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Reiche Ausländer, Überbevölkerung und das Schweizer Gold

Am Anfang stand ein Hut - ein ungegrüßter. Weil er sich weigerte den Hut des in habsburgischen Diensten stehenden Landvogts Hermann Gessler zu grüßen, zwang dieser ihn vom Kopf seines Kindes mit der Armbrust einen Apfel zu schießen, um das eigene Leben und das seines Kindes zu retten. Gessler büßte diesen Frevel mit seinem Leben und der Schütze Wilhelm Tell wurde zur Schweizer Freiheitsfigur, der später der Dramatiker Friedrich Schiller in seinem Drama Wilhelm Tell - übrigens das letzte fertiggestellte Werk des Dramatikers - ein Denkmal setzte. So zumindest die - historisch umstrittene - Vorgeschichte zum berühmt gewordenen Rütlischwur.

Historisch nicht umstritten sind hingegen die sogenannten Bundesbriefe. Der wohl bekannteste von mehreren dieser Briefe wird auf Anfang August 1291 datiert und beginnt mit den Worten: „In Gottes Namen. Amen. Das öffentliche Ansehen und Wohl erfordert, dass Friedensordnungen dauernde Geltung gegeben werde. ...“ Gesiegelt wurde dieser Bundesbrief von drei Talschaften, die später als die Urkantone bezeichnet wurden. Diese drei Talschaften (Uri, Schwyz, Unterwalden oder Nidwalden) legten mit ihrem Beistandspakt den Grundstein für die spätere Schweiz, die im Laufe der Zeit auf 26 Kantone anwuchs, die per Ende 2013 8,14 Millionen Menschen beherbergten (Bevölkerungsstatistik Schweiz mehr dazu hier: http://bit.ly/1uTLKJU). Zum Vergleich: Ende 2013 lebten in Österreich 8,48 Millionen Menschen.

Doppelt so hohes Bevölkerungswachstum. Seit 1970 stieg in die Anzahl der in der Schweiz lebenden Menschen um rund zwei Millionen, in Österreich kam eine knappe Million dazu (siehe Tabelle 1). Dieses doppelt so hohe Wachstum bereitet den Boden für eine der drei Initiativen, die am kommenden Sonntag dem Schweizer Wahlvolk zur Abstimmung vorgelegt wird. Die sogenannte Ecopop-Initiative, hinter der, laut dem Webportal swissinfo.ch, eine Gruppe von Umweltschützern steht, fordert, dass die Nettozuwanderung – die Zahl der Immigranten minus die Zahl der Auswanderer – im Durchschnitt von drei Jahren jeweils nur noch um je maximal 0,2% der ständigen Wohnbevölkerung der Schweiz wachsen darf. Zudem sollen mindestens 10 Prozent der Entwicklungsgelder des Bundes in Projekte für freiwillige Familienplanung fliessen. Der Verein Ecopop fordert einen kleineren ökologischen Fußabdruck der Menschen auf dem Planeten. Alex Gagneux, eines der Vorstandsmitglieder des Vereines wirft der industrialisierten Welt krasse Selbstsucht vor. Die Gegner der Initiative kritisieren, dass der Vorstoß zu strikt sei. Er sei schädlich für die Schweiz, für ihren wirtschaftlichen Wohlstand und ihre humanitäre Tradition. (Mehr zum Thema finden Sie hier: http://bit.ly/1FpgRQr.)

Reiche Ausländer sollen mehr zahlen. Das Thema Zuwanderung bzw. die Besteuerung der vermögenden Ausländer ist auch Inhalt der zweiten, am 30. November abzuhaltenden Abstimmung. Diesfalls geht es um die sogenannte Pauschalbesteuerung, eine Abgabe, die “über 5600 ausländische Staatsangehörige ohne Erwerbseinkommen in der Schweiz lediglich aufgrund ihres Aufwands besteuert, und nicht gemäß ihres effektiven Einkommens und Vermögens”, wie das Portal swissinfo berichtet. Und weiter: “Dieses Steuersystem, das der Eidgenossenschaft, den Kantonen und Gemeinden im Jahr 2012 Steuereinnahmen in der Höhe von 700 Millionen Franken eingebracht hat, sorgt für Zündstoff. Aufgrund öffentlichen Drucks wurde es in fünf Deutschschweizer Kantonen bereits abgeschafft, so in Zürich, Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Schaffhausen und Appenzell Ausserrhoden. In fünf weiteren Kantonen, so in St. Gallen, Thurgau, Luzern, Nidwalden und Bern, wurde dessen Abschaffung verworfen, die Bedingungen wurden allerdings verschärft.” Die Pauschalbesteuerung ist aber keine Erfindung der Gegenwart, sondern hat in der Schweiz eine lange Tradition. Sie wurde Ende des 19. Jahrhunderts eingeführt und hatte zum Ziel, reiche Engländer zu gewinnen, die ihren Ruhestand an der waadtländischen Riviera verbringen wollten. (Mehr dazu: http://bit.ly/1yeP0jD). Tatsächlich beherbergt die Schweiz heute ein nicht zu verachtende Anzahl von prominenten sogenannten “Steuerflüchtlingen”. Zu ihnen gehören der Rockstar Johnny Hallyday, Ikea-Gründer Ingvar Kamprad oder der russische Milliardär Viktor Vekselberg. Vekselberg ist auch hierzulande kein Unbekannter: In den Annalen der jüngeren österreichischen Wirtschaftsgeschichte ist sein Name untrennbar mit dem des Austro-Investors Ronny Pecik verbunden. Dieser stieg 2005 via Beteiligungsgesellschaft Victory beim angeschlagenen Schweizer Technologiekonzern Oerlikon (damals noch Unaxis) ein und baute in der Folge seine Beteiligung zu einer Mehrheitsbeteiligung aus. 2008 reichte Victory ihr Paket an den zweiten Großaktionär, den Milliardär Viktor Vekselberg, weiter. Die sprichwörtliche “Rutsche” legte Pecik dem russischen Geschäftsmann auch beim Schweizer Maschinenbauunternehmen Sulzer. Ein Spiel das Pecik Jahre später auch bei der Telekom Austria umsetzte, die er dem mexikanischen Milliardär Carlos Slim in den Schoß legte.

Rettet unser Schweizer Gold. Doch zurück in die Schweiz: Thema Nummer 3, das dem Schweizer Wahlvolk am kommenden Sonntag zur Abstimmung vorgelegt wird ist das Schweizer Gold. Das Internetportal swissinfo.ch schreibt dazu: „Kein anderes Land der Welt besitzt mehr Goldreserven pro Einwohner als die Schweiz. Doch gemäß den Initianten einer Volksinitiative reichen diese nicht. Sie verlangen, die Goldreserven der Nationalbank massiv zu erhöhen.“ Mit den Goldreserven der Schweizer Nationalbank (SNB) liegt die Schweiz weltweit an siebenter Stelle (inkl. Euroraum achter - siehe Grafik 3). „Auf jede Schweizerin und jeden Schweizer kommen 128 Gramm des wertvollen Edelmetalls, ohne die Goldbarren und Vreneli zu zählen, die viele zu Hause haben“, rechnet das Portal vor, und: „Dieser Goldschatz könnte sich in den nächsten Jahren sogar verdreifachen, falls das Stimmvolk am 30. November der Volksinitiative "Rettet unser Schweizer Gold!" zustimmen sollte, die von einigen rechts-konservativen Politikern lanciert wurde. Diese Volksinitiative verlangt, dass der Goldanteil der Währungsreserven mindestens 20 Prozent betragen muss. Um dieses Ziel zu erreichen, wird eine Frist von fünf Jahren eingeräumt. Auf der Basis der aktuellen Bestände müsste die Nationalbank ihre Goldreserven um 2500 bis 3000 Tonnen aufstocken. In diesem Fall verfügten nur noch Länder wie die USA und Deutschland über höhere Goldreserven. Die kleine Schweiz würde an die dritte Stelle rücken.“ (Mehr dazu hier: http://bit.ly/1HFkHHr, ein Interview mit dem Initiator dem Schweizer Nationalrat Luzi Stamm finden sie hier: http://bit.ly/1uVKFRS). Bei einem Ja der Schweizer zur Goldinitiative würde sich das wohl entsprechend auf den Goldpreis auswirken. Nicht zuletzt deshalb wird dieser Initiative im Ausland die größte Aufmerksamkeit geschenkt.

Franken-Mindestkurs. Für die SNB, die im Gefolge des Euro-Absturzes (siehe Grafik 5), die Politik des Franken-Mindestkurses (ein Euro muss mindestens 1,20 Franken wert sein) einführte, würde die Festlegung auf einen bestimmten Mindestanteil von Goldreserven wohl eine Einschränkung ihrer Handlungsfähigkeit bedeuten. Tatsächlich verteidigt die SNB seit dem 6. September 2011 den Mindestkurs gegenüber dem Euro mit Zähnen, Klauen und viel Geld. Nicht zuletzt auch um die exportorientierte Wirtschaft der Schweiz zu unterstützen. Für diese - immerhin fast 55 Prozent der Schweizer Exporte landen in Ländern der EU - ist ein zu harter Franken Gift (eine genaue Exportstatistik der Schweiz finden Sie hier: http://bit.ly/1vldNBY). Auch ohne harten Franken hat die Schweiz zu kämpfen. Im Gefolge der Flaute in den EU-Ländern musste das Land seine Erwartungen nach unten schrauben. Zuletzt kürzte die OECD am 25. November ihre Prognosen. Das Wirtschaftswachstum werde sich zwar nach und nach beleben, schrieb die Organisation. Sie rechnet für die Schweiz mit einer Zunahme des Bruttoinlandproduktes (BIP) von je 1,5 Prozent in diesem und im nächsten Jahr und von 2,5 Prozent im Jahr 2016. Bei der letzten Prognose im Mai war die OECD allerdings noch deutlich optimistischer. Damals hatte sie für 2014 ein Wachstum von 2,2 Prozent und für nächstes Jahr gar von 2,8 Prozent in Aussicht gestellt. Mit ihren nun korrigierten Werten liegt die OECD im Bereich anderer Prognosen. Für den Euro-Raum war die OECD allerdings noch skeptischer: Dort wird die Wirtschaft laut dem OECD-Bericht in diesem Jahr lediglich um 0,8 Prozent wachsen. Im Mai hatte die OECD noch mit einem Wachstum von 1,2 Prozent gerechnet. Für 2015 senkte sie ihre Prognose von 1,7 auf 1,1 Prozent. Für Österreich wiederum wurde die Prognose für 2014 von 1,5 auf 0,5 Prozent gesenkt, 2015 soll das BIP dann auf 0,9 und 2016 auf 1,6 Prozent steigen. Zum Vergleich: Im Schnitt der vergangenen 33 Jahre (seit 1981 lag das Schweizer BIP-Wachstum bei 1,68, das der Alpenrepublik bei 2,09 Prozent (siehe dazu auch Tabelle 2 bzw Tabelle 4).