US-Steuerreform: Protektionismus oder großer Wurf?
Neben einem umfangreichen Infrastrukturprogramm und einer „Generalüberholung“ von Obamacare haben sich US-Präsident Trump und die republikanische Partei vor allem eine weitreichende Steuerreform auf die Fahnen geheftet. Mit dem Scheitern der Gesundheitsreform rückt nun die Steuerreform verstärkt in den Fokus. Werden die auf dem Tisch liegenden Vorschläge umgesetzt, bleibt kaum ein Stein auf dem anderen. Wir beleuchten die wichtigsten Eckpunkte der Reformpläne und ihre Auswirkungen auf Märkte und Unternehmen.
Eines der zentralen Wahlversprechen von Präsident Trump und den Republikanern war die Überholung des amerikanischen Steuersystems. Die Reform soll deutliche Entlastungen sowohl für Arbeitnehmer, als auch für Unternehmen bringen. Auf Grund der aktuellen Konstellation (Präsidentschaft und Mehrheit im Kongress) sollte der Weg frei sein, die Pläne rasch umzusetzen. Entsprechend positiv haben die US-Aktienmärkte reagiert. Denn eine Senkung der Unternehmenssteuern hätte einen wesentlich unmittelbareren, positiven Einfluss auf die Gewinne der Unternehmen, als der Plan zur Steigerung der Konjunkturausgaben oder andere Wahlversprechen Trumps.
Bevor man in allzu große Steuersenkungseuphorie verfällt, lohnt ein genauerer Blick auf die bisher bekannten Pläne. Schließlich bestehen diese nicht nur aus einer Senkung der Unternehmenssteuerquote, sondern aus wesentlich weitreichenderen Vorschlägen.
Die wichtigsten Eckpunkte der geplanten Reform
Als wichtigste Maßnahme soll die Unternehmenssteuer von 35 auf 20 Prozent gesenkt werden. Zur Gegenfinanzierung soll das kontrovers diskutierte Instrument der Border Adjustments eingeführt werden. Dabei werden aus exportierten Gütern erzielte Umsätze aus der steuerlichen Bilanz ausgenommen, während Kosten für importierte Güter nicht steuerlich geltend gemacht werden können. Im Extremfall würde ein Unternehmen, das ausschließlich Güter exportiert, eine Steuergutschrift geltend machen können. Bei einem Unternehmen, das ausschließlich Kosten außerhalb der USA aufweist, würde hingegen die Steuerquote auf den Umsatz angewendet werden und die Steuerlast in Folge wesentlich höher ausfallen als bisher.
Aufgrund der Tatsache, dass US-Unternehmen unter dem Strich mehr importieren als exportieren, könnte man mit diesem Border Adjustment zumindest einen Teil der generellen Senkung der Unternehmenssteuerquote gegenfinanzieren. Zusätzlich würde man das Problem lösen, dass derzeit viele US-Unternehmen ihre Gewinne im Ausland horten, um die heimischen Steuern zu vermeiden.
Zusätzlich zum medial bereits breit diskutieren Thema der Border Adjustments enthalten die Reformpläne allerdings weitere weitreichende Maßnahmen, die bisher weder am Markt noch in den Medien ernsthaft diskutiert wurden.
So soll die Unternehmenssteuer in eine Cash-Flow-basierte Steuer umgewandelt werden. Das heißt, dass Investitionen in Maschinen und Anlagen steuerlich nicht wie bisher über einen längeren Zeitraum abgeschrieben würden, sondern bereits im ersten Jahr auf einen Schlag geltend gemacht werden können. Damit soll Unternehmen ein Anreiz gegeben werden, wieder verstärkt in Produktionsmittel zu investieren.
Ein weiterer Punkt betrifft die Absetzbarkeit von Fremdkapitalkosten. Im aktuellen Reformplan ist vorgesehen, dass Unternehmen Zinsen steuerlich nicht mehr als Kosten geltend machen können. Dies würde Fremdkapital gegenüber Eigenkapital verteuern. In der Folge müssten Unternehmen ihre jeweiligen Finanzierungsstrukturen überdenken und entsprechend anpassen.
Sind die Steuerpläne wirklich protektionistisch?
Der weitreichendste und damit auch der umstrittenste Punkt des Steuerreformvorschlags ist das Border Adjustment. Der Vorschlag dazu kommt aus der republikanischen Partei. Präsident Trump hat dazu bisher nicht klar Stellung bezogen. Auf Seite der Unternehmen haben sich zwei Lager formiert, die auch bereits entsprechendes Lobbying und Öffentlichkeitsarbeit für oder gegen den Vorschlag betreiben. Im Lager der Befürworter befinden sich naturgemäß besonders exportlastige Unternehmen. Dazu zählen in den USA unter anderem Flugzeugbauer wie Boeing, Industrieunternehmen wie General Electric, Caterpillar oder Gesundheitsunternehmen wie Johnson & Johnson. In der Gegnerschaft formieren sich importlastige Unternehmen. Darunter vor allem große Einzelhandelsketten wie Wal-Mart oder Textilhändler wie The Gap, die in großem Ausmaß Waren aus Fernost importieren. Auch Konsumentenverbände positionieren sich als Gegner des Border Adjustments. Sie befürchten Preisanstiege auf breiter Front.
Dabei ist gar nicht so sicher, ob diese zunächst sehr protektionistisch erscheinende Maßnahme Importeuren überhaupt stark schaden bzw. Exporteuren stark nützen würde. Aus ökonomischer Sicht kann man argumentieren, dass ein stärkerer US-Dollar den Effekt aus dem Border Adjustment wieder neutralisieren würde. Ein Anziehen der Exporte würde die Nachfrage nach dem US-Dollar erhöhen, während eine Abschwächung der Importe ein geringeres Angebot an US-Dollar nach sich ziehen würde. Der resultierende Anstieg des US-Dollar-Kurses gegenüber den Währungen der Handelspartner würde den Steuervorteil für Exporteure wieder zunichte machen, während Importeure umgekehrt von der stärkeren Währung profitieren würden.
Ein unumstrittener Vorteil des Border Adjustments wäre jedenfalls, dass US-Unternehmen keinen Anreiz mehr hätten, Gewinne im Ausland zu parken. Diese würden ohne steuerlichen Nachteil für Investitionen in den USA oder auch für Dividendenzahlungen zu Verfügung stehen.
Wann kommt die Steuerreform?
Aus heutiger Sicht plant die US-Regierung bis August des laufenden Jahres eine Einigung bei den Steuerreformplänen zu erzielen. Führt man sich jedoch das Scheitern der Gesundheitsreform vor Augen, ist zurzeit schwer vorstellbar, dass es einfacher werden sollte, sich auf eine derartig weitreichende Steuerreform zu einigen. Allerdings steigt der Druck auf die Trump-Administration, die gegebenen Wahlversprechen auch tatsächlich umzusetzen.
Wir verfolgen das Thema weiterhin im Detail. Nicht nur die Border Adjustments, auch die Änderungen bei der Absetzbarkeit der Zinsen haben das Potenzial, ganze Geschäftsmodelle und Finanzierungsstrukturen auf den Kopf zu stellen. Derzeit fällt es jedoch schwer, die Auswirkungen auf einzelne Unternehmen einzuschätzen. Gegenüber Investoren äußern sich die Unternehmen selbst bisher sehr zurückhaltend. Sieht man sich die global vernetzten Wertschöpfungsketten großer Unternehmen an, wird rasch klar, dass eine einfache Einteilung in Importeure und Exporteure schwierig ist und in Folge Gewinner und Verlierer nicht so einfach festgemacht werden können.
Unterm Strich ist eine Steuerreform, die eine deutliche Entlastung für die Unternehmen bringt, aus Aktionärssicht wünschenswert. Derzeit dürften die Märkte jedoch in erster Linie eine einfache Steuersenkung einpreisen. Die eigentlichen Knackpunkte Border Adjustment, Absetzbarkeit der Zinsen und Abschreibung von Investitionen bleiben bisher schwer einschätzbar. Der Weg zu einer möglichen Einigung verspricht jedenfalls holprig zu werden. Angesicht einer US-Steuersenkung in Euphorie zu verfallen, halten wir jedenfalls für verfrüht.
von Christoph Olbrich, CFA, Gutmann KAGChristoph Olbrich, CFA, Gutmann KAG
Christoph Olbrich, CFA, Gutmann KAG