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Christian B. Maier: „Porr wird sicher weiter zukaufen“

BÖRSE EXPRESS: Gratulation zum CFO-Award. Wie sehr freut einen so etwas?

CHRISTIAN MAIER: Es ist eine nette Auszeichnung. Zumal es ja eine Kombination aus der Entwicklung der Porr, der Aktie, ist, aber eben auch eine Anerkennung von der Kollegenschaft. Und das freut einen schon. Diese Arbeit hat freilich nicht der CFO allein geleistet, sondern das ganze Team, das Treasury, das Controlling, das Rechnungswesen und Investor Relations. Wir haben echt gute Leute im Unternehmen. Die haben diese Auszeichnung verdient, ich nehme sie nur als Repräsentant dieser Einheit entgegen. Im wirtschaftlichen Bereich geht es nie um Einzelleistungen, es sind immer Teams. Ein Mensch allein kann nichts bewirken, die Kunst besteht darin, die richtigen Leute zusammen zu bringen. Die Chemie muss stimmen und man braucht Diversität.

BÖRSE EXPRESS: Können Sie ein Beispiel nennen?

Ja, mich haben einige komisch angeschaut, als ich unseren neuen IT-Chef geholt habe. Viele denken, der muss von einem anderen Bauunternehmen kommen und sich in der Branche auskennen. Ich habe das aber nicht gemacht, ich habe unseren neuen IT-Chef aus dem Banking geholt, von der Österreichischen Kontrollbank.

BÖRSE EXPRESS: Warum?

Weil die Banken bei der Digitalisierung wesentlich weiter sind als die Bauindustrie. Die Banken haben alles in Echtzeit. Die Bauindustrie ist dagegen noch sehr konservativ ausgerichtet. Aber wir wollen in drei Jahren voll digitalisiert sein und haben dafür bereits in unserer IT ein Team von 80 Mitarbeitern aufgebaut.

BÖRSE EXPRESS: Wie darf man sich das vorstellen?

Ein praktisches Beispiel. In einem Gebäude gehört beispielsweise an einer Wand etwas ausgebessert. Früher hat man ein Foto gemacht, es wurde ein Akt angelegt, in dem steht, wo sich der Mangel befindet, in welchem Stock, in welcher Stadt. Gleichzeitig wurde eine Kopie weitergeschickt, um Infos einzuholen, wer den Schaden beheben kann. Nach der Reparatur wurde dann wieder ein Bericht geschrieben, Kopien gemacht und so weiter. Es wurde also viel Papier produziert. Heute, im digitalen Zeitalter, braucht man nur ein Smartphone. Wir haben eine Defect-Radar-App, mit der macht man ein Foto und diese App weiß automatisch in welcher Stadt, in welchem Gebäude und in welchen Raum sich der Schaden befinden. Hinterlegt sind Algorithmen, so dass die Info automatisch ans Painting Department weitergeleitet wird. Im Hintergrund koordiniert ein Kalender gleich die nötigen Handwerker. Wenn etwa ein Maler gerade im Nachbargebäude arbeitet, bekommt er eine Anfrage, ob er den neuen Auftrag gleich mitmachen kann. Der drückt dann auf OK und alles wird nur noch elektronisch abgelegt.

BÖRSE EXPRESS: Was bedeutet das auf der Finanzseite?

Der entscheidende Faktor ist, dass sie durch solche Apps die Prozesskosten radikal reduzieren können. In dem konkreten Beispiel gehen wir von einer erheblichen Prozesskostenreduktion aus. Die Digitalisierung ist eine Revolution in der Bauindustrie, aber derzeit nur wenigen bekannt.

BÖRSE EXPRESS: Was bedeutet das dann für die Branche und die Wettbewerbssituation?

Die Digitalisierung wird massive Änderungen der Baubranche auslösen. Es wird eine Marktbereinigung geben, der vor allem der Mittelstand zum Opfer fällt. Kleine Bauunternehmen, mit 20 bis 30 Mitarbeitern, die einfachere Bauvorhaben umsetzen und etwa Einfamilienhäuser bauen, die wird es immer geben. Die verdienen auch relativ gut. Und die brauchen auch keine Digitalisierung. Mittlere Bauunternehmen mit 200 bis 300 Mitarbeitern sind hingegen mit einer höheren Organisationskomplexität konfrontiert, sie brauchen eine zweite und dritte Führungsebene und es gibt eine Bauaufsicht. Da sind die Margen dann ohnehin schon geringer. Die großen Player schließlich verdienen wieder besser, weil sie Synergien nutzen können und Größenvorteile haben. In der Folge wird es zu einer Marktbereinigung kommen.

BÖRSE EXPRESS: Gibt es dafür im internationalen Vergleich nicht ohnehin „Bedarf“?

Tatsächlich haben die Top drei Marktführer in Ländern wie Frankreich oder Spanien zusammen schon Marktanteile von 35 Prozent und mehr. In Österreich halten die Porr und Strabag bei jeweils nur rund sechs Prozent, die Nummer drei, Swietelsky, bei nur rund drei Prozent. Der Markt ist also noch stark fragmentiert.

BÖRSE EXPRESS: Marktbereinigung heißt, dass einige Unternehmen sterben werden, andere aber auch fusionieren oder übernommen werden. Wird also auch die M&A-Tätigkeit zunehmen? Und, wenn ja, stehen Sie Gewehr bei Fuß?

Es wird mehr M&A-Transaktionen geben und die Porr wird sicher weiter zukaufen. Wir sind finanziell gut aufgestellt. Und wir können mittelgroße Unternehmen schnell integrieren.

BÖRSE EXPRESS: In welche Richtung geht die Expansion?

In unserer Branche kauft man Marktanteile und Manpower, technologisch hat die Porr schon alles. Wir werden aber nur mit Bedacht in neue Märkte expandieren. Wir haben uns bewusst aus einigen Märkten, etwa in Osteuropa, zurückgezogen und auf ausgewählte Kernländer fokussiert. Das ist die DACH-Region plus Polen, Tschechien und die Slowakei. Das sind unsere sechs Heimmärkte, wo wir 88 Prozent des Umsatzes lukrieren. Früher waren wir in 50 Ländern aktiv. Wir wollen kein Tausendfüßler sein. Wir sind lieber, wenn man so will, eine fleißige Biene mit sechs Beinen.

BÖRSE EXPRESS: Wer ist bei der Digitalisierung innerhalb der Branche ein Vorreiter?

Ich glaube, dass wir da absolut vorne mit dabei sind. Die Baubranche ist eine sehr konservative Branche, die wartet meist lange zu, ehe sie neue Entwicklungen umsetzt. Unser Vorteil ist, dass wir einige sehr IT-affine Manager haben, die treiben uns an.

BÖRSE EXPRESS: Die jüngste Entwicklung der Porr ist beeindruckend, aber wo liegt nun das weitere Wachstumspotenzial?

Die Bauindustrie erlebt nach sieben mageren Jahren gerade eine Trendwende. Vor allem der für uns wichtige Markt Deutschland ist ein regelrechter Wachstumsmotor. Dort wächst der Wohnbau, aber auch der Bereich Infrastruktur. Es ist jahrelang extrem viel Infrastrukturgeld nach Ostdeutschland geflossen, aber in Westdeutschland wurde viel zu wenig investiert. Dort gibt es jetzt umso mehr Aufholbedarf. In den nächsten zehn Jahren wird da viel passieren. Der Wohnbau wiederum wächst durch die Migration, die Flüchtlinge wie auch die Landflucht. Die Ballungszentren brauchen Wohnraum.

BÖRSE EXPRESS: Und dann auch noch die zu erwartenden Zukäufe. Was für Wachstumsraten darf man sich für die nächsten Jahre erwarten?

Bis 2020 sind im Schnitt jährliche Wachstumsraten von um die zehn Prozent möglich - drei bis fünf Prozent Basiswachstum organisch und noch einmal so viel über Zukäufe.

BÖRSE EXPRESS: Die Aktie ist nach wie vor ein Überflieger an der Börse Wien. Darf man annehmen, dass Sie mit der Entwicklung und dem Finanzplatz Wien zufrieden sind?

Man darf nie zufrieden sein, man muss immer unzufrieden sein. Unzufriedenheit ist eine Triebfeder. Ich denke, dass es an der Börse Wien einen Osteuropa-Abschlag gibt. Auch bei unserer Aktie gibt es einen Bewertungsabschlag: Der wird ersichtlich, wenn ich die Porr beispielsweise mit der Schweizer Implenia vergleiche. Die ist doch um einiges höher bewertet. Andererseits gibt es an der Börse Wien jetzt, auch mit dem neuen Vorstand, eine spürbare Aufbruchsstimmung.

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