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Beteiligungskapital: Österreich sackt im europäischen Investment-Ranking weiter ab

Die abgelaufenen Jahre waren am heimischen Beteiligungskapitalmarkt von einer bedrohlichen Dürre geprägt. Zwar weisen die jüngsten Zahlen zum Private Equity- und Venture Capital-Markt nach wie vor nicht zwingend auf einen Aufschwung hin, allerdings gibt es mit der Fundraising-Statistik einen gewissen Lichtblick. Insgesamt lässt sich aber feststellen, dass die nach wie vor fehlenden rechtlichen Rahmenbedingungen es unmöglich machen, institutionelles, privates Eigenkapital als nachhaltige Finanzierung für österreichische Unternehmen zu etablieren. Dabei könnte mit zukunftweisenden Rahmenbedingen die Wirtschaft angekurbelt werden. Mangels wettbewerbsfähiger rechtlicher Strukturen hat sich Österreich im europäischen Ranking der Investmentaktivitäten im Vergleich zu 2014 um zwei Plätze verschlechtert und spielt nun in einer Liga mit Ländern wie Bulgarien, Rumänien, Ukraine und Griechenland. Rudolf Kinsky, Präsident der Austrian Private Equtiy and Venture Capital Organisation (AVCO) gibt sich daher entschlossen: „International agierende Investoren meiden Standorte mit ungeregelten rechtlichen Rahmenbedingungen, wie es in Österreich zurzeit der Fall ist. Wir treten daher mit großem Nachdruck für die Schaffung international wettbewerbsfähiger Rahmenbedingungen auf Basis einer Personengesellschaft ein“.

Stabile Investments. Das Investment-Volumen blieb in 2015 stabil. Im Jahr 2015 wurden von österreichischen Beteiligungskapital-Fonds insgesamt 108,6 Mio. Euro in 129 kleine und mittlere Unternehmen im In- (72,5 Mio. Euro) und Ausland (36,1 Mio. Euro) investiert. Das Gesamt-Investitionsvolumen der österreichischen Wachstumskapitalgeber liegt damit um knapp drei Prozent über dem Vorjahreswert. Somit beträgt das von österreichischen Fonds investierte Volumen auch im Jahr 2015 (wie schon 2014) insgesamt 0,032 Prozent des BIP. Österreich hat sich damit im europäischen Ranking der Investmentaktivitäten um zwei Plätze, auf Position 20, verschlechtert. Auch hier besteht im internationalen Vergleich (EU-Durchschnitt: 0,302 Prozent des BIP) nach wie vor großes Aufholpotenzial. „Die Politik wird sich die Frage stellen müssen, ob sie eine aus Österreich heraus aktiv und wettbewerbsfähig agierende Wachstumskapital-Industrie haben will, oder ob sie dies lieber anderen Standorten überlässt“, stellt AVCO-Geschäftsführer Jürgen Marchart in den Raum.

Erfreulich wenige Totalausfälle. Mit rund 60 Mio. Euro (at cost) ist das Deinvestitions-Volumen laut AVCO-Statistik um 11 Prozent zurückgegangen. Wobei der Anteil der „Write-offs“, also der Totalausfälle, mit 8,5 Prozent immer noch erfreulich niedrig ist, wie die AVCO betont.

Fundraising als Highlight. Erfreulich hat sich das Fundraisingvolumen entwickelt: So wurden im Jahr 2015 insgesamt 111 Mio. Euro bei Kapitalgebern eingeworben. Gegenüber den 13 Mio. Euro in 2014 und 23 Mio. Euro in 2013 ist dies ein wahrhaftig großer Schritt. Dennoch ist die Ziffer differenziert zu betrachten, denn der Großteil der Summe kommt von einem einzigen Fonds, nämlich dem Frühphasen-Fonds Speedinvest II. Der Fonds hat ein Volumen von 90 Mio. Euro. Die Investoren sind Privatpersonen, das AWS, sowie erfolgreiche GründerInnen. So konnten u.a. bekannte österreichische Unternehmerpersönlichkeiten wie Hansi Hansmann, Eva Dichand, Gerhard und Michael Ströck, Hermann Hauser, Harti Weirather (WWP), Alfred Autischer, Oliver Auspitz oder auch das Gründerteam von Shpock, Katharina Klausberger und Armin Strbac, für den Fonds gewonnen werden. Speedinvest-Partner Oliver Holle erklärt sein Rezept: „Wenn man Venture Capital - in Österreich - machen will, dann muss man es neu erfinden. Internationaler Fokus, eigener unternehmerischer Ansatz, Augenhöhe mit unseren Gründern, und last but not least, unsere Kapitalbasis, die weitgehend selbst von Unternehmern kommt - dafür stehen wir und damit wollen wir den Beweis antreten, dass Venture auch in unserem Land eine große Zukunft hat.“

Das Faktum, dass, dem Vernehmen nach, an die 100 Private in den Fonds investiert haben, erklärt auch die Tatsache, dass laut AVCO-Daten erstmals die Investoren-Gruppe der „private individuals“ (Business Angels, Unternehmer) mit 74,28 Prozent den größten Anteil am Fundraising beigesteuert hat. Für AVCO-Geschäftsführer Jürgen Marchart sind die Fundraisingzahlen durchaus zufriedenstellend, dennoch bleibt es nun abzuwarten, ob es sich hierbei um eine Trendwende handelt (siehe Interview auf den nächsten Seiten). Aufgrund der Tatsache, dass derzeit in Österreich einige Fonds in Vorbereitung bzw. im Fundraising sind (Anmerkung: i4g, Alpine Equity und Venionaire wollen sich jeweils rund 100 Mio. Euro bei Investoren holen) darf man hinsichtlich der Fundraising-Statistik für 2016 aber optimistisch sein. In Gesprächen mit dem Börse Express beteuerten allerdings alle drei Fundraiser, dass es in Österreich derzeit kaum Institutionelle gibt, die in die Assetklasse Private Equity investieren. Somit wird das Kapital für die heimischen Fonds und damit für die heimischen Unternehmen großteils aus dem Ausland kommen.

Markt auf europäischer Ebene großteils stabil. Auf europäischer Ebene ist der Private Equity-Markt im Großen und Ganzen beständig geblieben. Invest Europe, vormals European Private Equity and Venture Capital Association (EVCA), hat ebenfalls kürzlich die Statistik für das Jahr 2015 vorgelegt. Demnach kletterten die Private Equity-Investments im Jahr 2015 gegenüber dem Vorjahr um 14 Prozent auf 47,4 Mrd. Euro.
 
Die Zahlen repräsentieren 1.200 europäische Private Equity-Companies, die etwa 91 Prozent des 564 Mrd. Euro-schweren Marktes (Anmerkung: gemanagtes Kapital) verkörpern. Im abgelaufenen Jahr profitierten in etwa 5.000 europäische Unternehmen von Private Equity- und Venture Capital-Investments. Davon waren 86 Prozent KMU. Etwa die Hälfte davon erhielt erstmals eine derartige Finanzierung. Im Venture Capital-Segment wurden 2015 fünf Prozent mehr, und zwar 3,8 Mrd. Euro, investiert. Der Buyout-Bereich wuchs um 16 Prozent auf 36,3 Mrd. Euro. Wachstumsinvestments erreichten ein Plus von 11 Prozent auf 6,5 Mrd. Euro. Das Fundraising blieb mit 47,6 Mrd. Euro etwa auf dem Niveau des Vorjahres (48,0 Mrd. Euro). Für den Bereich Venture Capital wurden 2015 5,3 Mrd. Euro aufgebracht (+8,0 Prozent), was den höchsten Wert seit 2008 bedeutet. Mehr als 40 Prozent kommt von Investoren ausserhalb Europas. Invest Europe liefert noch eine bemerkenswerte Zahl, nämlich: Seit der globalen Finanzkrise wurden über europäische Private Equity- und Venture Capital-Firmen 400 Mrd. Euro in 28.000 Unternehmen investiert.

Crowdfunding-Zahlen steigen rasant. Die oben erläuterten AVCO-Zahlen enthalten die Daten der AVCO-Mitglieder plus öffentlich zugänglicher Informationen. Nicht in den AVCO-Zahlen enthalten ist jenes Kapital, das durch Crowdinvesting für Unternehmen aufgebracht wurde. Wie im Börse Express regelmäßig berichtet, gewinnt Crowdfunding als Finanzierungsform bei Unternehmen immer mehr an Bedeutung. Speziell seit Inkrafttreten des neuen und in Europa vorbildhaften Alternativfinanzierungsgesetzes im September 2015, nehmen die Finanzierungen über Crowdinvesting zu. Laut Wirtschaftskammer konnten die heimischen Crowdinvesting-Plattformen im Jahr 2015 8,1 Mio. Euro einsammeln und dadurch 44 Projekte finanzieren. In dieser Ziffer sind allerdings nicht jene Kampagnen enthalten, die Unternehmen auf ihren eigenen Webpages promoteten. Schätzungsweise wird es im laufenden Jahr noch einmal zu massiven Steigerungen bei den Crowdinvesting-Kampagnen und -Summen kommen. Dazu beitragen werden mitunter die vermehrte Anzahl an Plattformen, als auch die erfolgreichen Aktionen der beiden Fußball-Clubs Rapid und Austria, die sich bekanntlich in Summe 4,5 Mio. Euro von der Crowd geholt haben.

Sechs Seiten Schwerpunkt Beteiligungskapital im be INVESTOR vom 30.05. 2016. Die komplette Story mit mehreren, umfangreichen Tabellen zur Entwicklung des österreichischen Beteiligungskapitalmarktes (zwischen 1995 und 2015, bzw. von 2007/08 bis 2015)  finden Sie in der aktuellen be INVESTOR-Ausgabe. Dort finden Sie auch ein Interview mit dem Geschäftsführer der AVCO zur aktuellen Situation des Beteiligungskapitalmarktes.

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