Haas: Gemischte Gefühle
Wie erwartet dominierten auch in der abgelaufenen Woche die Unternehmensberichte das Geschehen. Hin und wieder mischte sich auch eine Notenbank ein (die Bank of Japan sorgte mit einer kurzen Pause in ihrer Geldschwämme am Donnerstag für einen Kurseinbruch in Asien) und auch die Bewegungen an den Rohstoffmärkten dürfen nicht außer Acht gelassen werden (Öl konnte weiter zulegen), die großen Schwankungen gab es jedoch durch Firmenberichte.
Der wichtigste und zugleich einer der schmerzvollsten kam dabei wohl von Apple. Der Technologieriese (immerhin die größte börsenotierte Firma der Welt) legte enttäuschende Quartalszahlen vor. Auch der Ausblick für das zweite Quartal lag deutlich unter den Schätzungen der Analysten. Der große Erfolg der letzten iPhone-Generation hatte die Erwartungen an den Konzern aus Kalifornien in unerreichbare Höhen geschraubt. Mit diesem Bericht dürften sie jedoch auf ein deutlich realistischeres Niveau gesetzt werden. Ein deutliches Zeichen für die Enttäuschung der Analysten war auch, dass kaum ein Blick in die Zukunft gewagt wurde, im Rahmen des Conference Calls wurde die neue iPhone-Generation, die im September erwartet wird, nicht einmal erwähnt. Auf der Hardwareseite der Technologiebranche war Apple jedoch wohl kaum eine Eintagsfliege, die Schwäche bei PCs und Smartphones zieht sich wie ein roter Faden durch die Branche. Dementsprechend hinkte auch die technologielastige NASDAQ deutlich hinter den anderen amerikanischen Börsen her: Im Wochenverlauf stand ein Minus von 2,7% zu Buche, während der breitere S&P 500 „nur“ 1,3% verlor.
Dass der Technologiesektor aber alles andere als homogen ist, konnte man diese Woche auch anschaulich sehen: Die Quartalsberichte von Facebook und Amazon lesen sich als krasser Gegensatz zu den Problemen der Chiphersteller und Softwareanbieter. Beide Unternehmen haben eine Gemeinsamkeit: Sie dominieren ihre jeweiligen Märkte. Facebook ist praktisch das einzige relevante soziale Netzwerk, die meisten Firmen fangen gerade erst an, die Möglichkeiten dieses Marketingmediums auszuschöpfen. Die imposanteste Statistik: Die durchschnittliche Firma, die Werbung über Facebook betreibt bekommt für jeden investierten Dollar ca. 6,7 Dollar an zusätzlichem Umsatz. Es gibt deutlich schlechtere Wege, sein Marketingbudget unter die Leute zu bringen…
Auch Amazon dominiert seine Konkurrenz in beinahe allen Bereichen, in denen das Unternehmen Produkte anbietet. Durch eine aggressive Preisstrategie und eine überragende Auswahl kann die Firma ganze Branchen zerstören, wie man bereits seit langer Zeit an den Entwicklungen der großen Kaufhausketten ablesen kann. Neben den starken Kursgewinnen, die beide Aktien im Anschluss an ihre Berichte erzielen konnten, haben Amazon und Facebook jedoch noch eine Gemeinsamkeit: Ihre Erfolge sind vielfach aus unserem eigenen Verhalten ableitbar. Bereits für den legendären Investor Peter Lynch waren die eigenen Vorlieben beim Kauf ein guter Startpunkt für die Analyse. Denn so gerne wir uns alle als selbstständige und individuelle Wesen sehen: Im Endeffekt teilen wir doch viele gemeinsame Vorlieben. Die Betonung liegt hierbei jedoch auf dem Wort Startpunkt, denn ein gutes Produkt bedeutet nicht zwingend eine gute Firma, geschweige denn ein gutes Investment…
Schwieriger wird das Ganze im Industriebereich, da uns oftmals das „Gefühl“ für das Produkt fehlt. Hier können wir nach Querverbindungen suchen: Flugzeughersteller Boeing meldet Probleme bei der Auslieferung einiger Maschinen – welche Zulieferer könnten davon betroffen sein (die heimische FACC dürfte es wohl nur in geringem Ausmaß treffen, sie kämpft gerade an anderen Fronten). Die Ölservicegiganten Schlumberger (nicht die mit dem Sekt ;-)) und Baker Hughes melden weitere Rückgänge bei den Bohrausgaben. Wie sind die Auswirkungen auf den Ölpreis? Tendenziell positiv, da dies weniger Angebot bedeutet; gleichzeitig weisen sie jedoch darauf hin, dass im zweiten Quartal wohl die Talsohle erreicht sein dürfte.
Fügen wir diese Puzzlesteine zusammen, so zeichnet sich schön langsam ein gewisses Bild ab: Europa dürfte es doch besser gehen, als zu Jahresanfang erwartet. Die Wirtschaft in China zeigt sich in den meisten Bereichen robust, auch wenn es in einigen Branchen Anzeichen für Schwäche gibt (Smartphones, Maschinenbau und Luxusgüter); Nordamerika wächst weiterhin, jedoch nicht in einem überragenden Ausmaß und in einigen Sektoren dürfte es sogar Rücksetzer geben (Restaurants, Autos). Die einzige Region, aus der in praktisch allen Bereichen Hiobsmeldungen kommen ist Südamerika, angesichts der politischen Turbulenzen und der Rohstoffabhängigkeit vieler Länder sollte dies jedoch kaum jemanden überraschen.
Insgesamt dürfte das Umfeld wohl gemischt bleiben: keine großen Gewitterwolken, wie sie zu Jahresbeginn herbeibeschworen wurden, aber auch kein strahlender Sonnenschein. Eigentlich ein ideales Umfeld für eine selektive Einzeltitelauswahl…