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Warren Buffetts größtes Dilemma: Ideen gesucht - Cash (in Masse) vorhanden

Eigentlich klingt die Geschichte absurd. Vor allem in einer Welt, in der ultraschnelle Hochleistungscomputer im Millisekundentakt ihre Orders abschicken, um jede kleinste Kursbewegung an den Märkten in Gewinne zu verwandeln. In einer Welt, in der Algotrader zunehmend die arrivierten Börsehändler ersetzen, weil der Computer als der bessere Trader wahrgenommen wird. In einer Welt, in der abertausende von Internetseiten die Anleger rund um den Globus mit den geheimsten Geheimtipps auf dieser „Börse-Erde“ versorgen, nicht selten mit dem einfachen Hintergedanken von diesen Geheimtipps selbst am meisten zu profitieren, in einer Welt, in der einstmals erfolgreiche Hedgefondsmanager enerviert das Handtuch werfen, weil sie den Markt für verrückt halten.

In eben dieser Welt steuern ein demnächst 86jähriger und sein 92jähriger kongenialer Partner ein Unternehmen, das über den größten Cashpolster in der westlichen Hemisphäre verfügt. Ende des zweiten Quartals 2016 nannte die, 1955 aus der Fusion zweier Textilunternehmen entstandene, Berkshire Hathaway die stolze Summe von 72,68 Milliarden Dollar an liquiden Mitteln ihr Eigen. Eine Summe, die außerhalb des Banken- und Finanzsektors (274 der 500 ‘liquidesten’ Unternehmen der Welt entstammen diesem Sektor) nur von der in Hong Kong ansässigen CITIC Holding übertroffen wird. Das via CITIC (China International Trust and Investment Corporation) Group mehrheitlich in Staatsbesitz stehende Unternehmen kommt aktuell auf einen Bestand an liquiden Mitteln von 121,8 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: das aktuell teuerste Unternehmen der Welt - Apple - verfügte zuletzt (per 25.06.2016) über liquide Mittel von 28,26 Milliarden Dollar.

72,68 Milliarden Dollar sind ein nettes Sümmchen. Ein Sümmchen, das der CEO des Unternehmens, das seinen Cashpolster seit dem Jahr 1991 trotz immer größerer Zukäufe nahezu verhundertfacht hat (siehe Grafik vorhergehende Seite im PDF), auch nützen will. In Erweiterung seiner bereits 1983 definierten „owner-related business principles“ schreibt Warren Buffett im Jahresbericht 2015 zum Thema Akquisitionen: „In recent years we have made a number of acquisitions. Though there will be dry years, we expect to make many more in the decades to come, and our hope is that they will be large. If these purchases approach the quality of those we have made in the past, Berkshire will be well served. The challenge for us is to generate ideas as rapidly as we generate cash.“

Ideen müssen her. Die Herausforderung besteht darin genau so schnell möglichst interessante Unternehmen zu finden, wie die Holding Cash generiert. Einer Herausforderung, der sich andere Unternehmensbosse gerne stellen würden. Doch Warren Buffett - so der Name des Glücklichen - will nicht nur selbst kaufen. Er animiert auch die Manager seiner Tochterunternehmen zu Übernahmen, die das Berkshire Hathaway Reich stetig erweitern. Allein im Jahr 2015 haben diese Töchter 29 strategisch zu ihrem Geschäft passende Übernahmen mit Kosten zwischen 300.000 und 634 Millionen US-Dollar getätigt.

Buffett selbst und sein Partner Charlie Munger, seines Zeichens Vice Chairman der Berkshire Hathaway Holding, kümmern sich derweil um den Erwerb neuer Geschäftsfelder. Mit einigem Erfolg, wie der kürzlich abgeschlossene Zukauf des US-Zulieferers für die weltweite Flugzeugindustrie, Precision Castparts (PCC - siehe weiter hinten), zeigt. Mehr als 37 Milliarden Dollar - beinahe das vierfache eines PCC-Jahresumsatzes - hat Buffett für die Übernahme ausgelegt - in bar versteht sich, und dennoch quillt die Kasse über - ein echtes Dilemma. Denn der Multimilliardär will weiter zukaufen, um das Vermögen seiner Aktionäre zu mehren. Aber nicht um jeden Preis, wie er immer wieder betont. Was für ihn zählt ist der innere Unternehmenswert (intransic value) und nicht der Buch- oder gar der, von den Kursentwicklung bestimmte Marktwert eines Unternehmens. Den inneren Wert zu ermitteln ist manchmal gar nicht so einfach, wie Buffett unumwunden zugibt und die aktuelle Rally an den US-Märkten erschwert Akquisitionen zusätzlich. So seltsam es klingen mag: Obwohl Buffett immer wieder als der Investmentguru schlechthin bezeichnet wird, der sich, der allgemeinen Meinung folgend, eigentlich über steigende Kurse an den Börsen freuen müsste, ist das Gegenteil der Fall. Buffett freut sich über fallende Kurse, weil ihm dies neue Chancen eröffnet, wie er sagt.

Zukäufe sind das eine, doch die Holding von Buffett und Munger, bzw. deren Töchter investieren auch kräftig in die Zukunft. So haben die Eisenbahngesellschaften der Holding (BNSF railroad) im vergangenen Jahr satte 5,8 Milliarden Dollar investiert, wie der CEO schreibt. Mit dem Resultat, dass sich der Vorsteuergewinn auf die Rekordsumme von 6,8 Milliarden Dollar (+606 Millionen gegenüber 2014) verbessert hat, während andere Gesellschaften zu kämpfen hatten. BNSF wickelt mittlerweile rund 17% des amerikanischen Intercity-Frachtverkehrs (Eisenbahn, Straße, Flug, Wasser und Pipelines) ab und ist die Nummer 1 unter den sieben großen amerikanischen Eisenbahngesellschaften - zwei von ihnen sind kanadischen Ursprungs - wie der CEO nicht ohne Stolz vermerkt.

Insgesamt investierten Buffetts Unternehmen im Jahr 2015 16 Milliarden Dollar, was Buffett zu dem durchaus sarkastischen Ausspruch verleitet: „When you hear talk about America’s crumbling infrastructure, rest assured that they’re not talking about Berkshire.“

Während die Aktivitäten von Berkshire Hathaway im Eisenbahngeschäft nicht ganz unbekannt sind, ist das Engagement der Gesellschaft im Bereich der erneuerbaren Energien in der Öffentlichkeit weniger bekannt. Und doch ist BHE (Berkshire Hathaway Energy) mit einem Anteil von 7% an der in den USA erzeugten Windenergie und 6% der im Land erzeugten Solarenergie einer der größten Lieferanten von erneuerbarer Energie in den USA. Im Bereich Windenergie ist BHE die Nummer 1 und erzeugt viermal so viel Strom wie der größte Konkurrent. Insgesamt hat BHE im Lauf der Jahre an die 16 Milliarden in den Bereich erneuerbare Energien gesteckt.

Doch Buffett wäre nicht Buffett würde er sich nicht auch zu (gesellschafts-)politischen Dingen zu Wort melden. In seinem diesjährigen ‘Letter’ an die Berkshire Hathaway Aktionäre (publiziert im Geschäftsbericht 2015) schreibt er unter anderem: „Es ist ein Wahljahr und die Kandidaten können nicht aufhören über die Probleme unseres Landes zu sprechen (die nur sie lösen können). Das Resultat dieser negativen Trommelschläge ist, dass viel Amerikaner glauben, dass ihre Kinder nicht mehr so gut leben werden wie sie selbst. Das ist vollkommen falsch: Die Babies, die heute geboren werden, sind die glücklichste Gruppe in der Geschichte. (...)“

Anmerkung: Alle Briefe von Warren Buffett an seine Aktionäre seit dem Jahr 1977 können Sie übrigens hier abrufen: http://bit.ly/2bm8NYp - eine empfehlenswerte Lektüre, weil Sie wohl mehr über die Geisteshaltung und Denkweise von Warren Buffett vermitteln, als die zahlreichen Bücher die mittlerweile über ihn geschrieben wurden.

Aus dem aktuellen Schwerpunkt im be INVESTOR vom 12.08.2016. Dort finden Sie außerdem eine Story zu den Aktieninvestments von Warren Buffett und zu seinen Akquisitionen. Aufbereitet werden die Stories mit zahlreichen Grafiken und Tabellen u.a. zur:

* Entwicklung der liquiden Mittel von Buffetts Holding in den vergangenen 25 Jahren (Grafik siehe auch unten - Tabelle im PDF)

* Gewinnentwicklung von Berkshire Hathaway seit 1991

* Entwicklung des Buchwertes und Marktwertes der Holding im Vergleich zum S&P 500 seit 1965

* zu den größten Aktieninvestments

* zu den wichtigsten Tochterunternehmen

* und, und, und ...

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