entwicklung interessant zu beobachten. Trotz der deutlichen Verluste zuletzt konnte Wirecard für seine Investoren einen Gesamtertrag von 240 Prozent erwirtschaften, nachdem man im Herbst 2018 sogar kurzfristig die Marke von plus 500 Prozent überspringen konnte. Insgesamt ist die Geschichte von Wirecard eine Erfolgsstory. Seit 2017 konnte der Aktienkurs infolge eines beeindruckenden Ergebniswachstums kontinuierlich gesteigert werden. Die zuletzt erlittenen Rückschläge könnten sich je nach Ausgang des Gerichtsverfahren und der Auswertungsergebnisse der Bafin wieder in Luft auflösen, oder für gehörigen Wirbel sorgen. Bei dem aktuell rasanten Tempo bergab wäre es für den DSV durchaus eine Überlegung wert gewesen, die deutschen Banken und Finanzdienstleister noch kurzfristig für die Ski-Weltmeisterschaftsabfahrt anzumelden. So hätten sich die Medaillenchancen wohl drastisch erhöhen…