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Wenn Analysten irren: Bergbau-Aktie Anglo American wird nicht geliebt, aber dafür gekauft

Unter den Blue-Chip-Aktien in London weist ausgerechnet diejenige die beste Entwicklung auf, bei der die meisten Analysten zum Verkauf raten.

Der Aktienkurs von Anglo American Plc hat sich in diesem Jahr mehr als verdoppelt und weist damit die beste Performance im britischen Leitindex FTSE 100 auf. Gleichzeitig empfiehlt mehr als die Hälfte der Analysten, den Diamanten- und Eisenerzproduzenten, dessen Kurs am 26. Januar auf ein Rekordtief eingebrochen war, zu verkaufen.

Von den 30 von Bloomberg erfassten Analysten raten lediglich zwei, die Anglo-Aktie zu kaufen. Von allen FTSE-Mitgliedern kommt der Bergbaukonzern auf das schlechteste Konsens-Investmentrating.

Anglo ist nicht die einzige Aktie, bei der Analysteneinschätzung und Kursentwicklung gegenläufig sind. Europäische Minenwerte haben 25 Prozent zugelegt und weisen damit die beste Entwicklung unter den Branchen im Stoxx Europe 600 Index auf. Von den Analysten wird die Branche jedoch am schlechtesten bewertet.

"Diese Rally hat fast jeden auf dem falschen Fuß erwischt", sagt Jeremy Wrathall, Leiter Rohstoffwerte weltweit bei Investec Plc in London. Dennoch behält die Bank ihre Verkaufsempfehlung für die Aktie bei, die sie im Januar abgestuft hatte - ebenso wie bei Glencore Plc und Antofagasta Plc.

Fairerweise muss man dazusagen, dass die Spitzenaktien dieses Jahres im vergangenen Jahr noch die schlechteste Entwicklung vorwiesen. Anglo American verlor 2015 rund drei Viertel des Marktwertes - mehr als jede andere FTSE-100-Aktie. Lediglich die Hälfte dieser Verluste hat Anglo in diesem Jahr wieder aufgeholt.

Der Konkurrent Glencore, der die zweitschlechteste Entwicklung in London im vergangenen Jahr aufwies, steht auf Platz zwei der Gewinnerliste 2016. Kehrtwende

Ein wichtiger Grund für die Kehrtwende bei den Kursen ist die Erholung der Rohstoffpreise. Der Bloomberg Commodity Spot Index hat seit Jahresbeginn 12 Prozent zugelegt, nachdem er 2015 noch 18 Prozent eingebrochen war. Auslöser waren nicht zuletzt Anzeichen für eine Erholung der Nachfrage aus China, dem größten Verbraucher von Rohstoffen.

Zudem haben sich Bergbaukonzerne wie Anglo und Glencore darum bemüht, ihre Schulden abzubauen und schwächere Geschäftsbereiche abzustoßen. Anglo plant mehr als die Hälfte der Minen loszuwerden und sich aus Eisenerz und Kohle zurückzuziehen,um sich auf die erfolgreichsten Geschäftsbereiche zu konzentrieren - Diamanten, Platin und Kupfer. Die am Donnerstag bekanntgegebenen Förderzahlen für das erste Quartal seien ermutigender gewesen als die Ergebnisse des Vorjahres, schrieb Sanford C Bernstein in einer Studie.

"Wenn Anglo die Entwicklung vom jetzigen Zustand zu dem, in dem das Unternehmen in fünf Jahren sein will, hinbekommen, ist es meiner Meinung nach wirklich interessant", sagt Clive Burstow, Vermögensverwalter bei Baring Asset Management Ltd. in London. Baring hält Aktien von Glencore, Rio und BHP Billiton Plc aber nicht von Anglo American. "Sie müssen jetzt Ergebnisse zeigen." Experten bleiben skeptisch

Auch wenn einige die Entwicklungen bei den Bergbaukonzernen gelobt haben, bleiben die Analysten weiter skeptisch und haben ihre Bewertungen nicht angehoben. Im Gegenteil.

Diese Woche senkte Citigroup Inc. den Ausblick für Metall- und Bergbauaktien von Neutral auf Pessimistisch. Zur Begründung hieß es, dass durch die Rally im ersten Quartal die Bewertungen kurzfristig zu hoch seien. Barclays Plc erklärte, dass die jüngste Verbesserung bei den chinesischen Daten auf Dauer nicht haltbar sei.

Zwar sind Unternehmen wie Anglo und Glencore die Stars des Jahres 2016, durch ihren hohen Verschuldungsgrad bleiben sie jedoch verwundbar, warnt Wrathall. Investec rät Investoren, beide Aktien zu verkaufen und stattdessen auf den größeren Konkurrenten Rio Tinto Group zu setzen.

"Die Bewertungen sind ein bisschen zu weit vorgeprescht", sagt Wrathall. "Es ist immer noch recht sicher, auf die handfesten Aktien zu setzen, statt sich auf die stark verschuldeten zu konzentrieren, auch wenn sich diese zuletzt am besten entwickelt haben."

(Bloomberg)