Werner Engelhardt: „Nicht zuletzt zeigt auch der Hype um Kryptowährungen, dass wir viel näher am Ende als am Anfang eines Bullenmarktes sind.“
Börse Express: Stehen die internationalen Börsen aktuell vor einer Korrektur? Oder steigen die Wahrscheinlichkeiten für einen Börsencrash?
Werner Engelhardt: „Crash“ ist ein großes Wort, aber ein Bärenmarkt ist inzwischen aus unserer Sicht das wahrscheinlichste mehrerer Szenarien. Dass die Bewertungen v.a. in den USA seit längerem ihren All-time-Highs entgegenstreben ist kein Geheimnis und wurde lange mit einem Achselzucken abgehakt. Gefährlicher sind m.E. die Margen, die inzwischen höher sind als zu jedem anderen Zeitpunkt in der Geschichte. Diese Kombination ist mittel- bis langfristig gefährlich. Das Pulverfass ist da. Das war aber so lange kein akutes Problem, als die technische Situation in Ordnung war.
Und hier ist seit wenigen Monaten der Wurm drin, damit ist auch die Lunte vorhanden. Märkte sind zu einem nicht zu unterschätzenden Teil nur massenpsychologisch zu erklären. Vor dem Hoch im Januar hatte der Markt viele Monate ungesund niedriger Volatilität hinter sich. Die Future-Positionierungen der typischen institutionellen Trendfolger erreichten an vielen Märkten immer extremere Maxima. Auch die Aktienquoten waren zuletzt auf dem Niveau der sehr späten 90er Jahre. Rekordhohes Konsumentenvertrauen und Sparquoten in der Nähe der Allzeit-Tiefs runden das Bild ab. Nicht zuletzt zeigt auch der Hype um Kryptowährungen, dass wir viel näher am Ende als am Anfang eines Bullenmarktes sind.
Nehmen Sie aktuell taktische Veränderungen in Ihrem Portfolio vor? Wenn ja welche?
Vor diesem Hintergrund haben wir ab Mitte Januar begonnen unser Portfolio defensiver aufzustellen. Als einer der größten Investoren in den beiden Lacuna Gesundheitsfonds sind meine Interessen eng mit denen unserer Anleger verbunden. Ich sehe es als Teil meiner Aufgabe an, das mir anvertraute Kapital so gut wie möglich durch alle Marktphasen zu bringen. Unser Ziel ist es nicht, den Index abzubilden – die aktive Quote im Lacuna Asia Pacific Health liegt zum Beispiel nahe an der 100%-Marke. Auch bei der Cash-Quote haben wir die nötigen Freiheiten. Und in außergewöhnlichen Situationen, wie zurzeit, sichern wir das Portfolio auch direkt ab.
Wie hoch schätzen Sie die Gefahren, die von einem möglichen Handelskrieg zwischen China und den USA ausgehen können, ein?
Woher genau der Funke kommen wird, kann man seriös nicht beantworten. Ein Handelskrieg ist eine Option – aber letztlich wäre er nur der Auslöser, das Problem liegt, wie beschrieben, tiefer. Im Falle eines Handelskrieges sehen wir in den Lacuna-Portfolios nur sehr überschaubare Risiken, da keines unserer amerikanischen und chinesischen Investments nennenswerte Handelsbeziehungen zu dem jeweils anderen Markt hat. Besonders die chinesischen Unternehmen sind sehr auf den Heimatmarkt ausgerichtet, was sie gerade für solche Szenarien sehr robust macht.
Wie schätzen Sie die Zinsszenarien ein und was bedeuteten steigende Zinsen für Ihr Portfolio?
Der Anleihemarkt in den USA hat im letzten Jahr wahrscheinlich einen mehr als 35-jährigen Bullenmarkt abgeschlossen. Der Anstieg auf nun rund 3% macht vielen Anlegern zu Recht Sorgen und mittelfristig weiter steigende Zinsen sind ein realistisches Szenario. Anleihen werden damit zunehmend zu einem ernstzunehmenden Wettbewerber um das Kapital von Anlegern, was durchaus eine Bedrohung für den Aktienmarkt darstellt. Wir sehen dem aber relativ gelassen entgegen. Einerseits ist Gesundheit einer der defensivsten Sektoren und hält sich in Zeiten fallender Märkte in der Regel sehr gut. Andererseits ist ein Großteil unserer Mittel in Asien investiert, einem Markt der nicht direkt an der Zinssituation im Westen hängt.
Welche Märkte und Branchen sind aus Ihrer Sicht aktuell eher unterbewertet?
Das sind nach rund 9 Jahren seit dem letzten großen Tief naturgemäß nicht viele. In den USA fällt die Auswahl am schwersten, eine Reihe von europäischen Märkten sehen schon etwas besser aus – allerdings sind diese technisch eng mit der Entwicklung des US-Marktes verbunden. Zurückgeblieben was die Kursentwicklung angeht sind im Wesentlichen die Emerging Markets. Und wer Russland, Brasilien, die Türkei und Südafrika aus nachvollziehbaren Gründen eher meiden möchte, landet sehr schnell bei einer Reihe von asiatischen Märkten. Eine im Vergleich zu Nordamerika und vor allem Europa weit positivere Demographie und ein enormes ökonomische Aufholpotenzial lassen viele der Märkte in einem völlig anderen Licht erscheinen. Niedrige Staats- und Konsumentenverschuldung ist die Regel und nicht die Ausnahme; auch die Bewertungen sind regelmäßig viel günstiger.
Aber wie sieht es mit dem Risiko in diesen Märkten aus?
Die Einschätzung, dass asiatische Märkte riskanter sind als europäische und vor allem nordamerikanische kann ich nur mit dem Blick in den Rückspiegel erklären. Das ist eines der großen Missverständnisse und der wohl größte Fehler in den allermeisten Portfolios. In einer Welt problematischer Aktien- und auch Immobilienmärkte in entwickelten Nationen, steigender Anleihezinsen und Nullzinsen am Geldmarkt kommt man mit rationaler Begründung an einer Übergewichtung asiatischer Titel gar nicht vorbei. Natürlich gibt es auch in dieser Region Branchen, die mittlerweile eine hohe „Temperatur“ haben. Langfristig mag das kein Problem sein, kurz- und mittelfristig würde ich auch hier eher auf defensive Branchen setzen, bei denen ein Konjunkturabschwung keine allzu großen Auswirkungen hat.
Wenn wir das auf Branchen runterbrechen?
Unternehmen der Branchen Versorger, Telekommunikation, Consumer Staples (Anm. Verbrauchsgüter) und Gesundheit sind hier die naheliegende Wahl. Allerdings sind besonders die ersten beiden sehr zinsempfindlich und typischerweise auch hoch verschuldet. Consumer Staples wiederum zählen zu den höchstbewerteten Unternehmen überhaupt. Im asiatischen Gesundheitsmarkt wird man hingegen fündig: Das Portfolio des Lacuna Asia Pacific Health besteht zu mehr als der Hälfte aus Titeln, die einen Rückgang von 30% bis zum Teil über 50% bereits hinter sich haben. Die Stimmung ist in diesen Fällen eher zurückhaltend bis negativ, die Zeiten überschwänglicher Phantasie liegt meist ein bis zwei Jahre zurück. Hinzu kommt, dass fast oder ganz schuldenfreie Bilanzen die Regel sind. Kollegen, die ausschließlich in Nordamerika und Europa investieren müssen, beneide ich nicht.
Eine Branche in die wir stark investiert haben ist der Pharmagroßhandel. Die Aktien der drei dominierenden US-Großhändler AmerisourceBergen, Cardinal Health und McKesson waren zuletzt mit KGVs um die 11 bewertet, was angesichts der oligopolartigen Marktposition und des extrem stabilen Geschäfts meines Erachtens viel zu günstig ist. Befürchtungen um einen Markteinstieg von Amazon bildeten den Hintergrund. Ich habe diese stets für übertrieben gehalten, da die drei Unternehmen bereits extrem effizient geführt sind und ich keine Wettbewerbsvorteile für Amazon in dem Markt sah. Vor einigen Tagen gab nun Amazon bekannt, seine Bemühungen in den Markt einzudringen, einzustellen. < Eine Branche in die wir stark investiert haben ist der Pharmagroßhandel. Die Aktien der drei dominierenden US-Großhändler AmerisourceBergen, Cardinal Health und McKesson waren zuletzt mit KGVs um die 11 bewertet, was angesichts der oligopolartigen Marktposition und des extrem stabilen Geschäfts meines Erachtens viel zu günstig ist. Befürchtungen um einen Markteinstieg von Amazon bildeten den Hintergrund. Ich habe diese stets für übertrieben gehalten, da die drei Unternehmen bereits extrem effizient geführt sind und ich keine Wettbewerbsvorteile für Amazon in dem Markt sah. Vor einigen Tagen gab nun Amazon bekannt, seine Bemühungen in den Markt einzudringen, einzustellen.