Immobilienaktien-Spezialist Martin Rupp: "Die Bewertung scheint nun etwas ausgereizt"
Börse Express: Mitte September werden Immobilienaktien bei GICS, sprich S&P, eine eigene Index-Kategorie. Ist allein durch Umschichtungen dadurch der Startschuss für eine Aufwärtsphase bei Immobilienaktien zu erwarten? Und im Umkehrschluss: Andere Finanzaktien, mit denen Immobilien bisher die Index-Zugehörigkeit teilten, eher meiden?
MARTIN RUPP: Da muss man glaube ich die Euphorie etwas einbremsen – ein „Game Changer“ wird das vermutlich nicht mehr. Es wird ja nur umklassifiziert von 10 auf nun 11 Segmente. Der neue Sektor Equity REITs ist ja bereits im Vorfeld schon ein klarer Outperformer gewesen und viele Fondsmanager sind daher bereits auch übergewichtet. Ich möchte an dieser Stelle österreichische Privatanleger zudem davor warnen aufgrund dieser Indexumstellung nun blind REITs zu kaufen. In Österreich werden viele dieser REITs leider der Pauschalbesteuerung unterworfen, was ich als Investor sehr bedaure. Also unbedingt im Vorfeld die steuerliche Situation abklären, ansonsten hilft auch die schöne Dividende nichts.
Börse Express: Abseits der Index-Hoffnungen: Wir leben eigentlich in einem für Immobilien recht gutem Umfeld: Die Fremdkapitalkosten sind niedrig wie nie – die investierten Summen steigen von Jahr zu Jahr, Überkapazitäten scheinen nirgends in Sicht zu sein. Ist das so richtig, oder gibt es da doch ein paar Haare in der Suppe?
MARTIN RUPP: Da muss man differenzieren um welche Art von Immobilien es sich handelt und wo diese gelegen sind. Bei Büroimmobilien in London z.B. wäre ich nun vorsichtig – der Markt ist etwas heißgelaufen, bei den Prime Yields sind wir zum Teil unter den Niveaus von 2007, und nun droht mit dem BREXIT eine Verlegung der Bank-Headquarters nach Frankfurt. Firmen wie Morgan Stanley werden tausende Stellen verlegen, sofern britische Banken tatsächlich ihren sogenannten EU-Pass verlieren. Der Frankfurter Immobilienstandort sollte davon aber dann profitieren.
Börse Express: Gehen wir in die Subsektoren: Allgemein läuft die Wirtschaft eher mau – gleichzeitig ist von Wohnungsmangel zu hören. Sind somit prinzipiell Wohnimmobilienaktien jenen von Gewerbeimmobilien vorzuziehen? Und gilt das auch, wenn man die Bewertungen miteinbezieht – oder sind Wohnimmobilien bereits so gut gelaufen, dass das Chance/Risiko-Verhältnis im Gewerbe eigentlich besser ist?
MARTIN RUPP: Da muss man sich den Einzelfall anschauen, um eine konkrete Aussage treffen zu können – nur so viel: Anleger flüchten zum Teil in Wohnimmobilienaktien weil sie Schutz vor Inflation suchen und kein Konjunkturrisiko wollen und sind aktuell bereit dafür fast jeden Preis zu zahlen. Das ist zweifelsohne klüger als sich bei Staatsanleihen mit Negativrenditen einzuloggen. Es sollte aber bei aller Euphorie nicht vergessen werden, dass besonders dieser Sektor im Inflationsfall noch massiver als Gewerbeimmobilien von staatlichen Interventionen betroffen sein würde. Ich bin immer wieder überrascht, wie wenig etwa angelsächsischen Investoren mit Themen wie z.B. der deutschen Mietbremse oder dem österreichischen Mietrechtsgesetz vertraut sind. Da werden im Gespräch oft Quadratmeterpreise verglichen die nicht vergleichbar sind.
Börse Express: Sehen Sie eigentlich bei den Preisen für Wohnimmobilien trotz allem schön langsam einen Deckel nahen? Vom Gefühl her ist Eigentum für Otto-Normal-Bürger eigentlich nicht mehr leistbar – zumindest nicht zu dessen Lebzeiten …
MARTIN RUPP: Vermutlich flachen sich die Preisanstiege zumindest bei Wiener Wohnimmobilien nun etwas ab, da zu befürchten ist, dass noch massiver als bisher von staatlicher Seite in Eigentumsrechte eingegriffen wird – Stichwort Mietrechtsreform 2016. Eine Ausweitung des Vollanwendungsbereiches des MRG auf alle Wohnungen, die älter als 20 Jahre sind, ist nicht auszuschließen. Das wäre aber das Ende für die meisten Vorsorgewohnungsmodelle.
Auch die letzte Steuerreform 2015/16 hat gezeigt wie erschreckend wenig Rechtssicherheit auch private Immobilieninvestoren in Österreich haben. Da werden rückwirkend Gesetze geändert! Stichwort Grundwertanteilsabzug bei der Ermittlung der AfA, Abschaffung des Inflationsabschlags bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns oder aber auch die Verlängerung des Verteilungszeitraumes von Instandsetzungs- und Instandhaltungsaufwendungen usw., usw.
Bei den aktuell sehr hohen Kaufpreisen muss man sich dann, insbesondere im Altbau nun die Frage stellen, ob zumindest bei der sogenannten „kleinen“ Vermietung diese wirtschaftlich überhaupt noch sinnvoll darstellbar ist, ohne Gefahr zu laufen, in die Falle der steuerlichen Liebhaberei zu tappen.
Allerdings muss man auch hier wieder differenzieren: Top Zentrumslagen in Gründerzeithäusern werden aufgrund des MRG wohl künftig eher dem Mietmarkt entzogen werden, während Objekte aus den 60er und 70er Jahren in B- und C Lagen mehr als ausgereizt sind und genau diese werden bei Verschärfungen des MRG dann Preiseinbrüche erleben.
Börse Express: Ich bleibe bei Wohnimmobilien – und da würde mich interessieren, ob mich mein Eindruck täuscht: Deutsche Anbieter wuchsen stärker durch eigenkapitalfinanzierte Übernahmen als unsere Buwog und conwert – wenn dem so ist, welches Modell bietet langfristig eher Vorteile?
MARTIN RUPP: Ja das ist richtig – ob das besser ist, hängt aber natürlich immer vom Preis ab zu dem man die eigenen Aktien platzieren kann und zu dem man selbst übernimmt. Vonovia – vormals Deutsche Annington - hat es durch zwei große Kapitalerhöhungen und darauffolgende Übernahmen (Gagfah und Südewo) geschafft so schnell groß zu werden, so dass man in den DAX aufgenommen wurde. Viele institutionelle Investoren kommen seit 2015 an diesem Papier nun kaum mehr vorbei. Die Handelsliquidität ist hervorragend und die Bewertung entsprechend gestiegen. Aber prinzipiell finde ich es auch nicht schlecht, wenn Immobiliengesellschaften weniger „Financial Engineering“ anwenden und langsamer wachsen. Nicht die Größe des Portfolios, sondern eine Steigerung des Shareholder Values muss das Ziel sein.
Börse Express: Sind Wohnimmobilien für Sie eigentlich auch ein geografisches Thema, das sich auf Österreich und Deutschland konzentriert, oder reicht das weiter? Und innerhalb des deutschsprachigen Raums, was sind ihre favorisierten Werte – das vielleicht auch speziell zwischen Buwog und conwert.
MARTIN RUPP: Das Wohnimmothema konzentriert sich schon eher auf Deutschland und Österreich. Reine Wohnimmobilienaktiengesellschaften gibt es im Rest von Europa kaum. Wir sind allerdings auch in ein paar französische Unternehmen investiert, die untergeordnete Teile ihres Portfolios im Wohnbereich halten. Im deutschsprachigen Raum sind wir neben Vonovia noch in Grand City investiert. Conwert haben wir nun devestiert und BUWOG halten wir vereinzelt noch in ein paar Fonds. Letztere ist ein solider Dividendenwert, die Bewertung scheint aber nun etwas ausgereizt. Größere Kursrücksetzer würden wir vermutlich aber nutzen.
Börse Express: Innerhalb des Gewerbes – ich differenziere einmal zwischen Handel, Logistik, Büro und Hotels – wo sehen Sie gute Chancen – und wo eher Risken?
MARTIN RUPP: Ich bevorzuge derzeit eher Büro und Handelsimmobilien. Insbesondere Handelsimmobilien haben sich auch während der Finanzkrise als relativ stabil erwiesen was die Yield Expansion anging. Logistik- und Hotelimmobilien sind mir in diesem Makroumfeld etwas zu zyklisch.
Börse Express: Auch wenn die Chancen nicht überall gleich sind – bevorzugen Sie als Fondsmanager Unternehmen mit einem klaren Fokus auf einen Subbereich und versuchen die gewünschte Streuung im Portfolio durch unterschiedliche Einzelinvestments, oder nehmen Sie lieber gleich breiter aufgestellte Gesellschaften, die praktisch die Asset Allokation selbst übernimmt – und aufgrund der hoffentlich vorhandenen Expertise auch gut schaffen sollte – die S Immo etwa versucht als eigentlich einziger Österreicher diesen Schritt.
MARTIN RUPP: Das ist immer eine Frage der Bewertung die einem der Markt anbietet. Übergroße Konglomeratsabschläge, die in der Praxis häufig zu beobachten sind, bieten oft eine Kaufgelegenheit, insbesondere wenn es danach zu Spin-offs oder Abverkäufen kommt. Bei gleicher Bewertung bevorzuge ich Gesellschaften mit klarem Fokus, da ich mir mein Portfolio ja selbst zusammenstellen möchte. Für Kleinanleger, die vielleicht nur ein bis drei Aktien halten und keinen Fonds kaufen wollen, macht aber oft ein stark diversifizierter Wert Sinn.
Börse Express: Sie sind mit Ihrem Fonds sowohl in CA Immo als auch Immofinanz investiert. Werden Sie bei den jeweiligen Hauptversammlungen für die Fusion der beiden stimmen?
Und gleich anschließend: Die Immofinanz möchte sich von ihren in den letzten Jahren hohe (Buch)Verluste bringenden russischen Einzelhandelsimmobilien trennen – und wäre dann eigentlich eine mehr oder minder ‚stinknormale‘ große Gesellschaft mit eben der Hoffnung, dass dann auch die eigene Bewertung eine ‚stinknormale‘ wird, während die Aktie jetzt weit unter ihrem Buchwert notiert. - ist so ein Schlussstrich für Sie jedenfalls der richtige Weg?
MARTIN RUPP: Die Fusion zwischen Immofinanz und CA-Immo macht prinzipiell Sinn und wird das neue Unternehmen in die Oberliga der europäischen Immobilienaktien katapultieren.
Nächster Schritt wird eine Veräußerung des nicht unproblematischen Russlandportfolios sein. Gelingt dies, dann könnte es zu einer Neubewertung der Aktie kommen, denn die russischen Einkaufscenter waren bisher maßgeblich für den horrenden NAV-Abschlag der Aktien verantwortlich. Sollte eine Veräußerung des Portfolios allerdings nicht nahe am bereits stark abgeschriebenen Buchwert möglich sein, dann wäre aus meiner Sicht ein Spin-off einer Veräußerung vorzuziehen, der Aktionär kann dann selbst entscheiden wann er verkaufen will.
Bei einer anschließenden Verschmelzung der „verschlankten“ Immofinanz mit der CA-Immo ist laut Aktiengesetz das Austauschverhältnis auf Basis einer fundamentalen Bewertung der beiden Unternehmen festzulegen. Naheliegend scheint bei Immoaktiengesellschaften hier eine sich am NAV orientierende Kennzahl, was zumindest für Immofinanzaktionäre dann aus meiner Sicht kein Nachteil ist. Bevor es aber zu einem Zusammenschluss im Wege einer Verschmelzung kommen kann, muss erst von beiden Gesellschaften auf der Hauptversammlung mit einer Mehrheit von 75% darüber entschieden werden.
Wie und ob wir dann auf den jeweiligen HVs abstimmen kann ich erst sagen, sobald ich den Verschmelzungsbericht gesehen habe.
Börse Express: Ein anderes Unternehmen mit russischen Problemen ist Warimpex – dort will man an Russland festhalten und durchtauchen. Der ‚Lohn‘ ist das wahrscheinlich niedrigste Kurs/Buchwert in der Branche. No risk, no fun können Sie als Fondsmanager natürlich nicht sagen: Aber ist das ein Titel, den Sie mittlerweile auf dem Radar haben?
MARTIN RUPP: Das Unternehmen habe ich nicht wirklich auf meinem Radar und wir waren auch nie investiert. Der Leverage ist exorbitant und das Risiko daher entsprechend. Zudem belastet die nicht unerhebliche Verwaltungsvergütung an die Vienna International Hotelmanagement AG. Für externe Investoren bleibt da kaum etwas übrig.
Börse Express: Kommen wir zu Ihrer Anlagestrategie: Wieviel Benchmark steckt wirklich drinnen? Und gibt es Mindeststandards für eine Aktie um gekauft werden zu können?
MARTIN RUPP: Aktienbenchmark gibt es keine, da der Fonds u.a. auch Wandelanleihen und Anleihen halten kann. In den Jahren 2009 bis 2011 war die Gewichtung von Wandelanleihen zwischenzeitlich erheblich. Mindeststandards bei der Aktienauswahl gibt es natürlich – die Liste an quantitativen wie qualitativen Bedingungen hier taxativ aufzuzählen, würde diesen Rahmen allerdings sprengen. Nur so viel – die eben genannte Warimpex würde derzeit an vielen Aufnahmekriterien scheitern.
Börse Express: Wie können Sie in Abwärtsphasen gegensteuern – und nach welchen Kriterien erfolgt die Titelauswahl an sich?
MARTIN RUPP: Sowohl die 3BG Immobilien Strategie (Anm. http://goo.gl/9hJUxH), als auch unsere Sachwerte-Aktienstrategie (http://goo.gl/w2QmJ4), die derzeit auch einige Immobilienaktien im Portfolio hält, setzt taktisch Indexfutures zum Absichern ein, um größere Kursabschwünge zumindest zu dämpfen.
Börse Express: Da Sie kein Benchmarkfonds sind, kann ich schlecht von Übergewichtungen sprechen – aber was sind derzeit warum Ihre 3 Lieblings- bzw. Top-Aktien – und gleiches hätte ich gern rein für Österreich.
MARTIN RUPP: Wirkliche Schnäppchen gibt es am Markt kaum noch. Derzeit denke ich mag der Markt – ungeachtet der teilweise ambitionierten Bewertung - Unternehmen, die besonders vom Corporate Bond-Kaufprogramm der EZB profitieren. Namen wie Klepierre, Vonovia, Unibail oder Gecina fallen einem da ein. Eine Klepierre hat z.B. heuer, selbst vor den EZB-Käufen, einen 750 Mio. Bond mit 8 Jahren Laufzeit und 1% Kupon emittieren können und so die Finanzierungskosten drastisch gesenkt. Wir sind aber auch schon länger – teilweise seit Jahren - bei einigen Small & Mid Caps wie Grand City, VIB Vermögen, Hamborner, Alstria oder WCM investiert. Wir haben hier aber teilweise nun schon Gewinne mitgenommen, da die Kursentwicklung doch relativ extrem war.
In Österreich halten wir in unseren Fonds überwiegend CA Immo, Immofinanz und Sparkassen Immo. Conwert haben wir bereits knapp unter 14 verkauft, da die Aktien einerseits unser kolportiertes Kursziel erreicht haben und wir aufgrund des neuen Großaktionärs Adler Real Estate nun eine weniger affine Interessenlage im Aktionariat fürchten – ob dies begründet ist muss sich aber erst zeigen.
Börse Express: Und abschließend: Was ist aus Ihrer Sicht eine langfristig realistische Rendite, die mit Immobilienaktien zu erzielen sind?
MARTIN RUPP: Das ist seriös schwer mit einer Zahl zu beantworten, da Immobilien & Immobilienaktien so heterogen sind. Immobilienaktien sind meist klassischen Boom-Bust Zyklen, mit sich selbst verstärkenden positiven Feedbackloops, unterworfen. Je nach Marktphase in der man sich befindet ist da ein zweistelliges Plus oder Minus pro Jahr völlig normal. Im Schnitt über den gesamten Zyklus sollte man aus aktueller Sicht, ganz grob geschätzt, bei der durchschnittlichen europäischen Gewerbeimmobilienaktie (Bestandshalter), aber realistischer Weise nicht mehr als fünf bis sechs Prozent Total Return erwarten. Der aktuelle Zyklus wird aber wohl, durch die extremen Aktivitäten der Notenbanken noch künstlich weiter in die Länge gezogen werden, da ein Ende des Zinstiefs noch lange nicht in Sicht ist. Die Fehlallokationen in diesem Sektor werden dadurch natürlich nicht kleiner, und das so schwierige Markttiming wird für den mittelfristigen Anlageerfolg nicht unerheblich werden.
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