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Haas: Durchatmen

Eines ist sicher: Es gibt immer ­irgendwo einen steigenden Markt, man muss ihn nur finden

Am Freitag vorletzter Woche ein miserabler Arbeitsmarktbericht aus den USA, am Mittwoch ein überraschend hoher Einbruch der deutschen Exporte, dazu noch eine Gewinnwarnung des größten europäischen Stahlhändlers, sowie von der Deutschen Bank und ein verhaltener Beginn der US-Berichtssaison. Das Resultat: der DAX legte im Wochenverlauf über 5 Prozent zu, der heimische ATX knapp 5,4 Prozent und Einzelwerte wie beispielsweise RBI (+16,4%), OMV (+11,4%) und Immofinanz (+10,3%) konnten sogar noch deutlichere Gewinne aufweisen. Bizarr? Durchaus. Unlogisch? Nicht ganz.

Sehen wir uns die Problemfelder an, über die wir letzte Woche gesprochen haben. Zuallererst fällt auf, dass die negativen Nachrichten aus den VWs, Glencores, und Petrobras‘ dieser Welt stark nachgelassen haben. Bei ersterer Firma setzt sich nun schön langsam die zentraleuropäische Sichtweise durch: Der Dieselskandal dürfte zwar viel Geld und Ansehen kosten, aber ansonsten keine firmenbedrohenden Konsequenzen haben. Danke liebe Freunde aus Übersee für diese Einsicht!

Auch in das Thema Petrobras kam diese Woche Bewegung, das Sentiment drehte sich hier stark aufgrund von gleich zwei positiven Entwicklungen. Zum einen setzte sich im Verlauf der Woche immer mehr die Ansicht durch, dass die US-Notenbank ihre erste Zinserhöhung wohl doch auf 2016 verschieben dürfte. Als Grund dafür wird der sehr schwache Arbeitsmarktbericht genannt, immerhin war die gute Jobsituation einer der wichtigsten Gründe für die Fed die Zinsen zu erhöhen. Dadurch ging die Angst vor einer Aufwertung des Dollars zurück (aufgrund höherer Zinsen wären US-Staatsanleihen für ausländische Investoren attraktiver, was die Nachfrage nach Dollar erhöhen würde). Da fast alle wichtigen Rohstoffe in US-Dollar notieren und eine Währungsaufwertung deswegen einen weiteren Verfall der Rohstoffpreise bedeutet hätte (ein starker US-Dollar verteuert die Waren für alle Investoren, die in anderen Währungen bezahlen), setzte eine breite Rally ein: von Kupfer über Baumwolle bis hin zu Silber konnten die Preise anziehen.

Besonders gut erwischte es jedoch das Erdöl: +10,6 Prozent stehen seit Wochenbeginn für die amerikanische Sorte WTI zu Buche. Hier halfen Berichte über eine geringere Produktion in den USA sowie Gerüchte über mögliche OPEC-Förderkürzungen. Eine deutliche Steigerung beim Ölpreis und keine starke Erhöhung des US-Dollar: nicht schlecht für einen großen Ölkonzern, dessen Verschuldung vor allem in US-Dollar denominiert ist…

Zur positiveren Stimmung hat wohl auch China beigetragen, zumindest indirekt. Der Markt war nämlich bis Donnerstag geschlossen aufgrund der Nationaltagswoche (wenn man das ganze Jahr über 7 Tage die Woche arbeitet darf man schon mal den Nationalfeiertag etwas ausgelassener feiern!). Dementsprechend war die Nachrichtenlage aus der Volksrepublik dünn, ganz nach dem Motto: „No bad news is good news“.

Etwas mehr Bad News gab es diesmal von der Unternehmensseite: Der große deutsche Stahlhändler Klöckner sowie die Deutsche Bank überraschten jeweils mit einer Gewinnwarnung. Bei beiden Firmen wirkte sich dies jedoch eigentlich kaum auf die Aktien aus: Klöckner schloss am Tag nach der Veröffentlichung der Meldung sogar im Plus, nachdem die Aktie zwischenzeitlich über 8 Prozent im Minus lag. Auch die Abgaben bei der „Deutschen“ hielten sich in Grenzen. Die Meldung wurde als eine Art „Ausputzen“ vor den Investorenmeetings in den nächsten Wochen gesehen. Immerhin will man ja, dass die Leute ihr Buffet genießen können!

Man könnte die Kursreaktion aber auch anders interpretieren, nämlich insofern, dass die schlechten Nachrichten bereits in den Kursen „eingepreist“ waren, da diese schon im Vorfeld stark gefallen waren: bei der Deutschen Bank waren es über 25 Prozent seit dem Höchststand im April, Klöckner bewegte sich sogar in der Nähe von Mehrjahrestiefs.

Wenn man das Ganze zusammenfasst, gab es eine Kombination aus den letzte Woche gebrachten Lösungsvorschlägen: niedrigere Kurse, Notenbankinterventionen und eine Verbesserung bei unseren drei „Problemfirmen“. Wie geht es nun weiter? Aus makroökonomischer Sicht dürfte wohl das Thema China weiter dominieren und in weiterer Folge liegt der Fokus voraussichtlich auf den Rohstoffpreisen als Messlatte für die Gesundheit der Wirtschaft (die Wirtschaftsdaten aus China selbst müssen immer mit Vorsicht genossen werden). Kurzfristig lautet die Frage: Kann der Ölpreis (WTI) die 50 US-Dollar-Marke knacken und sich darüber halten oder handelt es sich bei der Rally der letzten Woche um den so gefürchteten „Dead Cat Bounce“, den letzten Anstieg vor einem weiteren Rückgang?

Wenn Ihr Zeithorizont jedoch über die nächsten 1 bis 2 Wochen hinausgeht, dürfte die beginnende Berichtssaison wichtige Impulse liefern. Den Anfang machen wie immer die US-Werte. So mancher Investor versucht dabei, die Quartalszahlen vorab zu erraten, was in den meisten Fällen jedoch höchstens eine ähnliche Gewinnchance hat wie ein Münzwurf. Deutlich vielversprechender ist dabei die „Knickerbockerbande“-Methode: Die einzelnen Firmen genau unter die Lupe nehmen, auf der Suche nach Spuren, wo der nächste Bullenmarkt sich verstecken könnte. Denn eines ist sicher: Es gibt immer irgendwo einen steigenden Markt, man muss ihn nur finden…

Investmentstrategie. Nach wie vor sind wir aus Bewertungsgründen in Aktien gegenüber Anleihen übergewichtet. Auf der Equityseite bevorzugen wir – verglichen mit dem MSCI World – Europa gegenüber den USA. Japan erscheint uns nach wie vor attraktiv, in den Emerging Markets sind wir nur gering investiert. Anleihenseitig präferieren wir flexible Total Return-Produkte, die dynamisch auf verschiedenste Marktgegebenheiten reagieren können, sowie Convertibles, die auch von einem positiven Aktienumfeld profitieren können. Weniger attraktiv erscheinen uns hingegen klassische Staatsanleihen von Industrienationen, hier erachten wir das Chancen/Risikoprofil für nur bedingt attraktiv.