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Stefan Doboczky: "Entscheidend ist, dass Ergebnisse geliefert werden“

Börse Express: 30 Jahre Lenzing an der Börse – und Sie wenige Wochen an der Spitze des Unternehmens. Wie ist Ihre prinzipielle Einstellung zur Aktie als Finanzierungs- aber auch Anlageinstrument?

STEFAN DOBOCZKY: Es steht außer Zweifel, dass moderne Volkswirtschaften ohne funktionierenden Markt für Beteiligungskapital im weiteren Sinn nicht funktionieren. Der technologische Fortschritt der vergangenen 200 Jahre wäre zudem ohne Aktienkapital nicht möglich gewesen. Umgekehrt muss das Risiko einer Unternehmensbeteiligung auch belohnt werden – durch entsprechende Renditen.

Börse Express: Derzeit hat das operative Einarbeiten für Sie sicher Priorität – aber wenn ich Sie nach dem aktuellen Kurs der Lenzing-Aktie fragen würde?

STEFAN DOBOCZKY: ...antworte ich darauf, dass ich in dieser Frage der falsche Ansprechpartner bin. Ich halte mich an den Grundsatz „Management runs the company“.

Börse Express: Wird der Kapitalmarktauftritt bzw. der Umgang mit diesem unter Ihnen eine Veränderung erfahren?

STEFAN DOBOCZKY: Als ATX-Unternehmen mit einem beachtlichen Streubesitz werden wir die bisherige Kapitalmarktpolitik fortsetzen.

Börse Express: Bleiben wir beim Thema Veränderung. Was wird sich unter Ihnen bei Lenzing ändern?

STEFAN DOBOCZKY: Wir arbeiten derzeit an unserem Strategie-Update. Ich kann daher jetzt noch nichts Konkretes dazu sagen.

Börse Express: Sie waren viele Jahre für DSM in China tätig und gelten als Kenner der Region. Macht sich die Welt zu Recht sorgen über Chinas Konjunktur bzw. die Qualität der dortigen Daten(erhebung)?

STEFAN DOBOCZKY: Wir sollten die Diskussion der letzten Wochen etwas gelassener nehmen. China ist und bleibt eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt und für Lenzing einer der wichtigsten Absatzmärkte. Ich bin sicher, dass die chinesische Regierung den, von ihr selbst eingeleiteten Transformationsprozess hin zu einer Stärkung des Binnenmarktes und die Forcierung nachhaltigen, qualitativen Wachstums letztlich gut bewältigen wird.

Börse Express: Ist jetzt kein Weltuntergangsszenario für die Region. Heißt dann aber auch, Sie sind nicht gekommen, damit Lenzing in Asien die Segel kappt ...

STEFAN DOBOCZKY: Im Gegenteil. Asien wird aufgrund der makroökonomischen Entwicklung der Region in den kommenden Jahren noch an Bedeutung für Lenzing gewinnen.

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Börse Express: Woran würden Sie sich gern am Schluss Ihrer Lenzing-Tätigkeit messen lassen?

STEFAN DOBOCZKY: Daran, was wir erreicht haben - und zwar für alle Stakeholder - und daran, wie wir das erreicht haben - im Sinne der Nachhaltigkeit.

Börse Express: Die Erreichung einer gewissen Finanzkennzahl hätte jetzt auch eine Antwort sein können. Warum nicht bzw. was halten Sie überhaupt von der Kennzahlenbesessenheit des Kapitalmarkts?

STEFAN DOBOCZKY: Kennzahlen sind unabdingbare Instrumente zur Objektivierung des Zustandes und der Leistungsfähigkeit von Unternehmen. Sie können mit Kennzahlen vieles, aber letztlich nicht alles darstellen. Am Ende des Tages geht es auch darum, was ein Unternehmen für die Verbesserung der Lebensumstände der Menschen geleistet hat. Das kann man nicht alles in Zahlen gießen.

Börse Express: Was bringen Sie aus Ihrer Sicht in Lenzing ein, was in der aktuellen Situation hilfreich ist?

STEFAN DOBOCZKY: Meine zehnjährige Asien- und China-Erfahrung und meinen Willen zum Gestalten und zur Erneuerung.

Börse Express: Nicht nur Sie, sondern eigentlich der gesamte Vorstand ist neu. Aus Ihrer Sicht eher Vor- oder Nachteil?

STEFAN DOBOCZKY: Dies hat Vor- und Nachteile. Neue Kräfte können mit frischerem Blick nach vorne schauen. Anderseits fehlt aber der historische Kontext.

Börse Express: Sehen Sie sich als Teamplayer der seine Spezialisten hat – hier wäre ein längeres Kennen und dadurch entstandenes Vertrauen sicher hilfreich -, oder verlängert das im Fall der Fälle nur die Entscheidungsfindung?

STEFAN DOBOCZKY: Ich sehe mich als Teamplayer - für mich sind Geben und Nehmen sowie das entsprechende Vertrauen wichtig. Entscheidend ist aber, dass Ergebnisse geliefert werden.

Börse Express: Da der Standort Österreich vielfach in der Kritik steht: Wie sehen Sie die Lage – auch im Vergleich etwa zu China?

STEFAN DOBOCZKY: Bis jetzt hat sich Österreich global ganz gut behaupten können, vor allem durch hohe Produktivitätssteigerungen, die gute Ausbildung der Mitarbeiter, verfügbare Technologien und relativ günstige Finanzierungskosten. Andere Länder holen dabei aber massiv auf, weshalb wir uns in Österreich weiter entwickeln müssen. Das ist vor allem eine politische Entscheidung, welche Rahmenbedingungen man der Industrie bietet. Gegen die asiatische Herausforderung werden wir nur bestehen können, wenn wir eine hochproduktive Industrie im Land halten können, die letztlich der Motor für sozialen Wohlstand und Frieden ist.

Börse Express: Letzte Frage: Strategie-Update ist wann erwarten?

STEFAN DOBOCZKY: Mitte November – wie angekündigt.

Aus dem Börse Express PDF vom 25. September. Dort mit allen Charts und Grafiken - und 30 Jahre Lenzing an der Börse: Der alles überrennenden Perle aus der Krone. Zum Abo geht es unterhttp://bit.ly/byCn49 - Abonnenten haben Zugriff auf das komplette PDF-Archiv.