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Jan Sobotta: „Erst Anpassungen im Banken und Techbereich“

BÖRSE EXPRESS: Swisscanto ist Pionier im Bereich nachhaltiger Anlagen. Schildern Sie uns bitte kurz die wichtigsten Prinzipien und Ansätze, die Swisscanto auf diesem Gebiet anwendet

JAN SOBOTTA: Swisscanto Invest engagiert sich seit Langem auf dem Gebiet der nachhaltigen Anlagen und hat 1998 die ersten nachhaltigen Anlagefonds lanciert. Ein spezialisiertes Nachhaltigkeitsteam befasst sich eingehend mit der Analyse und Auswahl von Titeln. Im Bereich Nachhaltigkeit orientiert sich Swisscanto Invest an verschiedenen Ansätzen zugleich: 1.) ESG Integration: Hierbei verstehen wir alle Ansätze, die ökologische (E), soziale (S) sowie Governance-Faktoren (G) in die klassische Finanzanalyse einbeziehen und die sich daraus ergebenden Chancen und Risiken für bessere Anlageentscheide nutzen. Swisscanto Invest integriert konsequent ESG-Faktoren in den allgemeinen, fundamentalen Anlageprozess. 2.) Ausschlusskriterien: Die Verursacher der größten globalen anthropogenen ökologischen oder gesellschaftlichen Risiken werden bei den nachhaltigen Anlageprodukten konsequent ausgeschlossen. Dabei gilt eine Null-Prozent-Toleranz beim Umsatzanteil, inklusive Tochtergesellschaften. Ausschlusskriterien werden von den Nachhaltigkeitsspezialisten von Swisscanto Invest für Aktivitäten definiert, bei denen die Beziehung zwischen Ursache und Wirkung unmittelbar und klar erkennbar ist (z.B. Herstellung ozonabbauender Substanzen). 3.) Sustainability Impact: Einen Sustainability-Impact haben gemäß Swisscanto Invest Unternehmen, die mit ihren Produkten, Dienstleistungen oder Herstellungsmethoden zu einer nachhaltigen Entwicklung gemäß den Sustainable Development Goals der UNO beitragen. Bei der Sustainability Impact Analyse stellen die Nachhaltigkeitsanalysten für jeden Titel den gesellschaftlichen Nutzen des Unternehmens in Bezug auf relevante Nachhaltigkeitsprobleme fest.

BÖRSE EXPRESS: Beim Swisscanto Portfolio Fund Green Invest Equity geht es vor allem um Impact-Investing. Wie erzielen Unternehmen einen Sustainability-Impact und wie erwirtschaften Sie damit Rendite?

JAN SOBOTTA: Nachhaltiges Unternehmertum ist nicht nur die Optimierung von Produktionsprozessen oder die Erfüllung von gesetzlichen Auflagen und sozialen Standards. Es geht vielmehr auch um die Frage, welche Entwicklungen von unternehmerischen Aktivitäten angestoßen werden, und um die Fähigkeit der Unternehmen, die erforderlichen Veränderungen umzusetzen. Ein Beispiel ist die Energiewende, die den Ersatz fossiler Energieträger durch erneuerbare Energien und Energieeffizienz bezweckt. Nicht nachhaltige Produktionsprozesse oder Produkte müssen aufgegeben und dafür neue geschaffen werden. Nachhaltige Unternehmen nutzen ihre Innovationskraft, um umwelt- und sozialverträgliche Produkte oder Dienstleistungen zu schaffen. Swisscanto Invest ist überzeugt, dass nachhaltige Unternehmen, die einen gesellschaftlichen Nutzen erbringen, erfolgreicher sind, da sie über Produkte und Dienstleistungen verfügen, die mittelfristig überdurchschnittlich nachgefragt werden. Wenn die Unternehmen zudem über Eintrittsbarrieren vor Wettbewerbern geschützt sind, können sie profitabel wachsen. Eine günstige Bewertung im Verhältnis zu ihrer Kapitalrentabilität und ihrem Wachstum macht die Unternehmen schließlich zu einem attraktiven Investment.

BÖRSE EXPRESS: Swisscanto hat folgende Investmentbereiche erarbeitet, die zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen: Energie, Mobilität, Ressourcen, Gesundheit, Finanzen und Wissen. Warum haben Sie gerade diese sechs ausgewählt?

JAN SOBOTTA: Diese sechs Investmentbereiche verfügen unserer Meinung nach über die besten Aussichten, um zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen. So kennzeichnet sich die Erzeugung aus erneuerbaren Energien im Normalfall durch keine bis geringe operative Kosten für die Nutzung der Energiequellen aus, belastet die Umwelt deutlich weniger als konventionelle Anlagen und weist oft dezentralen Charakter auf. Weitere Lösungsbeiträge für gesellschaftliche Nachhaltigkeitsprobleme lassen sich ebenso für die übrigen Investmentbereiche beschreiben.

BÖRSE EXPRESS: Welche davon sind schwerpunktmäßig im Portfolio des Fonds enthalten und warum?

JAN SOBOTTA: Sämtliche Investmentbereiche sind im Portfolio des Fonds stark vertreten. Größeres Exposure erfährt derzeit das Thema Ressourcen. Falls die globale Wirtschaftsleistung auch in Zukunft mit rund 3,5 Prozent pro Jahr wächst, verdoppelt sich auch der Ressourcenverbrauch alle 20 Jahre. Dieses Wachstumsdilemma kann nur durch die absolute Entkoppelung von Wirtschaftsleistung und Ressourcenverbrauch gelöst werden. Das Wirtschaftswachstum gilt als vom Ressourcenverbrauch entkoppelt, wenn die Steigerung der Ressourceneffizienz größer ist als das Wirtschaftswachstum. Folgerichtig ist die Ressourceneffizienz ein zentrales ökologisches Kriterium bei der Selektion von Titeln für nachhaltige Fonds. Attraktiv sind Unternehmen, die durch Substitute oder Recycling den Ressourcenverbrauch minimieren.

BÖRSE EXPRESS: Welchen Prozess durchlaufen die Titel - vom Anlageuniversum über das nachhaltige Anlageuniversum bis zum nachhaltigen Aktienportfolio?

JAN SOBOTTA: Sämtliche Titel im Anlageuniversum durchlaufen einen strengen Bewertungs- und Nachhaltigkeitsfilter. Der Screening-Fokus liegt zuerst auf Unternehmen mit attraktiver Bewertung in Relation zur Kapitalrendite (ROIC) und mit einem attraktiven Nachhaltigkeitsranking unter Berücksichtigung der Ausschlusskriterien. Anschließend findet die Sustainability Impact-Analyse sowie die fundamentale Finanzanalyse statt. Ausgewählte Unternehmen, die sich während dieses Prozesses besonders auszeichnen, finden schließlich Eingang in die Portfoliokonstruktion.

BÖRSE EXPRESS: Welchen Stellenwert in der Entscheidungsfindung hat die Medienrecherche und wie läuft diese ab?

JAN SOBOTTA: Die Medienrecherche ist Teil der Nachhaltigkeitsanalyse. Hierunter verstehen wir die kontinuierliche Überwachung unabhängiger Drittquellen wie Printmedien, Nichtregierungsorganisationen, Newsletter, staatliche Stellen und Blogs. Eine Datenbank für Presse, Unternehmens- und Wirtschaftsinformationen mit 30.000 Quellen aus 200 Ländern in 26 Sprachen bietet uns darüber hinaus die Möglichkeit zur vertieften Analyse

BÖRSE EXPRESS: Wie bringt sich der Nachhaltigkeitsbeirat in den Analyse-Prozess ein und wer sind seine Mitglieder?

JAN SOBOTTA: Die Mitglieder sind Elvira Bieri, Vorsitz (Managing Director der SGS Société Générale de Surveillance SA), Paola Ghillani (Inhaberin Paola Ghillani & Friends, Beratungsfirma im Bereich Unternehmensstrategie und -führung und nachhaltige Entwicklung), Prof. Dr. Thomas Stocker (Professor für Klima- und Umweltphysik, Universität Bern) und Prof. Werner Aeschbach (Professor, Institute of Environmental Physics, University of Heidelberg). Diese vier ausgewiesenen Spezialisten im Bereich der Nachhaltigkeit treffen sich vierteljährlich und sind hier, um die konzeptionelle Weiterentwicklung des Anlageprozess zu unterstützen, die Erfüllung der Ausschlusskriterien sicher zu stellen und das nachhaltige Anlageuniversum zu überprüfen.

BÖRSE EXPRESS: Mussten Sie in den letzten Monaten Desinvestments durchführen, weil eine Verschlechterung im Status ihres Sustainability-Impacts eingetreten ist?

JAN SOBOTTA: Nein, wir mussten keine Desinvestments durchführen, haben aber Firmen aus dem Portfolio ersetzt mit Firmen, die einen höheren Sustainability Impact aufweisen. Wir haben z.B. Borgwarner verkauft und mit dem Unternehmen Delphi ersetzt. Borgwarner macht den Verbrennungsmotor effizienter, Delphi hingegen ermöglicht die Elektromobilität und das autonome Fahren. Damit hat Delphi gemäß unserer Analyse den höheren Sustainability Impact.

BÖRSE EXPRESS: Abgesehen vom Nachhaltigkeits-Aspekt, wie beeinflussen aktuelle Risiken an den Märkten den Investment-Prozess beim Swisscanto Portfolio Fund Green Invest Equity?

JAN SOBOTTA: Aktuell steht im Fokus, wie sich die Normalisierung der Notenbankpolitik auf die globale Wirtschaft und die Zinsentwicklung auswirken wird. Dies wird maßgeblich die Entwicklung der Aktien im Fonds beeinflussen. In Antizipation auf höhere Zinsen, haben wir bereits erste Anpassungen im Banken und Technologiesektor gemacht.