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In Aktien investieren für Anfänger (5)

Heute stelle ich eine verbreitete und sehr ausführliche Möglichkeit der Unternehmensbewertung vor. Es geht um die sogenannte “discounted Cashflow” (DCF) Methode zur Berechnung des Unternehmenswertes. Ich habe den Artikel zwar in die Anfänger-Serie gestellt – es ist vielleicht doch nicht so einfach für einen Anfänger alles zu verstehen. Aber es ist eine schöne Methode, um festzustellen ob eine Marktbewertung  aufgrund anderer Kennzahlen wie KGV, KBV, etc. realistisch ist – quasi eine zusätzliche Überprüfung die  – zugegeben – relativ aufwendig ist. Aber es ist nicht ganz so kompliziert wie es auf den ersten Blick wirkt.

Diese Methode geht von folgenden Annahmen aus:
1. Der freie Cashflow gibt die beste Aussage darüber, wie viel Geld einem Unternehmen tatsächlich zur Verfügung steht bzw. wie viel es tatsächlich Jahr für Jahr zur Verfügung hat z.B. für Dividendenausschüttungen.
Abschreibungen z.B. verfälschen die Cash-Situation oft sehr stark. Hohe Investitionen die auf lange Zeit abgeschrieben werden natürlich ebenfalls. (Das Geld muss ja zum Zeitpunkt der Investition auf einmal aufgebracht werden – auch wenn es sich am Ergebnis nicht sofort, sondern erst im Laufe der Jahre durch die Abschreibung niederschlägt). Es ist außerdem extrem schwierig den Cashflow mit Bilanztricks zu manipulieren, da die meisten Bilanztricks sich über Aufwertungen, etc. abspielen, die bei der Cashflow-Berechnung herausgerechnet werden. Den Cashflow berechnet man also indem man aus dem Ergebnis alle nicht-cash-wirksamen Posten herausrechnet:
EGT (Netto-Ergebnis)
+ Abschreibungen bzw. minus Aufwertungen
+ Erhöhung bzw . minus Rückgang bei Rückstellungen
− Erträge/+ Verluste aus Anlagenabgang
+ Verminderung  der Forderungen bzw. minus Erhöhung
+ Erhöhung der Verbindlichkeiten bzw. minus Verminderung
=  Operativer Cashflow
+ Umsatz aus Verkauf von Anlagen (Investitionen)
− neu angeschaffte Anlagen (Desinvestitionen)
= Free Cashflow
Man muß das allerdings nicht unbedingt selbst ausrechnen - laut US-GAAP und IFRS sind die Unternehmen sowieso verpflichtet in ihrem Geschäftsbericht auch eine Cashflow-Rechnung zu veröffentlichen. Diverse Finanz-Websites bieten diese Cashflow-Rechnungen online.
Wichtig ist, daß man versteht wie der Cashflow zustande kommt.

2. Der Markt erwartet einen bestimmten Ertrag, abhängig vom Risiko. Es erscheint logisch, daß man sich für ein höheres Risiko auch einen höheren Ertrag erwarten kann.  So geht die Portfoliotheorie mit dem CAPM (Capital Asset Pricing Model) davon aus, daß sich die Ertragserwartungen des Marktes durch die Volatilität (Schwankungsbreite) der Aktienkurse berechnen lässt. (Die Methode hier genau vorzustellen sprengt diesen Artikel – darüber muss ich einmal einen eigenen Beitrag schreiben.)
Nur soviel als Beispiel: Der – aufgrund der Volatilität berechnete – erwartete Marktertrag für den US-Aktienmarkt ist derzeit etwa 9,61%.

3. Das Risiko unterscheidet sich von Unternehmen zu Unternehmen. Der Beta-Faktor gibt das Risiko-Verhältnis zum Gesamtmarkt an. Gemessen am erwarteten Gesamtmarktertrag  hat also jedes Unternehmen einen Risikofaktor (“Beta” genannt).
Dieses Beta gibt an, wie stark das Risiko eines einzelnen Unternehmens gemessen am Gesamtmarkt ist. Der Gesamtmarkt (also z.B. der US-Aktienmarkt) hat also ein Beta von 1. Ist das Beta eines Unternehmens größer als 1 so wird eine Investition in dieses Unternehmen vom Markt als riskanter eingeschätzt, als eine Investition in den Gesamtmarkt. Damit steigen auch die Ertragserwartungen um diesen Faktor. Umgekehrt verhält es sich bei einem Beta weniger als 1, bei dem das Risiko geringer gesehen wird als beim Gesamtmarkt. Das Beta errechnet sich ebenfalls aus der Volatilität einer Aktie gemessen am Gesamtmarkt. Die Portfoliotheorie setzt also Volatilität mit Risiko gleich. (Details über Sinn und Unsinn dieser Methode werde ich ebenfalls in einem Beitrag über dieses Thema diskutieren.)
Der erwartete Ertrag eines Unternehmens, gleichzusetzen mit den Eigenkapitalkosten, errechnet sich also in dem man den erwarteten Gesamtertrag mit dem Beta multipliziert:
Eigenkapitalkosten = erwarteter Marktertrag * Beta

4. Die zukünftigen Cashflows eines Unternehmens werden um den erwarteten Ertrag abgezinst und aufsummiert. Wie schon öfters erwähnt ist ein Geldfluß in der Zukunft natürlich weniger wert als einer heute.
Beispiel: Der erwartete Ertrag einer Investition ist 5%. Wenn man heute 1000 Euro hat, könnte man die also zu 5% anlegen und hätte in einem Jahr 1050 Euro. Bekommt man aber die 1000 Euro erst in einem Jahr, so sind sie heute natürlich weniger wert.
Um herauszufinden wie viel diese 1000 Euro, die man in einem Jahr bekommt, heute wert sind, muss man ihren Barwert berechnen. Der Barwert sagt aus, wie viel man heute zu einem bestimmten Zinssatz anlegen müsste um einen bekannten Betrag in der Zukunft zu erhalten.
In unserem Beispiel möchten wir also wissen, wieviel wir für 5% anlegen müssen um 1000 Euro in einem Jahr zu erhalten. Dann haben wir den Barwert von 1000 Euro “in einem Jahr” bei 5% Abzinsung.  Um ihn zu ermitteln dividieren wir einfach die 1000 durch 1,05 (1 + Prozent/100)  und erhalten 952,38. Die Formel für den Barwert lautet also:
Barwert = Endkapital / (1 + Verzinsung/100) ^ Anzahl Jahre (Das “^” steht für das potenzieren, also mit sich selbst multiplizieren so oft wie die Anzahl der Jahre in Zukunft ausmacht.)
Wenn man nun also Annahmen über die zukünftige Entwicklung der Cashflows anstellt, kann man diese für mehrere Jahre ausrechnen und einzeln den Barwert ermitteln.
Die Summe dieser Barwerte ist dann der erste Teil des Unternehmenswertes nach der DCF-Methode.

5. Die über die Vorschauperiode hinausgehenden Cashflows werden im Residualwert zusammengefasst.
Da man nicht in alle Zukunft Cashflows planen kann, muss man ab einem bestimmten Zeitpunkt stetige Cashflows in alle Zukunft annehmen. Der Barwert dieser Cashflows heißt “Residualwert“.
Ein Beispiel zur Erläuterung. Wir haben z.B. für 10 Jahre die Cashflows geplant und die Barwerte für die nächsten 10 Jahre berechnet und aufaddiert. Im elften Jahr nehmen wir einen stetigen Cashflow von 1000,- Euro pro Jahr an.
Wieviel ist dieser Cashflow heute wert, wenn wir von einer Verzinsung von 5% ausgehen? Wieviel Geld müsste man heute zu einem Zinssatz von 5% anlegen, damit man in 10 Jahren jedes Jahr 1000 Euro ausgezahlt bekommt – bis in alle Ewigkeit?
Dazu müssen wir zuerst einmal ausrechnen wieviel Geld wir HEUTE anlegen müssen, damit wir Jahr für Jahr 1000 Euro Zinsen bekommen bei einem Zinssatz von 5%. Das ist relativ einfach: Cashflow / (Zinssatz / 100)
In unserem Beispiel also 1000 / ( 5 /100) = 1000 / 0,05 = 20.000
Wenn man also heute EUR 20.000 zu 5% anlegt, bekommt man Jahr für Jahr 1000 Euro Zinsen ausbezahlt.
Jetzt müssen wir nur noch den Barwert dieser 20.000 Euro am Ende der Vorschauperiode (z.B. in 10 Jahren) ausrechnen und haben den Residualwert – also wieviel müssen wir heute anlegen um bei 5% in 10 Jahren EUR 20.000 zu haben. Die Formel kennen wir schon:
Barwert = 20.000 / (1 + 5/100) ^ 10 = 12.278,27

6. Der Unternehmenswert nach DCF = Summe der Barwerte der Vorschauperiode + Residualwert. So einfach ist das also. Klingt auf den ersten Blick kompliziert, ist aber bei genauer Betrachtung sehr einfach.

7. Es gibt zwei Methoden diese Berechnung durchzuführen. Entweder man bezieht das Fremdkapital eines Unternehmens mit ein und berechnet den gesamten Unternehmenswert inkl. Fremdkapital – das nennt man “Entity-Approach” – oder man berechnet nur den Wert des Eigenkapitals, dafür muss man vom Cashflow noch die Fremdkapitalkosten (Zinsen für Fremdkapital) abziehen. Dieses Verfahren nennt man “Equity-Approach“. Da eine Aktie einen Anteil am Eigenkapital eines Unternehmens repräsentiert, verwende ich vor allem diese Methode.

Und nun ein Beispiel: Ich habe als Beispiel Apple verwendet. Werfen wir zuerst einmal einen Blick auf die Cashflows der Jahre 2006 – 2013 sowie die von Analysten (laut Bloomberg) geschätzten Jahre 2014 und 2015.
Uns interessiert nur der Free Cashflow, da wir den Equity-Approach rechnen möchten. Der CF + Kapitalkosten wäre notwendig für den Entity-Approach.

Interessant sind die Zuwachsraten – aufgrund derer müssen wir Schätzungen für die Zukunft abgeben.
Man erkennt ein deutliches Wachstum bis 2013 – ab dann wird von Analysten eine Abflachung erwartet (siehe Tabelle 1 im be Investor PDF). (Die kennen Apple wohl nicht ;-)). Aber gehen wir einmal davon aus, dass sie recht haben und das Wachstum ab 2014 nur noch 1% pro Jahr betragen wird.
Was wir nun noch benötigen für die Berechnung der Barwerte sind die Eigenkapitalkosten die sich wie in Punkt 3 erwähnt aus dem erwarteten Marktertrag (in den USA sind das derzeit 9,61%) multipliziert mit dem Beta von Apple (das ist derzeit 0,91).
Wir erhalten Eigenkapitalkosten von 8,98% – das ist auch gleichzeitig der Zinssatz mit dem wir alle Cashflows “diskontieren” werden.

Wir kommen also unter der Annahme eines Cashflow-Zuwachses von 1% p.a. zur unten in Tabelle 2 (be Investor PDF) stehenden Berechnung. Man sieht hier die geplanten Cashflows der nächsten 10 Jahre, sowie deren Barwert. Ich bin noch den Umweg des Abzinsungsfaktors gegangen, wo ich einfach den Barwert von 1 US-Dollar ausgerechnet habe und dann den Plan-Cashflow damit multipliziert habe.

Dazu addieren wir noch den Residualwert, den wir aus dem Cashflow von 2024 errechnen – wie in Punkt 5 erwähnt.
Wir erhalten also einen Unternehmenswert von 589.783 Millionen US-Dollar, der einer derzeitigen Bewertung (Marktkapitalisierung) von 610.762,43 Mio. Dollar gegenübersteht. Hier sieht man, dass die Erwartungen des Marktes ganz in der Nähe des Ergebnisses unserer Rechnung liegen (nur etwa 3,4% darüber), d.h. der Markt erwartet bei Apple ein ähnliches Wachstum wie die Analysten (1% p.a. beim Cashflow). Sollte z.B. die Apple Watch einschlagen könnte Apple da noch positiv überraschen – aber das ist nicht Thema dieses Artikels.

Ich möchte jedenfalls in Zukunft öfters auf diese Methode zurückgreifen beim Bewerten von Unternehmen, da es eine zusätzliche Absicherung ist, die wichtig ist damit man von seinen Investitionen auch überzeugt ist.


Über den Autor

Michael Gredenberg hat gemeinsam mit seinem Partner Peter Augustin den 1996 gegründeten Service-Provider „Inode“ zum zweitgrößten Anbieter von Breitband-Internet in Österreich geführt. Nach dem Verkauf an UPC (2006) sammelte er seine ersten Erfahrungen am Finanzmarkt bei der Veranlagung des Verkaufserlöses. Durch die Finanzkrise erkannte er, dass man sein Vermögen niemals anderen Leuten anvertrauen soll ohne sich selbst damit zu beschäftigen und die Dinge zu verstehen.  Er bekennt freimütig, dass auch er jene typischen Fehler gemacht hat, die einem passieren wenn man plötzlich größere Geldsummen veranlagen muss.

Seit kurzem betreibt Michael Gredenberg einen Finanzblog, den sie hier abrufen können: financeblog.at

Aus dem be INVESTOR dem wöchentlichen Magazin des Börse Express als pdf vom 10.10.2014.

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