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Strabag-CEO Thomas Birtel: „Unser Ergebnis wird von nennenswerten ­­Flop-Projekten belastet“

Börse Express: 2015 erzielten Sie laut vorläufigen Zahlen eine EBIT-Marge zwischen 2,3 und 3,0 Prozent – Analysten rechnen mit knapp 2,6 Prozent. Jetzt gehen Sie ab 2016 von einer nachhaltigen Marge von 3,0 Prozent aus – und gleichzeitig von einer gleichbleibenden Bauleistung. Dieses Ziel haben Sie nicht einmal im Rekordjahr 2011 erreicht und auch Analysten gehen ‚nur’ von 2,7 Prozent aus.

Legen Sie die Latte da nicht vielleicht ein bisschen hoch, was eine Gewinnenttäuschung nach sich ziehen würde? Oder anders gefragt: Was macht Sie so sicher, sich derart aus dem Fenster lehnen zu können? Eigentlich bleiben als Alternative die Forcierung margenstärkerer Aufträge, was aber schlecht prognostizierbar ist - oder ein neues Kostensenkungsprogramm ...

THOMAS BIRTEL: 2013 hat der Vorstand der Strabag SE eine ursprüngliche Zielrichtung bekräftigt, nämlich Ergebnis vor Umsatz. Konkret drückt das für uns die EBIT-Marge, also das Verhältnis von EBIT zum Umsatz, aus. Wir haben uns vorgenommen, ab 2016 nachhaltig eine EBIT-Marge von 3 Prozent zu erwirtschaften. Im Konzern war das erst einmal der Fall, nämlich 2007. Um dieses Ziel zu erreichen, muss uns aber der Markt nicht helfen. Wir setzen intern an zwei Hebeln an. Erstens wurde die sogenannte „Task force 2013ff“ eingesetzt, um Einsparungspotenziale aufzuzeigen. Es wurden seither viele Einzelmaßnahmen gesetzt, so konnten etwa Hierarchieebenen zusammengelegt werden. Dieses Kostensenkungsprogramm, wenn man es so nennen will, hat aber nur ein limitiertes Potenzial und wird voraussichtlich noch dieses Jahr abgeschlossen sein. Viel wichtiger ist hingegen die Verbesserung des Risikomanagements. Unser Ergebnis wird von nennenswerten Flop-Projekten belastet. In unserem Geschäft werden sich Flops nie ganz eliminieren lassen, aber wir arbeiten daran, Flop-Ursachen zentral zu analysieren und die daraus gezogenen „Lessons learned“ wieder an die Operative weiter zu geben. Auch hier ist der Effekt, wie bei der Task force, nicht gleich zu sehen, aber wir können einen kontinuierlichen Aufwärtstrend in der EBIT-Marge zeigen (Anm. 2013: 2,1%, 2014: 2,3%, 2015e: 2,6 – 3,0%).

Börse Express: Seit 2016 nennt sich die Strabag in Aussendungen nicht mehr der Baukonzern, sondern der Technologiekonzern für Baudienstleistungen. Soll das diesen Weg gen Digitalisierung nach außen zeigen?

THOMAS BIRTEL: Unsere Strategie besagt eindeutig: Wir sind ein Bauunternehmen und wollen eines bleiben. Aus Risikosicht ist es aber entscheidend diversifiziert zu sein - und das sind wir sowohl entlang der gesamten Bauwertschöpfungskette als auch nach Regionen. Das Bild der Bauindustrie ist noch immer ein recht antiquiertes, tatsächlich hat sich aber in den letzten Jahren sehr viel getan. Die Digitalisierung, die schon so viele Lebensbereiche verändert hat, hält auch in unserer Branche Einzug. Natürlich heißt das nicht, dass nicht noch immer Menschen Materialien in Bauwerken verbauen. Aber die Art und Weise, wie wir diese Bauwerke planen und wie wir den gesamten Lebenszyklus betrachten, hat sich wesentlich verändert. Innovationsfreude ist ein zentraler Unternehmenswert für uns. Wir haben – und das ist eine Besonderheit für ein Bauunternehmen – eine Zentrale Technik-Einheit mit über 885 Technikerinnen und Technikern, die daran arbeiten, dass wir als Strabag ganz vorne dabei sind was Innovation in der Baubranche betrifft. Diese innovative Ausrichtung kombiniert mit unserer Diversifizierung auch in baunahe Dienstleistungen wie etwa Facility Management wollen wir mit der Formulierung „Technologiekonzern für Baudienstleistungen“ nach außen zum Ausdruck bringen.

Börse Express: as kann ich mir unter Digitalisierung am Bau überhaupt vorstellen? SAP gibt es, CAD-Programme gibt es – und all das seit Jahrzehnten ...

THOMAS BIRTEL: Ein Schlagwort, das derzeit in aller Munde ist, ist BIM = Building Information Modelling. Oder wie wir es bei Strabag nennen, BIM.5D. Oft wird BIM missverstanden als Software. Das ist viel zu kurz gegriffen. Natürlich sind diverse Software-Tools wie etwa CAD-Programme schon viele Jahre im Einsatz. Auch Pläne in 3D darzustellen, ist nichts Neues. Was sich jetzt ändert, ist vielmehr die Zusammenarbeit der vielen Beteiligten am Bauprozess. Mit BIM.5D streben wir an, in einem zentralen Bauwerksdatenmodell möglichst alle relevanten Informationen von allen Gewerken über eine Datenplattform zu vereinen. Dem 3D-Modell werden noch weitere Dimensionen, etwa Materialien, Kosten und Zeitpläne hinzugefügt. Deswegen verwenden wir im Konzern exemplarisch das Kürzel „5D“ für diesen Prozess. Damit lassen sich Kollisionen bereits in der Planungsphase identifizieren und nicht erst während des Baus, wie es früher oft der Fall war. BIM.5D wird also die Reibungsverluste minimieren und darüber hinaus hat es eine Archiv-Funktion. Die Daten, die während des Baus gesammelten werden, können später die Qualität des Facility Managements erheblich verbessern.

Börse Express: Komplette Vernetzung der projektbezogenen Daten klingt ein bisschen nach Wunschdenken, wenn ich meine Erfahrungen etwa mit der E-Card in Erinnerung rufe. Warum sollten etwa Zulieferer Interesse haben, all ihre Daten - und damit Ihnen - zur Verfügung stellen - und damit ihre Margen offen legen?

THOMAS BIRTEL: Alle profitieren davon, Informationen zu Plänen, Materialien und Zeitplänen zu teilen um das komplexe Zusammenspiel der Gewerke wesentlich zu verbessern. In welche Richtung es bei der Kostentransparenz gehen wird, wird sich zeigen. In Modellen wie dem Cost-plus-Fee Modell sind wir ja schon auf einem Level, auf dem man mit der Auftraggeberschaft ganz offen und transparent über Kosten reden kann.

Börse Express: Ist das Thema eigentlich eines, das von Ihnen bzw. der Industrie forciert wird, oder ist das ähnlich der Registrierkasse – der Fiskus will das vor allem?

Das Thema kommt von der Bauwirtschaft selbst. Strabag engagiert sich hier seit Jahren im Rahmen des Baunetzwerkes encord. Eine branchenrevolutionierende Veränderung wie es BIM.5D sein wird, kann man nicht alleine voranbringen. Wir bemühen uns, viele große Player zusammenzubringen. So reden wir zum Beispiel mit den Software-Entwicklern über unsere Anforderungen, damit diese passende Lösungen erarbeiten können. Auch die Zulieferer wollen wir an Bord haben – beide Seiten profitieren davon, wenn sie Informationen entsprechend zur Verfügung stellen.

Börse Express: Und wodurch genau sehen Sie in der Digitalisierung ein margenerhöhendes Element für die Strabag? Und ist dieser zu beziffern?

Digitalisierung führt zu reibungsloserer Projektabwicklung und damit zu einer effizienteren Bauproduktion. Daneben ist BIM.5D auch als ein Risikomanagement-Tool zu verstehen. In unserer internen Analyse der Flop-Projekte zeigt sich, dass die meisten Fehler nicht während des Baus sondern schon davor, also während der Planung gemacht werden. BIM.5D kann also wesentlich zur Verbesserung der Planungsphase beitragen. Die Planung in 3D ermöglicht uns, dem Kunden, der Kundin schon vorab ein anschauliches Bild des Objekts zu zeigen und damit ihre Vorstellungen besser umzusetzen.

Börse Express: Da wir das von den Versicherern in teurer Erinnerung haben. Was kostet Sie die Digitalisierung des Geschäfts?

THOMAS BIRTEL: Wie schon gesagt, BIM.5D ist kein Software-Paket. Es kann damit auch schwer beziffert werden, wie viel hier in den letzten Jahren investiert wurde, da es sich ja um eine kontinuierliche Entwicklung der bestehenden Tools aber insbesondere um eine Verbesserung der Kommunikationsplattformen handelt. Ein Projekt in BIM.5D zu planen erfordert natürlich in der Planungsphase höhere Investitionen. Aber diese zahlen sich aus, wie das Hochbau-Projekt BLOX/Bryghus in Dänemark zeigt. Jeder in die BIM.5D Planung investierte Euro erbrachte sechs Euro an Ersparnis in der Ausführungsphase.

Börse Express: Langfristig betrachtet: Wenn wir das gläserne Bauvorhaben branchenweit umgesetzt haben – wodurch kann ein Einzelner wie etwa die Strabag dann noch gegenüber Konkurrenten punkten? Verspielt man damit nicht so etwas wie einen Know-how-Vorteil?

THOMAS BIRTEL: Wir denken, dass die Digitalisierung der ganzen Branchen dabei helfen wird, selbst komplexe Vorhaben besser und genauer kalkulieren zu können. Momentan befinden wir uns in einem extremen Preiskampf, in dem wir immer wieder mit Mitwerbern konfrontiert sind, die in Wahrheit unrentabel kalkulieren – aber eben oft aus Unwissenheit. Wir hoffen darauf, dass dies in Zukunft abnimmt und fairere Preisbedingungen herrschen werden.

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