Haas: Nullsummenspiel?
Trotz des heimischen Feiertages zur Wochenmitte ist es wohl nicht übertrieben zu behaupten, dass die abgelaufene Handelswoche mehr Nachrichten lieferte, als der Rest des Monats gemeinsam. Dabei war für alle was dabei: Die „Makro-Auguren“ konnten sich über eine neue EZB-Meldung freuen (wobei sich jedoch der Überraschungsgehalt in Grenzen hielt). Auf Unternehmen fokussierte Charaktere können sich tief in eine Vielzahl an Daten aus der US-Berichtsaison graben, während am heimischen Markt das lange antizipierte Bawag-IPO für Wellen sorgte.
Um trotz des aktuellen Wetters bei der Wasser-Analogie zu bleiben muss man letzteres wohl als klassischen Bauchfleck bezeichnen. Das drittgrößte IPO in Europa in diesem Jahr (und das größte in der Geschichte des ATX überhaupt) konnte trotz prominentester Unterstützung nicht wirklich überzeugen, bereits am Debuttag gab es ein Minus von über 3%. Am heimischen Markt hatte sich die Begeisterung bereits im Vorfeld in Grenzen gehalten: Die Aktie wurde vielfach als zu teuer kritisiert und auch die aggressive Wachstumsstrategie dürfte einigen Anlegern als zu ambitioniert erscheinen. Das ändert nichts daran, dass die Aktie aufgrund ihrer Größe mit vergangenen Freitag in den ATX wechselte und dort RHI ersetzte, die ja bekanntlich nach London wechselte (inklusive Zusammenschluss und Verlegung des Sitzes in die Niederlande). Hoffen wir, dass die Bawag-Aktie bald ihren ersten positiven Tag verbuchen kann, momentan sieht es wohl danach aus, als ob wir uns noch gedulden müssen…
Geduld brauchen momentan auch diejenigen Anleger, die auf Rücksetzer warten um (wieder) einsteigen zu können. Sollte bis zum Ende des Monats nichts Dramatisches mehr passieren, dürfte der Oktober wohl als ruhigster Monat der modernen Zeit in die Börsegeschichte eingehen. Der letzte Rücksetzer von über 3% ist mittlerweile gar über 260 Tage her. Die letzte ähnlich lange Strecke gab es zuletzt in der Zeit nach der großen Depression (nein, nicht die Finanzkrise von 2007, die ECHTE Depression der 30er Jahre). Alles gut, aber auch ein bisschen fad, möchte man meinen, denn immerhin halten sich die Aufwärtsbewegungen trotz dieser Rücksetzer ebenfalls in Grenzen (zumindest international, Österreich ist hier ausnahmsweise die positive Ausnahme).
Sieht man sich die einzelnen Unternehmen an, fällt jedoch schnell auf, dass eine oberflächliche Betrachtung der Indices hier ein komplett falsches Bild vermittelt. Die Reaktionen auf die jüngsten Veröffentlichungen der Berichtssaison sprechen hier eine eindeutige Sprache. Amazon, immerhin eine der größten Firmen der Welt mit einer Marktkapitalisierung von ca. 470 Mrd. US-Dollar (was knapp 5x dem GESAMTEN ATX entspricht), legte fantastische Ergebnisse vor, die Aktie war vorbörslich um knapp 8% höher indiziert. Momentan sieht es so aus, als ob auch die Google-Mutter Alphabet und Microsoft ähnliche Sprünge vollführen, auch hier konnten die Ergebnisse Donnerstag nachbörslich positiv überraschen. In Österreich sorgte die in der Schweiz notiert ams für Furore, die Aktie konnte nach einem starken Ausblick innerhalb eines Tages um über 20% zulegen.
Dass es auch schnell in die andere Richtung gehen kann mussten die Aktionäre des bekannten Spielwarenherstellers Hasbro feststellen. Nachdem mit Toys`R`Us einer der Hauptkunden kurz vor dem Weihnachtsgeschäft Insolvenz anmeldete wurde der Ausblick deutlich gestutzt. Enttäuschungen wie diese sind aber relativ rar momentan, insgesamt verläuft die Berichtsaison bisher recht erfreulich. Vor allem zyklische Unternehmen - vom Mischkonzern 3M über den Baumaschinenhersteller Caterpillar bis hin zur heimischen Palfinger - konnten gute Ergebnisse vorlegen. Darüber hinaus war der Ausblick der Firmen zumeist optimistisch, was auf eine weitere Beschleunigung des Wachstums im neuen Jahr hindeuten könnte. Vor allem die Baubranche in China lechzt derzeit geradezu nach Materialien und Maschinen, die Wachstumsrate soll hier laut einigen Unternehmen 30-40% ggü. dem Vorjahr betragen!
Diese Entwicklung führt derzeit zu einer starken Sektorrotation: Zykliker werden gesucht, da die Investoren nach einigen mageren Jahren von einem deutlichen Anstieg der Ergebnisse ausgehen. Da aber nicht viel neues Geld in den Markt fließen dürfte, müssen Aktien verkauft werden, um das nötige Kleingeld für diese Investments zu generieren. Dabei werden klassischerweise die stabilen, faden Unternehmen, die auch in schlechten Zeiten gutes Geld verdienen, zur Kasse gemacht. Dazu zählen unter anderem die Konsumgüterhersteller, Pharmawerte, aber auch Versorger, also die klassischen „defensiven Werte“.
Wie lange diese Rotation anhält ist natürlich schwer zu sagen, denn ein Vorteil der Zykliker ist, dass sie dank der stark steigenden Ergebnisse auch weiterhin oftmals nicht wirklich als teuer erscheinen. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass es hier sehr schnell auch in die andere Richtung gehen kann. Die einzige effektive Verteidigung dagegen ist wohl ein ausgewogenes Portfolio, das man aktiv betreut. Denn die Bewegungen haben es trotz der anscheinenden Ruhe in sich…