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Haas: Von Fabelwesen und ­Schlafmützen

Die abgelaufene Handelswoche stand ganz im Zeichen von zwei großen Themenkomplexen: Unternehmenszusammenschlüsse und der Beginn der Berichtssaison. Ersteres verfolgt uns ja nun schon einige Wochen: Der diese Woche final verkündete Zusammenschluss der Technologiekonzerne Qualcomm und NXP um über 47 Mrd. US-Dollar reiht sich in eine Vielzahl an ähnlichen Riesendeals, nicht zuletzt die 85 Mrd. US-Dollar-Übernahme von Time Warner in den USA. Hinter diesen Deals steckt oftmals ein wichtiges Konzept: Marktmacht. Im Falle der Halbleiterfirmen NXP und Qualcomm lässt sich dies besonders gut sehen.

Die Wertschöpfungskette in der Unterhaltungselektronik ist relativ kompliziert und fragmentiert: Zuerst werden Computerchips designt, dann einzeln produziert, mit der „Unterlage“ verbunden (hier kommt die heimische AT&S ins Spiel), zu einem gesamten Produkt zusammengefügt und anschließend an die Kunden ausgeliefert. Am Ende dieser Wertschöpfungskette stehen Smartphone-Anbieter wie Apple und Samsung, aber auch die Automobilhersteller wie BMW und VW (ihr Auto hat wahrscheinlich mittlerweile mehr Rechenleistung als ihr 5 Jahre alter PC zu Hause!). Diesen Giganten stehen jedoch oftmals kleine Spezialisten gegenüber, die nur einen abgegrenzten Teil der Produktion anbieten. Dadurch können die großen Firmen in vielen Fällen ihre Konditionen diktieren: Neue Technologien werden dann eingesetzt, wenn es Apple und Samsung wollen, nicht wenn die Chiphersteller den meisten Gewinn damit erzielen. Verträge werden manchmal im Nachhinein geändert, Preis- und Effizienzdruck sind ein ständiger Begleiter. Dementsprechend verwundert es nicht, dass ein Großteil der Gewinne in der Unterhaltungselektronik von den Giganten der Branche abgeschöpft wird.

Wie können die „kleinen“ Firmen dem nun entgegentreten? Eine Möglichkeit wäre, einen direkten Konkurrenten zu übernehmen, wie es der heimische Feuerfesthersteller RHI versucht. Im Falle der Halbleiterindustrie ist dies jedoch schwierig, da jeder Hersteller mehrere Lieferanten benötigt, für den Fall dass es zu Lieferproblemen kommt (was in dieser Branche relativ häufig passiert!), womit bei der Übernahme eines Konkurrenten große Geschäftsteile verloren gehen würden. Die effizientere, wenngleich auch komplexere Variante, ist die Abdeckung eines möglichst breiten Produktspektrums. Damit kann man den Apples dieser Welt Komplettlösungen anbieten, die oftmals billiger sind und besser funktionieren, als die derzeit am Markt angebotenen Produkte. Diese Produkte können aber nur von integrierten Anbietern hergestellt werden, womit eine Serie von austauschbaren Dienstleistungen (Design, Zusammenbau, etc.) zu einem differenzierten Produkt kombiniert wird. Hier wird sozusagen Stroh zu Gold gesponnen, weswegen wir für solche Kombinationen den Terminus „Rumpelstilzchen-Merger“ vorschlagen würden…

Das zweite große Thema diese Woche war erwartungsgemäß die Berichtssaison. Dabei scheint sich ein Thema heraus zu kristallisieren: Vielen Unternehmen geht es nicht so schlecht wie befürchtet. Als Musterbeispiel können hierfür die Banken dienen, bis vor kurzem einer der schwächsten Sektoren des Jahres. Dies hat sich jedoch recht dramatisch geändert: Praktisch alle Unternehmensberichte, sowohl aus den USA als auch aus Europa liegen über den Erwartungen, die Aktien sind dementsprechend seit einigen Wochen ständig an der oberen Spitze des Kurszettels zu finden. Dabei fällt auf, dass vor allem der Anleihenhandel oftmals deutlich über den Analystenerwartungen liegt. Vielleicht haben die Kollegen da nicht mitbekommen, dass wir in diesem Jahr laufend neue Rekordvolumina an Emissionen verzeichnen, der EZB und ihren Anleihenkäufen sei Dank. 80 Mrd. Euro an zusätzlichem Geld pro Monat, das in den Markt gepresst wird, kann man schon mal übersehen…

Aber auch abseits der Banken zeigen sich ein paar Lichtblicke: Flugzeughersteller Boeing konnte die Ängste der Investoren vor einer Abschwächung im Luftfahrtbereich kalmieren und auch die Ölserviceunternehmen Schlumberger und Haliburton sehen etwas optimistischer in die (ferne) Zukunft. An dieser Stelle ein Fazit zu ziehen, würde einer Fußballberichterstattung entsprechen, bei der in Minute 65 das erste Resümee gezogen wird (nicht, dass das nicht schon vorgekommen ist). Bis jetzt können wir jedoch mit der Berichtssaison ganz zufrieden sein. Hoffen wir, dass es in den nächsten Wochen so weiter geht!