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Österreichs 100-Prozent-Aktien

Der Höhenflug der globalen Biotech-Industrie hat sich auch 2015 fortgesetzt: Global operierende Biotech-Unternehmen erzielten das dritte Jahr in Folge neue Rekorde bei Kennzahlen wie Umsatz, Reingewinn, Finanzierung und Transaktionen, wie aus dem „EY Global Biotech Report“ hervorgeht. Die Umsätze der von EY analysierten Unternehmen in Europa und den USA stiegen um 13 Prozent auf 132,7 Milliarden US-Dollar. Die Gewinne kletterten um 18 Prozent auf 16,6 Milliarden Dollar. Dieses Wachstum spiegelt sich auch bei der Beschäftigung wider: Biotech-Unternehmen schafften 2015 über 33.000 zusätzliche Arbeitsplätze. Die Marktkapitalisierung stieg 2015 zwar insgesamt leicht, seit letztem Sommer ging aber ein Viertel an Wert verloren. Gerade die aggressiven Maßnahmen zur Kostensenkung im Gesundheitswesen bremsen den Aufwärtstrend und lassen vermuten, dass die Branche vorerst keine neuen Rekorde aufstellen wird. Das sind die Ergebnisse des Biotech-Reports der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY.

Erich Lehner, Partner und Industry Leader Biotechnology bei EY Österreich: „Trotz der erneut beeindruckenden Performance sehen sich in der kommerziellen Phase befindliche Biotech-Unternehmen zahlreichen Herausforderungen gegenüber: Insbesondere der zunehmende Preisdruck wegen immer aggressiverer Maßnahmen der Krankenkassen und weiterer Kostenträger bereitet Sorgen. Um das Vertrauen der Anleger in das langfristige Potenzial der Branche zu stärken und die Basis für zukünftiges Wachstum zu schaffen, müssen Biotech-Unternehmen Kostenträgern, Ärzten, Patienten und der Öffentlichkeit den Wert ihrer Produkte klar vor Augen führen.“

Umsätze und Gewinne im Aufwind. Die analysierten Biotech-Unternehmen erzielten 2015 mit einem Umsatzanstieg von 13 Prozent auf 132,7 Milliarden US-Dollar (Anstieg Vorjahr: 18 Prozent) ein neues Rekordhoch. 2015 stieg der Reingewinn um 18 Prozent auf 16,6 Milliarden Dollar, eine weitere neue Höchstmarke. 2014 war der Reingewinn um 214 Prozent hochgeschossen, größtenteils bedingt durch den starken Umsatz innovativer Hepatitis-C-Medikamente.

Jobwunder Biotech: 33.000 zusätzliche Arbeitsplätze. Der Aufwand für Forschung und Entwicklung (F&E) ist ein wichtiger Indikator für die Fitness der Branche. Er stieg 2015 um 16 Prozent auf 40,1 Milliarden Dollar, wovon zwei Drittel auf Biotech-Unternehmen mit weniger als 500 Millionen Dollar Umsatz entfielen. Das F&E-Wachstum zog damit sogar am Umsatzwachstum vorbei, was sich auf hohe Investitionen in zukünftige Wirkstoffe und Therapien zurückführen lässt.

Die Biotech-Branche erlebte zudem 2015 ein „Jobwunder“: Insgesamt arbeiteten bei den erfassten Unternehmen zum Jahresende 203.850 Menschen, das sind 19 Prozent mehr als im Vorjahr. Dieser massive Anstieg auf beiden Seiten des Atlantiks kann unter anderem damit erklärt werden, dass die Unternehmen an ihre Zukunft glauben und sich wichtige Fachkräfte gesichert und ihre Produktionskapazitäten ausgebaut haben. Allein die auf bioanalytische Dienstleitungen spezialisierte Eurofins Scientific hat 2015 rund 5400 Mitarbeitende rekrutiert, die großen Biotechs Regeneron und Gilead Sciences stellten je gut 1000 Menschen an. Zudem kamen 4000 Mitarbeitende dank Börsengängen ihrer Firmen neu in die Statistik.

Strategische Allianzen gewinnen an Bedeutung. Große Biotech-Unternehmen setzten 2015 zunehmend auf strategische Allianzen: Der potenzielle Wert dieser Verbindungen belief sich 2015 auf 55,4 Milliarden Dollar und erreichte damit einen neuen Spitzenwert. Auch Allianzen innerhalb der Biotech-Branche erreichten mit 20,9 Milliarden Dollar einen Höchstwert. „Das zeigt erneut die Wettbewerbsreife großer Biotech-Unternehmen auf und verdeutlicht, dass auch sie ihre Wachstumsherausforderungen zunehmend mithilfe von Allianzen zu meistern versuchen“, sagt Lehner. So wurden 2015 etwa 17 Vereinbarungen mit einem potenziellen Wert von mehr als einer Milliarde Dollar abgeschlossen, 2014 waren es nur zwölf, 2013 nur fünf gewesen. Im Durchschnitt leisteten Biotech-Lizenznehmer elf Prozent des potenziellen Gesamttransaktionswertes als Vorauszahlung, der Wert stieg zum vierten Mal in Folge. Bezeichnend ist, dass diese Vorauszahlungen beinahe zwei Milliarden Dollar an Eigenkapital beinhalten – ein Zeichen dafür, dass die Partner zunehmend daran interessiert sind, langfristige Beziehungen zu kleineren Biotech-Unternehmen aufzubauen.

Marktkapitalisierung stark gebremst. Über das ganze Jahr 2015 gesehen stieg die kumulierte Marktkapitalisierung der Branche lediglich um fünf Prozent auf 1,07 Billionen Dollar und lag damit weit unter den Wachstumsraten der Jahre 2013 bzw. 2014 von 65 beziehungsweise 34 Prozent. Nach fünf Jahren mit wachsender Marktkapitalisierung erreichte der Wert der Industrie am 19. Juli 2015 den historischen Höchstwert von 1,23 Billionen Dollar und ging bis zum 31. Mai 2016 um über ein Viertel auf noch 918 Milliarden Dollar zurück. „Eine Vielzahl von Faktoren hat dazu geführt, dass die Biotech-Bewertungen merklich gesunken sind. Dazu gehören sicherlich die im US-Wahlkampf geäußerten Bedenken über Arzneimittelpreise, steigende Unsicherheiten auf dem globalen Markt sowie Branchenrotationen durch Investoren. Die US-Valoren mussten zudem mehr leiden als die europäischen“, sagt Erich Lehner.

Um erfolgreich zu sein, müssen sich Biotech-Unternehmen aus Sicht von Lehner in Zukunft auch außerhalb der Branche auf neue Partner und insbesondere auf die Kostenträger einlassen, um Daten zu erheben, die den Produktwert unter Beweis stellen. „Heute stehen in jedem Therapiebereich mehrere Arzneimittel zur Auswahl. Neue Medikamente werden bei Markteinführung meistens nur als potenziell und nicht als nachweislich wertschöpfend eingestuft. Um diese Nachweislücke zu schließen, sind neue, datengestützte kommerzielle Modelle erforderlich, die den Übergang von potenziell zu nachweislich beschleunigen und die Kostenträger von der Wirkung der Therapie überzeugen. Bei der Erarbeitung solcher Modelle sind die Biotech-Firmen auf Partnerschaften mit Technologiefirmen angewiesen“, sagt Lehner. Und: Biotech-Unternehmen seien gut beraten, ihre Geschäftsmodelle und Strategien auf den Prüfstand zu stellen: „Die Biotechnologie ist längst den Kinderschuhen entwachsen und muss sich um Fragen kümmern, die viele reife Industrien beschäftigen. Es geht darum, nachhaltiges Wachstum zu sichern und echte Innovationen hervorzubringen – und das in einer Zeit, in der Ressourcenbeschränkungen den Wert von Produkten und Therapien verändern und neue digital tätige Firmen disruptive Energien freisetzen. Um in diesem Klima weiterhin zu wachsen, können Unternehmen nicht weitermachen wie gewohnt, sondern müssen in neue Fähigkeiten investieren, ihre Forschungs- und Entwicklungsstrategien erneuern und Geschäftsmodelle laufend anpassen“, sagt Lehner