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Nokia: Das ungeliebte Baby wird zum Kronjuwel

Es ist für Nokia wohl das kleinere Übel. Nach dem Verkauf des Handygeschäfts an Microsoft stützt sich der finnische Konzern künftig vor allem auf sein lange krisengeschütteltes Netzwerkgeschäft, sprich die Produktion von Funk- und Schalttechnik sowie Software. Zwar bekommt Nokia von den Amerikanern noch Lizenzgebühren für Handypatente, doch strategisch wird die Tochter NSN in der Zukunft über das Wohl und Wehe der Firma entscheiden. Erst vor Kurzem hat Nokia das Geschäft komplett übernommen und dem Siemens-Konzern dessen Hälfte abgekauft, nachdem die Partner trotz langer Suche keinen Käufer für das Gemeinschaftsunternehmen gefunden hatten.

Nokia-Verwaltungsratschef Risto Siilasmaa dürfte in den NSN-Zahlen mehr Trost finden als in den Bilanzen des Handygeschäfts. Während dessen Einnahmen im zweiten Quartal binnen Jahresfrist um ein Drittel absackten, betrug das Minus im Netzwerkbau lediglich 17 Prozent. Gut 2,7 Milliarden Euro setzten sie damit um, einen Hauch mehr als mit ihren Mobilfunkapparaten. Während das Handysegment Verlust schrieb, blieb bei NSN wenigstens ein operativer Gewinn von 8 Mio. Euro übrig. Auch die Marge entwickelte sich im Geschäft mit Funknetzen nach oben.

Die Analysten von Bernstein rufen NSN gar zum neuen "Kronjuwel" für die Finnen aus, da die weltweite Nummer zwei sich in einem stabilisierenden Markt bewege. Doch in der Vergangenheit erwiesen sich die Erholungsphasen in dem Geschäft mit preisbewussten Netzbetreibern oft als kurzlebig. "Wir rechnen damit, dass das NSN-Betriebsergebnis 2014 leicht zurückgeht", warnen die Analysten der Deutschen Bank.

Vor sieben Jahren hatte Nokia große Pläne mit dem Netzwerkgeschäft. Damals herrschte in einem Hotelsaal in Frankfurt beste Laune. Die beiden seinerzeitigen Chefs von Nokia und Siemens verkündeten die Fusion ihrer Netzwerksparten. Nokia Siemens Networks (NSN) entstand, ein europäischer Telekommunikationsriese mit seinerzeit 60.000 Mitarbeitern. Viel gelacht habe man bei den Verhandlungen, berichteten die Spitzenmanager Olli-Pekka Kallasvuo und Klaus Kleinfeld. Doch das Lachen verging allen Beteiligten schnell. Zunächst musste Siemens seinen Teil des Geschäfts von der Schmiergeldaffäre reinwaschen. Dann setzte ein rapider Umsatzverfall ein, begleitet von derben Verlusten.

Mit einem Jahresumsatz von knapp 16 Mrd. Euro ging NSN seinerzeit an den Start, heute macht das Unternehmen ein Drittel weniger. Ein Sanierungsprogramm jagte das nächste, zehntausende Mitarbeiter verloren ihren Job. Und NSN kam kaum auf die Füße, die beiden Eigentümer mussten Milliarden nachschießen und in ihren Büchern Milliarden abschreiben.

Vor allem Konkurrenten aus Asien setzten den angestammten Herstellern von Fest- und Mobilfunknetzen zu. Huawei und ZTE drängten mit Macht auf die westlichen Märkte. In Europa bekamen NSN und Alcatel-Lucent den Preiskampf der Chinesen zu spüren, in Nordamerika ging die kanadische Nortel daran zugrunde. NSN-Chef Rajeev Suri reagierte mit immer härteren Einschnitten, die zwischenzeitlich sogar die deutsche Zentrale in München bedrohten. Für die Gewerkschaften in Finnland und Deutschland wurde das Joint Venture zum Dauerbrenner.

Suri suchte nach der besten Antwort auf die Krise. Zunächst übernahm NSN gegen harten chinesischen Widerstand die Motorola-Netzwerksparte in den USA, um einen Fuß auf den amerikanischen Markt zu bekommen. Dann stieg er aus dem Geschäft mit Festnetzen aus und konzentrierte sein Haus vollends auf die Ausrüstung moderner Mobilfunknetze. Gleichzeitig lieferte er sich einen Machtkampf mit Siemens, wo sein Vorpreschen trotz des wachsenden Missmuts über NSN nicht gern gesehen wurde. Er legte sich sogar mit dem heutigen Konzernchef Joe Kaeser an, als er dessen Schützling Marco Schröter als NSN-Finanzvorstand vor die Tür setzte. Im Juli lösten die beiden Partner schließlich ihren lange schwelenden Konflikt um die ungeliebte Tochter. Nokia kaufte die Hälfte der Münchner für 1,7 Mrd. Euro.

Der Schritt erscheint nun in einem anderen Licht. Zunächst sah es so aus, als würde Nokia lediglich versuchen, aus der Not eine Tugend zu machen, bevor Siemens seinen Anteil an einen ungeliebten Dritten verkauft. Nun bleibt den Finnen neben der kleinen Navigationssparte HERE nur noch die Netztechnik - und da hilft der volle Zugriff.

(APA/Reuters)