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Die Zeit ist reif für eine Ethik-Bank - Regulatorik bleibt ein Stolperstein

Anlässlich des Projekts Bank für Gemeinwohl, das langsam in die Gänge kommt, diskutierten Robert Moser, einer der beiden Vorstände der EigentümerInnen-Genossenschaft der zu gründenden Bank für Gemeinwohl, Norbert Wolf, Geschäftsführer der Steyler Ethik-Bank, die seit 2002 eine Zweigniederlassung in Österreich betreibt und Günter Benischek, Vorstand der Zweiten Sparkasse und Leiter der Erste Bank-Stabsstelle Social Banking.

Cafe BE: Wie muss man sich das Geschäft in der Zweiten Sparkasse vorstellen?

Günter Benischek: Wir können nur ausgeglichen bilanzieren, weil wir unser Eigenkapital veranlagen und weil wir mit 400 Freiwilligen die Bank darstellen und daher keine Personalkosten haben. Wir zahlen zwar für die Leistungen, die wir konsumieren, z.B. in der EDV, das geht sich aber mit der Eigenkapitalveranlagung halbwegs aus. Wir haben auch keine Gewinnabsichten sondern versuchen nur unserem Zweck gerecht zu werden.

Wieso wurde die Zweite Sparkasse ausgerechnet 2006 gegründet?  

Günter Benischek: Das hat mit der Erste Stiftung zu tun, die 2003 aus der Ersten Österreichischen Spar-Casse hervorgegangen ist und mit deren Mitteln wir gegründet wurden. Die Stiftung - Hauptaktionär der Erste Group - hat es sich zum Ziel gemacht, die Dividenden und Erträge aus der Erste Group in kulturelle, soziale und den Europagedanken stärkende Projekte zu stecken, in den Ländern wo wir vertreten sind. In Österreich haben wir uns damals mit großen NGOs und der Schuldnerberatung zusammengesetzt und deren Wunsch war ein Girokontoangebot für Menschen, die keines bekommen.

Das war ja ehemals der Zweck der Sparkassen, oder?

Günter Benischek: Ja, die Ideenfinder haben sich viel mit den Gründungsurkunden der Sparkassen befasst. Denn 1819 als in Wien die erste Bank für solche Menschen eröffnet wurde, war Österreich schon einmal reif für eine ethische Bank. Im ländlichen Bereich entstanden dann - mit demselben Zweck - die Raiffeisenbanken.

Und wie entwickelte sich bei der Zweiten Sparkasse das Geschäft?

Günter Benischek: Nun, zu Beginn, haben wir mal geschaut, wie viele Ehrenamtliche wir für die Arbeit gewinnen werden, 30 bis 40 haben wir gedacht. 400 waren es dann und erst da ist es möglich geworden, die Bank ohne hauptamtliche Mitarbeiter zu führen. Die 400 sind uns auch bis heute nicht davongelaufen. Wenn es um die Kunden geht, so haben wir seit 2006 rund 13.000 betreut, derzeit haben wir noch 8500.

Dieser Rückgang ist ja gewollt.

Günter Benischek: Ja. Unsere Kunden sollten nach drei Jahren mit ihren Finanzen so weit sein, dass sie von einer normalen Bank gerne genommen werden. 2000 bis 2500 Kunden haben wir so schon in das normale Bankwesen übergeleitet. Der Rest hat uns aus anderen Gründen verlassen. Die Konten werden übrigens mit den Kosten, die ein Girokonto üblicherweise hat, belastet, aber als Kaution deponiert und der Kunde kann sie - quasi als Belohnung - in die normale Bank mitnehmen.

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Robert Moser: So wie Sie, leben auch wir derzeit von den vielen Ehrenamtlichen oder den pro bono-Mitarbeitern wie Rechtsanwälten oder Steuerberatern. Diese enorme Bereitschaft fasziniert mich.
Günter Benischek: Ja, mich auch. Von unseren 400 Ehrenamtlichen sind ungefähr die Hälfte ehemalige Sparkassen-Mitarbeiter, also Pensionisten, und die andere Hälfte sind noch aktive Mitarbeiter. Ich bewundere das.
Robert Moser: Ich denke, das ist die Sinnsuche. Sinn finde ich, wenn ich bei etwas dabei bin, was neu entsteht oder bei etwas Sozialem, was anderen Menschen weiterhilft. Viele Menschen wollen sich so ein zweites Standbein aufbauen, können es es aber nicht, weil sie Geld verdienen müssen.

Hat sich nicht die Öffentlichkeit von den Bankern ein ganz anderes Bild gemacht?

Norbert Wolf: Ja, in der Bewertungsskala ist der Beruf des Bankers bei den Menschen derzeit ganz unten angesiedelt. Aber diese vielen Freiwilligen sind positive Signale. Auch das muss man herausstellen.
Günter Benischek: Nur mittlerweile hat unser Image so gelitten, dass auch die guten Taten verdächtig sind. Wir müssen uns auf die Wirkung konzentrieren. Auch ich bin bei diesen vielen CSR (Corporate Social Responsibility)-Aktivitäten - nicht nur in der Bankenbranche - skeptisch, weil Vieles nur getan wird, um Anderes, was die Aktionäre aufregt, zu übertünchen.
Norbert Wolf: Aber das ist auch etwas, was ich generell kritisiere, auch was die Finanzprodukte angeht. Auf Tagungen zum Thema Nachhaltigkeitsprodukte höre ich immer: Ja, wir machen das um Reputationsrisiken zu vermeiden. Das ist komplett der falsche Ansatz. Es geht auch nicht darum, die Risiken im Portfolio niedriger zu halten. Das sind allerdings derzeit in Deutschland die Motivationstreiber, die das nachhaltige Investment fördern. Ich halte das aber nicht für die Obermotivation in nachhaltige Fonds anzulegen oder zu einer Ethik-Bank zu gehen.
Günter Benischek: Ich habe die gleiche Beobachtung gemacht. Bei dem ganzen Spektrum der Nachhaltigkeitsfonds der Erste Group sind die Kriterien wirklich überzeugend. Zum Beispiel ist Apple nicht im Portfolio drinnen, weil die bei ihren Zulieferfirmen große personelle Probleme haben. Bei den Privatanlegern landen die Fonds aber selten, dafür aber bei den institutionellen Kunden, die eben dieses Reputationsrisiko vermeiden wollen.

Kehren wir zur Grundfrage zurück. Sind Zeit und Österreich nun - wieder - reif für eine Ethik-Bank?

Günter Benischek: Ich glaube schon. Es gibt immer mehr Kunden, denen es nicht egal ist, was mit ihrem gesparten oder investierten Geld passiert. Bei den angesprochenen Nachhaltigkeitsfonds steigt die Nachfrage, insbesondere, weil man auch nachweisen kann, dass kein zinsenmäßiger Nachteil entsteht. Daher scheint mir die Zeit reif für eine Ethik-Bank in Österreich.

Warum gibt es dann noch keine?

Günter Benischek:  Weil der Markt zu klein ist. Ich habe zum Beispiel die deutsche GLS Bank kennengelernt, die haben einen viel größeren Markt. Die bekommen auch eine indirekte hohe Förderung von Seiten der öffentlichen Hand. Außerdem sind sie sehr langsam und aus einem anderen Zweck heraus gewachsen. Jetzt eine Bank zu gründen ist keine leichte Übung. Das wird noch eine Herausforderung. Ich kann mir bei den regulatorischen Auflagen ein selbstständiges Geschäftsmodell kaum vorstellen. Wir als Erste Group sind ja schon lange in Kontakt mit der Idee der Bank für Gemeinwohl und sehen mit hoher Sympathie zu. Aber es wird schwierig.
Robert Moser: Ja, wir bekommen viel Unterstützung von den Banken. Es haben auch schon welche Genossenschaftsanteile gekauft. Ich sehe das aber ähnlich. Es ist nicht leicht, eine Bank zu gründen. Auf die Kosten muss man ganz besonders aufpassen.

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Wie werden Sie damit umgehen?

Robert Moser: Wir werden nicht die Gehälter zahlen können, die in Banken üblicherweise gezahlt werden. Damit und mit der kostengünstigen Übernahme vieler administrativer Tätigkeiten im Hintergrund durch unseren Software-Anbieter müsste es aber funktionieren.

Wie sieht Ihr Business Plan aus?

Robert Moser: Danach sollten wir im vierten, spätestens im fünften Jahr in die Gewinnzone kommen. Aber alles hängt von den Personal- und den EDV-Kosten ab. Dass wir genügend Kunden bekommen, davon bin ich überzeugt. Wenn wir das Eigenkapital aufbringen, dann erreichen wir auch eine Kundenanzahl, die die Bank lebensfähig macht.

Können Sie das unterschreiben?

Norbert Wolf: Ja. Die Menschen sind hier viel bodenständiger und offener als in Deutschland. Und auch die meisten Fachleute, die sich mit nachhaltigem Investment auseinandersetzen, kommen aus Österreich. Einige große Kapitalanlagegesellschaften haben sich in diesem Bereich schon seit vielen Jahren gut etabliert, in einer Form, wie wir das in Deutschland nicht erleben. Allerdings sind die Treiber die Institutionellen. Daher, denke ich, wäre es gut, wenn es hier eine Leuchtturm-Bank gibt, die das Ganze vorantreibt.

Wo liegen dann eher die Hürden für eine neue Bank?

Norbert Wolf: In der aktuellen Situation im Bankgeschäft und der Antwort auf die Frage, wo man überhaupt noch Geld verdienen kann. Bei dem Zinsniveau ist mit Förderkrediten nichts mehr zu machen. Also als Gemeinwohl-Bank finde ich es sehr schwierig. Und am Kapitalmarkt muss man hohe Risiken eingehen um überhaupt noch Zinsen zu erhalten und die sind nicht ausreichend.

Wie sehen Sie also Ihre Zukunft?

Norbert Wolf: Wir als Steyler Ethik-Bank werden in den nächsten fünf Jahren ungefähr 30 bis 40 Prozent unseres Zinsertrages verlieren und damit werden wir 2020 noch knapp im Positiven liegen. Verantwortlich dafür, dass wir hier noch kein Girokonto und kein Wertpapiergeschäft anbieten, sind auch die, im Vergleich zum kleinen Markt, relativ hohen Kosten etwa für EDV, Prüfungen, Regulatorik, Beraterprotokolle und Compliance.
Robert Moser: Apropos Kosten. Beim Kreditgeschäft wird unsere Gemeinwohl-Prüfung ein wichtiger Punkt sein. Die GLS Bank hat zum Beispiel ganz geringe Kreditausfallsraten, weil die Kreditnehmer deutlich gründlicher geprüft werden. Allerdings heißt das noch nicht, das man dadurch auch etwas verdient.

Ist das auch Ihre Meinung?

Günter Benischek: Ja, ich glaube auch, dass in der Vermeidung von Risikokosten der Schlüssel zum Erfolg liegen könnte. Weil bei Ihrer Bank die anzunehmende Kundenbindung vielleicht mit einer höheren moralischen Rückzahlungsverpflichtung gegenüber der Bank verbunden ist. Das Geheimnis der klassischen Mikrokreditbanken ist letztendlich, dass sie kein Risiko haben, obwohl sie sehr hohe Aufschläge bei der Verzinsung verlangen. Aber durch die moralische Verpflichtung der Kunden wird vermieden, dass Risiko entsteht. Bei einer ethischen Bank, die auf eine höhere Moral ihrer Kunden trifft, kann das funktionieren.
Robert Moser: Auch unser geplantes langsames Wachstum könnte hilfreich sein.
Günter Benischek: Darum bin ich bezüglich Ihres Business Plans skeptisch, dass Sie bereits in vier Jahren in die Gewinnzone kommen. Für eine neu gegründete Bank ist das sehr schnell. Auch die GLS Bank hat viel länger gebraucht, bis das eigentliche Bankgeschäft etwas einbrachte.

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Kommen wir zum Zinsverzicht, den die Bank für Gemeinwohl Sparkunden anbieten wird. Wie hilfreich ist da das aktuelle Umfeld?

Robert Moser: Ja, in der jetzigen Niedrigzinsphase fällt es Kunden relativ leicht, auf Zinsen zu verzichten. Wir haben in Umfragen unter unseren Verbandsmitgliedern festgestellt, dass rund 20 Prozent auf Zinsen verzichten wollen, wenn sie die Mittelverwendung beeinflussen können. Es ist aber fraglich, ob das hält, wenn wir die breite Öffentlichkeit fragen.
Norbert Wolf: Das traue ich Ihren Kunden ohne Weiteres zu. Bei uns verzichtet ein Drittel der Kunden auf Sparzinsen. Und diese Zahl ist auch seit Jahren konstant, war aber davor höher. Das hat damit zu tun, dass wir auch in Deutschland früher nur das Einlagengeschäft betrieben haben. Mit mehr Kreditgeschäft, mit den Girokonten und dem Wertpapiergeschäft hat sich das etwas verwässert. Absolut ist das Volumen in der Niedrigzinsphase noch mal angestiegen, aber dabei kommt unter dem Strich nicht mehr raus. Also die Bereitschaft zum Zinsverzicht ist derzeit höher, das Ergebnis ist deswegen aber nicht besser.

Zum Schluss noch zum Thema Regulatorik. Sie sehen das nicht so als große Hürde?

Robert Moser: Mit unserem Konzept des normalen Bankgeschäfts ohne Spekulationen kann das keine Hürde sein. Eine Bank wie unsere ist auch für die Finanzmarktaufsicht leichter zu prüfen.
Günter Benischek: Ich glaube schon, dass die regulatorischen Vorgaben kleine Institute massiv unter Druck bringen. Zwar wird Regionalität gewünscht, aber dann verlangt man von der Sparkasse Egg das gleiche wie von der Erste Bank. Da stimmt was nicht.

Welche konkreten Vorgaben sind das, die große Banken begünstigen?

Günter Benischek: Zum Beispiel die große Anzahl der fixen Personen, die man im Risikomanagement vorsehen muss.

Wie wird das die Bank für Gemeinwohl lösen?

Robert Moser: Derzeit erstellen pro bono-Mitarbeiter, die in anderen Banken tätig sind, für uns das Risikomanagement-Konzept. Wenn wir es schaffen, dass diese Mitabeiter auch in der Bank für Gemeinwohl weiterhin ehrenamtlich tätig sind, müsste es gehen. Oder wir werden die Aufgaben ausgliedern. Unser Business Plan entwickelt sich jedenfalls ständig weiter.  

Noch eine letzte Frage: Wie werden Sie die Mittelverwendung angehen?

Robert Moser: Wir werden versuchen, das Geschäft mit Krediten und Einlagen in Balance zu halten. Aber jeder Banker weiss, dass das schwierig ist.
Günter Benischek: Es wird bei den Einlagen schneller gehen als bei den Krediten und dann ist die Frage, wie man die Gelder ethisch investiert.
Robert Moser: Da ist unsere Überlegung, die Gelder auch Sparkassen zur Verfügung zu stellen, die sich einer Gemeinwohlprüfung unterzogen  haben. Da gibt es schon zwei Institute in Österreich und weitere haben Interesse dafür bekundet. Die vergeben dann Kredite nach den gleichen Kriterien wie wir und können etwas für die Region tun.

Ich bedanke mich für die Teilnahme an der Diskussion und wünsche viel Erfolg bei der Gründung der Bank für Gemeinwohl!

Aus dem be INVESTOR Nr 32 mit dem Schwerpunktthema "ETHISCHE INVESTEMENTS". Dort finden Sie auch den ersten Teil der Diskussion bzw. einen umfangreichen Bericht zur Nachfrage nach und zur Performance von ethisch/ökologischen Aktien-. Anleihen und Mischfonds. Mehr dazu hier: http://bit.ly/1EyQkn2

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