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Mattia Nocera: „Eines unserer wichtigsten Investmentthemen ist Bildung

BÖRSE EXPRESS: Die makroökonomische und Top-Down-Analyse ist für Ihren Fonds entscheidend, vor allem was die Auswahl der Investment-Themen anbelangt. In welchen Märkten Greater Chinas sehen Sie hier die größten Chancen für die Zukunft?

MATTIA NOCERA: Die interessantesten Themen sind: 1.) Konsumwachstum wobei insbesondere jüngere Menschen qualitativ höherwertige Güter und Dienstleistungen (z.B. Tourismus) begehren. 2.) Modernisierung im Fertigungssektor (Automatisierung und Digitalisierung), die chinesische Industrieunternehmen zur globalen Marktführerpositionen führt. 3.) Medien- und Internetunternehmen: China ist heute führend in vielen Internetbereichen (Zahlungsdienstleistungen, soziale Medien sowie künstliche Intelligenz).

BÖRSE EXPRESS: Für die Auswahl der Aktien für Ihren Fonds spielt aber auch die Bottom-Up Analyse bzw. das Stock-Picking eine große Rolle. Wie gehen Sie hier genau vor?

MATTIA NOCERA: Der Fonds verwendet eine Kombination von Bottom-Up und Top-Down Analyse. In der Analyse von Unternehmen werden auch Private Equity-Bewertungsmethoden verwendet. Wir konzentrieren uns auf Unternehmen mit starkem Wachstumspotenzial, hohen Eintrittsbarrieren, gutem Track Record, soliden Bilanzen, motiviertem Management, großen Wettbewerbsvorteilen sowie attraktiven Bewertungen. Typischerweise handelt es sich dabei um Marktführer in ihrem Segment.

BÖRSE EXPRESS: Konnten Sie uns bitte die derzeit fünf größten Aktien-Positionen im Fonds näher erläutern?

MATTIA NOCERA: Eines unserer wichtigsten Investmentthemen ist Bildung. Der Fonds ist in TAL Education (TAL) und New Oriental Education (EDU) investiert. Der Umsatz (2016) im gesamten chinesischen Bildungsbereich wird auf 500 Milliarden US-Dollar geschätzt. Der Markt ist noch sehr fragmentiert. TAL und EDU sind die einzigen Unternehmen mit einer nationalen Präsenz, vertreten in den meisten Tier 1- und Tier 2-Städten. Zusammen haben sie einen Marktanteil von nur 2,5 Prozent. Es besteht daher noch viel Phantasie für Konsolidierung und Wachstum. Geely Auto hat enorm vom Erwerb von Volvo profitiert. Entgegen vielen Prophezeiungen wurde Volvo nicht zerschlagen und nach China verlegt sondern den Ingenieuren wurde freie Hand in der Entwicklung neuer Modelle gelassen. Vor der Übernahme im Jahr 2010 produzierte Geely 330.000 Autos, etwa dieselbe Anzahl wie die angeschlagene Volvo Group. Letztes Jahr verkaufte Geely etwa 1,3 Millionen Fahrzeuge weltweit wobei 766.000 von Geely und 534.000 von Volvo produziert wurden. Geely plant bis 2020 einen jährlichen Absatz von zwei Millionen Fahrzeugen sowie zusätzlich 800.000 Volvos. Bei Tencent sind wir zuversichtlich, dass das Internet-Unternehmen auch weiterhin starkes Wachstum zeigen wird. Produkte wie das Mobiltelefonspiel „King of Horner“ und das PC Spiel „Legend of Legendary“ generieren stabilen Cash-Flow während das WeChat Ecosystem mit über 700 Millionen monatlichen aktiven Benützern enormes Ertragspotenzial hat. Das Zahlungssystem, das Cloud Segment, Video Streaming sowie der Musikbereich weisen ebenfalls starkes Wachstum auf. SITC schließlich ist einer der führenden asiatischen Logistikkonzerne, der integrierte Transport- und Logistik-Lösungen anbietet. Das Unternehmen profitiert von steigendem Handelsvolumen. Chinas Außenhandelsbilanz ist in den letzten zehn Jahren um ein sechsfaches gestiegen und sollte mit der „Wiederbelebung der Seidenstraße“ auch weiterhin wachsen.

BÖRSE EXPRESS: Mehr als 75 Prozent sind in chinesischen Verbraucheraktien investiert. Worauf basiert Ihre optimistische Einschätzung für diesen Sektor?

MATTIA NOCERA: Auf der demographischen Entwicklung. Der Washingtoner Think Tank Brookings Institution geht davon aus, dass die Mittelschicht in Asien sich bis zum Jahr 2025 auf 2,8 Milliarden Menschen nahezu verdoppeln wird. Die wachsende Mittelschicht beansprucht höherwertige Güter und Dienstleistungen, eine Entwicklung, die die industrielle Modernisierung und technologische Revolution in China vorantreibt. Alles was damit in Verbindung steht, wird langfristig davon profitieren. Unternehmen im Internetbereich, Dienstleistungssektor sowie hochprofessionelle Software/Hardware-Anbieter sollten die größten Nutznießer dieser Entwicklung sein.

BÖRSE EXPRESS: Bei einigen Fondsmanagern ist die Sicht auf das Reich der Mitte skeptischer, weil ihnen Chinas Verschuldung Sorgen bereitet. Wie stehen Sie zu diesem Thema?

MATTIA NOCERA: Der Verschuldungsgrad Chinas ist unbestritten hoch. Allerdings ist der Großteil der Schulden in chinesischen Händen und in Renminbi. Die chinesische Regierung befasst sich intensiv damit, die Schulden in den Griff zu bekommen und hat auch die Mittel, ihre Währung unter Kontrolle zu halten. In letzter Zeit konnten wir eine deutliche Verbesserung in der Entwicklung von ausfallgefährdeten Bankkrediten sowie einen Anstieg in den Gewinnen staatlicher Unternehmen feststellen. Erwähnenswert ist auch, dass die chinesische Zentralbank einen Mindestreservesatz (Zentralbankeinlagen des Bankensektors in Prozent der Kundeneinlagen und anderer Verbindlichkeiten) von 17 Prozent verlangt, der damit weit über den Anforderungen anderer Zentralbanken liegt. Relativ gesehen und dank des starken Wirtschaftswachstums ist China - im Hinblick auf die Verschuldung - nicht das große Problem.

BÖRSE EXPRESS: Wo sehen Sie die größten Risiken für Chinas wirtschaftliche Zukunft und die der Börse?

MATTIA NOCERA: Chinas wirtschaftliche Risiken sind interner und externer Natur. Intern sind es die Zweifel daran, ob das Land weiterhin Währungs- und Kapitalbewegungen kontrollieren kann. Als China den Renminbi im zweiten Halbjahr 2016 abwertete, wurde das weithin als eine Krise beurteilt, der Markt fand jedoch bald wieder einen Halt. Obwohl der Renminbi jetzt wieder relativ stabil ist, hat sich die Kaufkraft verschlechtert, da ausländische Investoren sehr wenig Renminbi halten. Die Intervention im CNH (offshore Renminbi) zu Beginn des Jahres hat sich als effizient erwiesen, Spekulanten mit Short Positionen in der Währung aus dem Markt zu verdrängen. Das Vertrauen der Anleger wurde dadurch allerdings etwas beeinträchtigt.

Extern sind die gefährlichsten Risiken globale politische Entwicklungen. Die größten Nutznießer der Globalisierung werden die größten Opfer von Antiglobalisierungsmaßnahmen sein. Ein Handelskrieg würde China beeinträchtigen aber auch die meisten anderen Länder. Spannungen mit Nordkorea und im südchinesischen Meer sind ebenfalls besorgniserregend, allerdings ist die Gefahr einer Eskalation des Konflikts relativ gering.

BÖRSE EXPRESS: Wie sieht Ihre derzeitige strategische Liquiditäts- und Absicherungssteuerung aufgrund der makroökonomischen Analyse aus?

MATTIA NOCERA: Der Fonds ist derzeit voll investiert, hat aber die Möglichkeit, die Marktgewichtung zu reduzieren und in Cash zu veranlagen, sollte das Umfeld dies rechtfertigen. Die Unternehmen, in die der Fonds investiert ist, haben eine hohe Eigenkapitalrendite und sehr geringe Schulden. Gegenwärtig hält der Fonds keine Aktien im Banken oder Versicherungssektor.


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