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Öl nach dem Zwölfjahrestief: 20 Dollar je Barrel als realistisches Ziel

Als Ed Morse vor elf Monaten als Chef der Rohstoffanalyse bei Citigroup einen Ölpreis von 20 Dollar je Barrel prognostizierte, haben ihn die meisten Marktteilnehmer ignoriert. Mittlerweile ist Rohöl auf ungefähr 30 Dollar gefallen - und der Markt hört jetzt durchaus zu.

Einen Rohölpreis unter 30 Dollar hat es seit mehr als zwölf Jahren nicht mehr gegeben. Am Dienstag war das kurzzeitig der Fall, als WTI bis auf 29,93 Dollar je Barrel abrutschte und sich anschließend etwas stabilisierte. Das war nur wenige Stunden, nachdem der britische Ölkonzern BP Plc weitere 4000 Stellenstreichungen angekündigt hatte. Der brasilianische Ölmulti Petroleo Brasileiro SA schrumpfte seine Investitionspläne und Petroliam Nasional Bhd. aus Malaysia warnte die Märkte gleich vor einer ganzen Reihe schwieriger Jahre.

Analyst Morse hatte am 9. Februar einen Ölpreis "im Bereich von 20 Dollar über einen Zeitraum" prognostiziert. Am Dienstag (Ortszeit) im kanadischen Calgary erneuerte er diese Prognose und sie klingt mittlerweile gar nicht mehr unrealistisch.

“Über die 20 Dollar muss geredet werden", mahnte Morse. Bei einem Preisniveau von 30 Dollar je Barrel WTI und angesichts von Preiseinbrüchen um zehn Dollar sei die Wahrscheinlichkeit ziemlich groß. "Die Ölmärkte können Preise unter 30 Dollar nicht sehr lange verkraften. Die Frage ist, wie lange das noch andauern kann", sagte er.

Der niedrige Ölpreis kann insbesondere in den USA solche Ölfirmen ins Taumeln bringen, die Kreditzusagen vereinbart haben, welche an einen bestimmten Verschuldungsgrad in Relation zum Gewinn oder einen bestimmten Zinsaufwand im Verhältnis zum Gewinn gekoppelt sind. Hier wird es zunehmend schwieriger, eine Finanzierung zur Weiterführung des Betriebs zu erlangen, wie Fitch-Direktor Mark Sadeghian sagte.

Der mit den weltweit wichtigsten Rohstoffen besetzte Bloomberg Commodities Index ist zuletzt auf das niedrigste Niveau seit mindestens 1991 gefallen. Das unzureichende und schwindende Wirtschaftswachstum in Schwellenländern dämpft die Nachfrage, die auf ein flutartiges Überangebot am Markt trifft. Das ist die Folge von Investitionen in die Förderung, die vor einem halben Jahrzehnt zu den Zeiten des Preisbooms getätigt wurden.

Und für viele Förderländer und Ölkonzerne ist der Preisverfall recht dramatisch. Malaysia verliert nach Schätzungen seiner Regierung für jeden Dollar, um den sich das Barrel Rohöl verbilligt, 300 Mio. Ringgit (63,2 Mio. Euro). ConocoPhillips verliert nach Schätzungen der Barclays Plc für jeden Preisverfall von zehn Dollar bei Rohöl 1,79 Mrd. Dollar Quartalsgewinn.

Das US-Energieministerium EIA in Washington hat zuletzt die eigene Ölpreisprognose für das Jahr 2016 um 24 Prozent auf 38,54 Dollar je Barrel gekürzt. Im monatlich erscheinenden Ölmarkt- Ausblick wurde die Rückkehr zu einem Gleichgewicht am Ölmarkt für 2017 in Aussicht gestellt.

(Bloomberg/hf)