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Andreas Pfneiszl: Es ist Zeit, zu wachsen

BÖRSE EXPRESS: RHI und Rath sind im Feuerfestbereich tätig – was ist der Unterschied, außer dass RHI in etwa um den Faktor 20 größer ist?

ANDREAS PFNEISZL: Der größte Unterschied ist der Ausgangsstoff – Magnesit. Die RHI produziert und bietet im Wesentlichen die Produkte auf Basis Magnesit an, während wir Feuerfest-Produkte ohne Magnesit produzieren und verkaufen. Die RHI ist Weltmarktführer bei Zustellungen von Feuerfestauskleidungen auf magnesitischer Basis z.B. für Hochöfen. Wir sind ebenfalls in der Stahlindustrie beheimatet, jedoch eher im Bereich Schmiedöfen/Glühöfen, etc. In diesen Öfen wird mehr auf Wärmedämmung wertgelegt. Daher ist da auch unser Produktportfolio gefragt – Feuerleichtsteine, Hochtemperaturwolle, feuerfeste Betone und/oder auch feuerfeste Bauteile.

BÖRSE EXPRESS: Welche Anwendungen werden durch Rath zugestellt?

ANDREAS PFNEISZL: Zum einen die erwähnten Schmiedeöfen, Glühöfen, Sinteröfen. In diesen werden Getriebeteile für Automobile, Flugzeugteile für Airbus, Boeing aber auch Laboröfen gebrannt, hier gehört die Rath Gruppe zu den führenden europäischen Feuerfestanbietern. Die Laboröfen werden u.a. für Zahntechniklabore aber auch für Universitätslabore eingesetzt. Die Rath Gruppe liefert auch die feuerfeste Auskleidung über einen amerikanischen Kunden für die Erzeugung des Gorilla-Glas, dieses kennen wir als Handy- oder Tablettglas. Im Bereich der Produktion von Holzfaserplatten, MDF, ist die Rath Gruppe ebenfalls unter den Top 3 Anbietern in Europa. Wir liefern hier die Öfen für die thermische Rückgewinnung.

BÖRSE EXPRESS: … das ist ein Bereich, in den ich Andritz auch zuordnen würde…

ANDREAS PFNEISZL: Mit Andritz arbeiten wir im Bereich Metals und Pulp immer wieder zusammen, bauen gemeinsam Öfen. Lassen Sie mich aber noch einen Anwendungsbereich aufzeigen: Titanoxid, der Grundrohstoff für die Farbe Weiß - für Firmen wie DuPont, Tronox, Crystal liefern wir weltweit die Öfen.

BÖRSE EXPRESS: Sie verwenden hier dann sicher gern das Schlagwort: „Klasse statt Masse“

ANDREAS PFNEISZL: Wir sind ein Nischenplayer, aber in der Nische oft Marktführer. Die Masse ist nicht unser Metier. Wir haben aber auch nicht DAS Produkt - das Produkt der Firma Rath ist die Gesamtlösung.

BÖRSE EXPRESS: Wie sieht es mit der Innovationskraft in einem doch eher kleineren Unternehmen aus?

ANDREAS PFNEISZL: Unser klassisches, eigentlich unser Ursprungsprodukt ist die Schamotte-Produktion, der klassische Kachelofen als Grundofen. Hier erzielen wir aber nur noch knapp zehn Prozent des Umsatzes. Wir müssen also zumindest anpassungsfähig sein.

Eine unserer jüngsten Produktgruppen ist SiC – nitridgebundenes Silizium Carbid, das wir seit 2015 produzieren. Solche Siliziumkarbid-Platten sind extrem resistent und kommen etwa in Müllverbrennungsanlagen zum Einsatz, zum Beispiel in Arnoldstein, Düsseldorf, etc.

BÖRSE EXPRESS: Vor rund vier Jahren haben sich die Familie und Hauptaktionär Rath entschieden, das Management in externe Hände zu legen. Was ist aus Ihrer Sicht die wichtigste Veränderung im Unternehmen?

ANDREAS PFNEISZL: Es ist weniger Umsatz, sondern mehr Rentabilität der Maßstab – aber immer unter der Prämisse der Nachhaltigkeit. In einer konservativen Branche ist es nicht einfach, Veränderungen herbeizuführen, den Blick vom gewohnten Weg auch abschweifen zu lassen. Mein Kollege Jörg Sitzenfrey und ich hatten aber das Glück, hier begeisterungsfähige Mitarbeiter vorzufinden, was die Sache einfacher macht.

Dieser Blick über den Tellerrand hinaus brachte uns auch ein weiteres, neues Geschäftsfeld: Heißgasfiltration. Vereinfacht gesagt wird dieses Verfahren etwa in der Kalk-, Zement- sowie der Glas- und Chemieindustrie eingesetzt, um Umweltauflagen für die am Ende des Tages ausgestoßenen Schadstoffe einzuhalten. Für die Herstellung dieser Heißgasfiltrationselemente braucht es einen Rohstoff: Hochtemperaturfasern, die wir in unserem Werk in Mönchengladbach herstellen, Mittlerweile sind wir der einzige Anbieter, der Heißgasfiltrationselemente am Stück mit einer Länge bis zu 4,5 Meter herstellen kann. Dank innovativer Verbindungstechniken auch darüber hinaus, also bis zu sechs Metern. Und wir werden zusätzlich zur aktuell nichtkatalytischen Variante auch eine katalytische auf den Markt bringen – damit ist dann auch die Rückgewinnung von Reststoffen möglich.

Mittlerweile sage ich, dass wir in diesem Bereich einen Technologievorsprung von drei bis fünf Jahren haben. Und alles begann mit Gesprächen unter Mitarbeitern.

BÖRSE EXPRESS: Ab wann sprechen Sie eigentlich von einem Großauftrag?

ANDREAS PFNEISZL: Das beginnt bei uns bei 500.000 Euro und sind in der Regel Projekte.

BÖRSE EXPRESS: Welcher Anteil am Gesamtumsatz kommt aus dem Projektgeschäft?

ANDREAS PFNEISZL: Rund 20 bis 21 Millionen der insgesamt rund 80 Millionen sind Projektgeschäft, das sehr volatil ist.

BÖRSE EXPRESS: Das Umfeld für Sie im aktuellen Jahr gestaltet sich bis dato wie?

ANDREAS PFNEISZL: Anfang des Jahres wurde verhalten gestartet, seit April kommt sukzessive verstärkt Nachfrage herein.

BÖRSE EXPRESS: Sie erwähnten zuvor als wichtige Neuprodukte die Heißgasfiltration sowie nitridgebundene Feuerfestplatten. Was für ein Umsatzpotenzial erwarten Sie daraus?

ANDREAS PFNEISZL: Ziel für heuer sind in Summe zwei Millionen Euro. 2020 könnten das sechs bis sieben Millionen sein.

BÖRSE EXPRESS: Beim Blick auf Ihre Zahlen fällt auf, dass Sie beim Working Capital im Verhältnis zum Umsatz mit 40 Prozent einen extrem hohen Wert aufweisen

ANDREAS PFNEISZL: Diesen Wert nach unten zu bringen, steht bei uns in den kommenden drei Jahren im Fokus. Bei dieser Kennzahl sind wir einfach nicht gut – 35 Prozent sind realistisch, 30 sportlich.

BÖRSE EXPRESS: Auch 35 Prozent sind in der Branche kein Bestwert – woher dieser Nachteil?

ANDREAS PFNEISZL: Gegenüber den Großen der Branche haben wir deutlich mehr an kleinvolumigen Sonderformaten. Dabei veranschlagen wir eine gewisse Überproduktion – zur Sicherheit, um dem Status des zuverlässigen Lieferanten immer gerecht zu werden, selbst wenn sich etwa bei einem Stein ein Fehler zeigen sollte. Diese Überproduktion geht in der Regel auf Lager, was natürlich kostet, auch wenn die Steine nichts an Wert verlieren. Oft ist es so, dass genau jener Kunde dann wieder genau so einen Stein sucht und damit fast zwangsläufig wieder bei uns landet. So etwas bindet auch, unsere Kunden sind es im Schnitt seit 25 Jahren.

BÖRSE EXPRESS: Heißt dann unterm Strich: Durch die höhere Einzelfertigung hat Rath am Produkt höhere Margen als Massenfertiger wie RHI, durch etwa höhere Lagerkosten kommt dann aber wieder das selbe heraus, wenn man die Margen des vergangenen Geschäftsjahrs vergleicht?

ANDREAS PFNEISZL: Und das ist toll, da wir es eben erst zuletzt geschafft haben, die Benchmark zu erreichen und das ist in der Branche RHI. Das war der Umkehr im Denken geschuldet: Klasse statt Masse in gewisser Weise. Die Zahlen zeigen, dass die Mannschaft verstanden hat, worum es geht: nachhaltiges profitables Wachstum, was auch zu der Philosophie eines Familienunternehmens passt – und das sind wir.

BÖRSE EXPRESS: Auf welche Kennzahlen achten Sie besonders?

ANDREAS PFNEISZL: Unsere EBITDA-Marge von 2016 mit rund elf Prozent ist ein guter Wert und so etwas wie Ziel. Die 2,6 beim Verhältnis Nettoverschuldung zu EBITDA halte ich ebenfalls für einen guten Wert – und die Eigenkapitalquote soll über 40 Prozent liegen. 50 haben wir erreicht, ab einem gewissen Sockel bringt das aber nur noch wenig an Vorteil.

BÖRSE EXPRESS: Sparen Sie hier für Zukäufe oder schlechte Zeiten?

ANDREAS PFNEISZL: 2014 haben wir das Geschäft konsolidiert, seit 2015 sieht man, dass profitables Wachstum möglich ist. 2017, ‘18 und ‘19 ist es Zeit zu wachsen. Es gibt eine gewisse kritische Größe – 125 bis 150 Millionen Euro wären schön –, die wir erreichen möchten. Aus der eigenen Welt heraus tun wir uns jedoch schwer, dieses Ziel in absehbarer Zeit zu erreichen und strecken daher die Fühler nach anorganischem Wachstum aus.

BÖRSE EXPRESS: Wenn Sie die aktuell vorhandenen Kapazitäten heranziehen, wo sehen Sie da so etwas wie die aktuelle Umsatzgrenze?

ANDREAS PFNEISZL: Ab 90 Millionen Euro wird es bei uns kapazitätsseitig eng.

BÖRSE EXPRESS: Was kann man zu dem gewünschten Zukauf sagen?

ANDREAS PFNEISZL: Es wird sicher kein neues Geschäftsfeld, der Zukauf soll in die aktuelle Wertschöpfungskette passen.

BÖRSE EXPRESS: Ist ein Ausflug in die magnesitische Welt möglich, um Produktallrounder zu sein?

ANDREAS PFNEISZL: Schuster bleibt bei deinen Leisten. Das machen wir sicher nicht.

BÖRSE EXPRESS: Da die Familie Rath einen derart dominierenden Einfluss hat, ist das Unternehmen eigentlich nur fünf Prozent von einem Squeeze-Out entfernt. Macht die Börsenotiz bei Ihnen Sinn?

ANDREAS PFNEISZL: Darauf muss ich mit „Jein“ antworten. So, wie wir heute gelistet sind, weit entfernt vom Prime Market, macht eine Notierung eigentlich wenig Sinn. Die Notierung kann auch ein Anker nach unten bei Preisverhandlungen sein, wenn dein Gegenüber die Margen im Geschäftsbericht sieht. Wer aber international reüssieren will, muss etwas darstellen. Einem an einer streng reglementierten Börse gelisteten Unternehmen mit extern geprüften Bilanzen wird schneller Reputation zugebilligt als einem Familienunternehmen ohne Einblick in die Zahlen. Da verbuche ich die Kosten für die Börsennotierung gern unter Marketingausgaben. Aber zum Squeeze-out: Das kommt aus heutiger Sicht nicht in Frage.

BÖRSE EXPRESS: Sie erwähnten zuvor Zukäufe: Da die Aktie deutlich unter Buchwert notiert, muss es wohl per Fremdkapital passieren?

ANDREAS PFNEISZL: Leider ja. Rath ist ein in allen Bereichen absolut unterbewertetes Unternehmen, nicht nur an der Börse.

BÖRSE EXPRESS: Wie schwierig oder leicht ist es für Sie Fachpersonal, vor allem im Nachwuchs, zu bekommen?

ANDREAS PFNEISZL: Feuerfestversierte Mitarbeiter sind richtig schwer zu bekommen. Und während bei den „Großen“ Masse verkauft wird, ist es bei uns die Lösungskompetenz. Gute Facharbeiter in diesem Bereich muss man sich selbst heranziehen.<

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