Haas: Gold 2.0?
Während außerhalb der Märkte eher die Zeit für Weihnachtsfeiern und Punschstände angebrochen ist, gibt es an den Weltbörsen noch vergleichsweise geschäftiges Treiben, quasi Adventsonntag am Christkindlmarkt vorm Wiener Rathaus. Über die Qualität der dabei jeweils verkauften Waren kann man da wie dort streiten, an der Börse können wir diese Meinung jedoch direkt in Taten umsetzen. Instrumente gibt es dafür zwar schon wie Sand am Meer, diese Woche sorgte jedoch ein Neuankömmling für einiges Aufsehen.
Die Rede ist natürlich von Bitcoin, das nun erstmals über einen Future an einer geregelten Börse gehandelt werden kann. Seitdem ist dieses Thema in praktisch allen Medien so ambivalent, dass wir uns an dieser Stelle eine große Einleitung sparen können, was grundsätzlich recht praktisch ist. Der Nachteil dabei ist jedoch, dass diese Diskussion zumeist sehr emotional geführt wird: Die einen sehen in Bitcoin den Heilsbringer, der uns vor der Willkür der Notenbanken rettet und eine ähnliche Rolle wie momentan Gold einnehmen wird. Die anderen (zu denen praktisch die gesamte „klassische“ Finanzkommune gehört) vergleichen es mit der Tulpenzwiebelblase im 17. Jahrhundert und warnt vor dem immanenten Kollaps.
Um hier gleich einiges an Dampf rauszunehmen sei vorab gesagt, dass jedem, der bisher Bitcoin gekauft hat, ganz einfach zu gratulieren ist. Der Preis ist phänomenal gestiegen und letztlich ist Erfolg beim Handeln dadurch definiert, dass am Ende des Tages mehr Geld im Börserl ist, als davor. Mit diesem Thema aus dem Weg geräumt können wir uns der eigentlich viel wichtigeren Frage widmen: Was ist Bitcoin eigentlich und wie geht’s weiter?
Eine große Erklärung der Blockchain sparen wir Ihnen an dieser Stelle, da sind andere deutlich kompetenter. Die Technologie beherbergt jedoch das Potenzial, eine Reihe von Industrien und Sektoren zu revolutionieren: Banken, Versicherungen, Handel, etc. Es gibt allerdings nicht nur eine Variante der Blockchain: Genauso wie es verschiedene Hunderassen gibt (manche zum Herden hüten, manche zum Lieb haben und manche, um sie in einer Handtasche spazieren zu tragen) gibt es verschiedene Arten von Blockchains. Die Einheiten dieser Chains sind die mittlerweile bekannten „Coins“ wie Bitcoin, Ethereum und noch ca. 400 andere mit teils exotischen Namen.
Bitcoin war hierbei vor allem insofern ein Vorreiter, als dass es sich um die erste weitverbreitete „Coin“ handelt. Aber wie bei allen Technologien gibt es mittlerweile Modelle, die in ihren jeweiligen Anwendungen besser und schneller sind, sozusagen Oldtimer gg. Ferrari. Der große Nachteil der „klassischen“ Bitcoins, auf die sich der Future bezieht und die die Medienberichterstattung dominieren, ist nämlich, dass sie langsam sind. Aufgrund der hohen Sicherheitsvorkehrungen (Verschlüsselung etc.) dauern einzeln Transaktionen vergleichsweise lang, im Schnitt momentan ca. 5 Minuten. Dass dies für eine breite Anwendung bspw. im Währungshandel, wo abertausende Transaktionen pro Minute stattfinden müssen, nicht geeignet ist, dürfte wohl auch den größten Enthusiasten klar sein. Das gleiche Argument gilt natürlich auch für eine breite Verwendung von Bitcoin für Transaktionen des täglichen Bedarfs. Bitcoin ist also ziemlich sicher keine Währung, denn der Hauptgrund für Währungen ist die Möglichkeit, sie jederzeit in Waren und Dienstleistungen zu tauschen (weswegen auch einige „klassische“ Münzwährungen streng genommen keine Währungen sind).
Bitcoin stellt aber auch mittlerweile kaum mehr den Anspruch, eine „echte“ Währung zu sein (der Begriff „Kryptowährungen“ ist insofern ein reiner Marketingschmäh, ähnlich dem „Seelachs“, was sich doch deutlich besser anhört als „Köhler“, oder?). Viel mehr wird es mit Gold verglichen und mit der langfristigen Werterhaltung argumentiert. Als eines der Hauptargumente wird dabei die begrenzte Verfügbarkeit von Bitcoin genannt. Denn immerhin gibt es nur eine begrenzte Anzahl von Bitcoins, im Gegensatz zu Papiergeld, dass man in geradezu schwindelerregender Geschwindigkeit produzieren kann, siehe EZB-Anleihekäufe, QE etc. Der Wert von Gold ist aber nicht nur bedingt durch seine Seltenheit (ansonsten müssten Palladium, Neon und eine Vielzahl anderer Stoffe deutlich teurer sein).
Ein Teil des Goldwertes ist sicherlich darauf zurückzuführen, dass das gelbe Metall seit Jahrtausenden als Schmuckstück und Zahlungsmittel Verwendung findet. Natürlich kann man über die Sinnhaftigkeit dieser Tatsache diskutieren, denn andere seltene Materialien als Zahlungsmittel würden auch ihre Vorteile haben (eine Geldbörse mit Graphen-Stücken könnte beispielsweise gleichzeitig als Kugelabwehr dienen und man hätte einen praktischen Wasserfilter immer dabei ;-)). Ist es realistisch, dass Bitcoin es als einziges Material neben Gold schafft, einen ähnlichen Status zu erlangen?
Gehen wir mal kurz davon aus, dass es wirklich eine Blockchain-basierte Technologie schafft, einen ähnlichen Status wie Gold zu erlangen oder dieses sogar zu ersetzen. Wenn man sich die Historie von neuen Technologien ansieht, stehen die Chancen nicht wirklich prickelnd, dass das unbedingt Bitcoin sein muss, denn von einer Vielzahl an Anbietern setzen sich oftmals nur einige wenige durch. Das müssen auch nicht immer unbedingt die Pioniere sein, oder sind sie schon mal in einem Flugzeug der Firma Gebrüder Wright & Co. geflogen?
Die ganze Sache erinnert ein bisschen an die Goldrauschzeiten in Kalifornien, als jeder einzelne Prospektor sicher war, dass die große Ader auf seinem Claim vorbeilaufen würde. Die wenigsten haben es wirklich geschafft, in einer Branche konnte jedoch fast jeder profitieren: Verkäufer von Schaufeln, Helmen und anderem Bergbauequipment. Das Mining von Bitcoin passiert hingegen nicht in kalifornischen Bergen und Schluchten sondern auf Grafikkarten von Nvidia, AMD und anderen. Wenn Sie also wirklich an die Zukunft der „Kryptowährungen“ glauben, sollten Sie sich vielleicht diese Firmen mal näher ansehen. Allerdings gilt auch hier das gleiche wie für Bitcoin selbst: Man steigt hier wohl kaum am Beginn der Reise ein…